Mit schwerem Gerät mitten in den naturnahen Erholungswald. Kahlschlag bis knapp übern Boden. So wurde früher alle zehn Jahre das Gelände unter Stromleitungen freigeschnitten. Rasur auf 70 Metern Breite ließ in den Wäldern ausgeräumte Schneisen und tote Insekten zurück. Biologische Klüfte, die auf Kilometern Länge zusammengehörige Naturräume zerschnitten und Tier-Populationen trennten.
Im Binger Wald dagegen entwickelt sich ein ehemaliges Kahlschlag-Rechteck allmählich in eine begrünte Wannenform unter den Freileitungen, mit Erika und Heidelbeeren, Gräsern und Ginster, gestaffeltem Gebüsch am Rand. Weiter außen und ein paar kahle Buchen, die stehenbleiben dürfen, so Westnetz-Trassenmanager Johannes Hacks.
"Das ist sogenanntes stehendes Biotopholz. Es gibt eben Lebewesen, die Totholz auch in der stehenden Krone brauchen, weil sie hoch besonnte Flächen brauchen", Gold- und Rosenkäfer zum Beispiel.
"Wenn die Buche seitlich steht, weit genug weg, dass sie uns nicht in die Leitung fallen kann, bildet der Torso, also der Hauptstamm zunehmend Lebensraum, beginnend mit dem Specht, der beginnen wird, Spechthöhlen zu setzen. Und so wird sich einiges an Lebewesen in diesem stehenden Totholz etablieren."
Bessere Alternative als Kahlschnitt
Der sanft ansteigende grüne Wannenrand an den Seiten der Trasse fungiert wahlweise als artenreicher Übergang ins Offenland oder als Niederwald-Korridor im zerschnittenen Hochwald. Leitungssicherheit hat allerdings Priorität. Bäume, die an die Freileitungen heranwachsen, müssen entfernt werden. Vor rund 20 Jahren entdeckten einige Netzbetreiber, dass häufigere, extensive Pflege finanziell günstiger ist als Kahlschnitt in großen Zeit-Abständen. Sie begannen, schnell wachsende Birken einzeln zu entnehmen und den Rest gestaffelt sprießen zu lassen. Gefördert vom Bundesamt für Naturschutz und der Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz, lotet die Deutsche Umwelthilfe, kurz DUH, die Potenziale dieser Methode aus:
"Für ein zum einen kleinräumiges Netz vielfältiger Flächen, die mal mehr, mal weniger Sonne haben, unterschiedlich hohe Gehölze, dichte Bestände, weniger dichte Bestände. Sodass Arten, die unterschiedliche Lebensräume brauchen für Nahrung und Eiablage, für ihre Wanderung über die Flächen, dass das zur Verfügung, das wollen wir halt untersuchen."
Schwerpunktmäßig im waldreichen Rheinland-Pfalz und in Kooperation mit Westnetz, Amprion und Deutscher Bahn, so erläutert Doreen Volsdorf, DUH-Projektmanagerin Naturschutz. Die langjährigen Erfahrungen dieser Netzbetreiber mit nachhaltiger Trassenpflege werden jetzt ausgewertet.
"Deswegen werden durch unseren Projektpartner, die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, zum Beispiel auch Holz-bewohnende Käfer untersucht. Das heißt, wir versuchen, darüber auch herauszufinden, wie weit werden solche Flächen besiedelt von Arten, die auf bestimmte Totholz-Strukturen angewiesen sind. Daran kann man dann erkennen, wie weit das Potenzial erstens da ist und zweitens auch noch weiter entwickelt werden kann."
Schutzstatus für manche Teilabschnitte
Wie viel ökologisches Potenzial extensiv gepflegte Trassen bieten, zeige sich darin, so Christian Trimpe, Landschaftsarchitekt im Dienst des Netzbetreibers Amprion, "dass Teilabschnitte von Trassen auch Schutzstatus erlangt haben, und zwar nachdem die Trasse gebaut wurde und das Pflegekonzept entwickelt. Zum Beispiel das Vogelschutzgebiet "Wälder und Wiesen bei Burbach und Neunkirchen". Das ist im südlichen Siegerland. Dort beinhaltet das Biotop-Management-Konzept die Pflege von niederwaldartigen Strukturen, wichtiger Lebensraum fürs Haselhuhn. Das Haselhuhn ist eine streng geschützte Art, auf Niederwald-Strukturen angewiesen. Das Haselhuhn hat sich dort wieder etabliert und einen stabilen Lebensraum."
Ergebnisse und Handlungsempfehlungen will die Deutsche Umwelthilfe im kommenden März vorstellen.