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Stromrebellen in der Niederlausitz

Es gärt in der Niederlausitz in Brandenburg. Dort sollen demnächst Bagger des Energieversorgers Vattenfall Braunkohle fördern, die unter den Häusern der Menschen liegt. Die Einwohner wehren sich: mit Strom aus regenerativen Quellen.

Von Jens Falkowski | 16.09.2010
    Die Alte Dorfkirche von Atterwasch ist ein zentraler Punkt für den Protest gegen den geplanten Braunkohletagebau. Hier hängt auch ein altes Transparent, was schon beim Protest gegen die Umsiedlung von Horno dabei war. Horno sollte eigentlich der letzte Ort in Brandenburg sein, der der Braunkohle zum Opfer fiel. Doch heute bangt Ortspfarrer Matthias Berndt um Atterwasch. Er steht in dem kleinen Pfarrgarten hinter der Kirche und blickt auf ein kleines Tal mit einer Feuchtwiese. Hier will Vattenfall eine Schutzwand in die Erde treiben, die den Tagebau begrenzen soll und dabei auf den allerletzten Metern auch Atterwasch begräbt.

    "Das heißt, hier werden große Bagger aufgefahren. Es wird 120 Meter tief eingeschlitzt, der Boden, und wird dann verdichtet, dass das Wasser, was hier drüben noch stehen soll nicht in die Grube einbricht. Das ist auch für mich so eine wahnsinnige Vorstellung, wenn die heutzutage eine Planung machen, da gucken sie nach dem Kohleflöz und sagen so und so groß ist es. Ach, da steht Atterwasch drauf - na dann muss es eben weg."

    Doch in der Gemeinde von Pfarrer Berndt wächst der Widerstand, denn ans Aufgeben denkt hier keiner - auch nicht Ulrich Schulz. Er ist Ortsbürgermeister. Seiner Familie gehört ein alter Hof in Atterwasch, und er hat jetzt eine Biogasanlage gebaut. Was dafür in den großen Tanks gärt, stammt allein von seinem Hof.

    "Wir erzeugen mit 195 Kilowatt elektrischer Leistung relativ wenig Strom. Es ist eine relativ kleine Anlage. Aber für uns ist es so: wir können die Anlage als Betrieb von unserer Betriebsfläche aus füttern und die tierischen Exkremente verwerten. Ich denke mal, damit ist ein Ziel erreicht. Zum anderen ist über uns immer der drohende Tagebau Jänschwalde Nord. Uns ging es auch darum zu zeigen, wie auch anders Energie produziert werden kann."

    Mit der Leistung seiner Biogasanlage produziert Ulrich Schulz schon jetzt mehr Energie als im Ort selbst verbraucht wird. Damit wäre Atterwasch eigentlich unabhängig vom Strom aus dem Braunkohlekraftwerk Jänschwalde, für das die Braunkohle unter dem Ort abgebaut werden soll. Doch ohne das Stromnetz kann er seine Energie nicht verteilen.

    "Nein, so richtig autark ist es nicht. Das ist schon richtig. Aber das gibt der Gesetzgeber so vor, dass der eingespeiste Strom den Weg über das Netz machen muss, weil ja verschiedene Boni erst über den Netzbetreiber zu erhalten sind, die der Einzelne nicht zahlen kann."

    So wie Ulrich Schulz denken hier viele und investieren in erneuerbare Energien. Auf vielen Dächern stehen bereits Solaranlagen. Seit dem vergangenen Jahr gibt es auch eine Solargenossenschaft. Sie will Anlagen auf Dächern bauen, deren Besitzer sich selbst keine leisten können. Das Geld dafür kommt nicht nur aus der Region, sondern aus dem gesamten Bundesgebiet. Doch für den Kampf gegen die Pläne von Vattenfall möchte Matthias Bärmann die Solargenossenschaft Lausitz nicht vereinnahmen lassen.
    "Wir als Genossenschaft sind nicht gegen was, sondern wir sind für was. Wie Vattenfall uns sieht, weiß ich nicht. Ich habe mit ihnen nicht gesprochen. Das kann ich nicht beurteilen. Wir sind auch nicht gegen Vattenfall, sondern für erneuerbare Energien. Das müssen wir leider auch denen sagen, die uns anderweitig vielleicht mal gebrauchen wollen."

    Die Solargenossenschaft plant für Oktober die Einweihung einer Gemeinschaftsanlage auf der Feuerwehr im Nachbarort Kerkwitz, der ebenfalls abgebaggert werden soll. Auch wenn die Region wenig Hoffnung hat, die Pläne von Vattenfall zu verhindern, so hat für René Schuster von der Grünen Liga die Region Schenkendöbern, zu der die Orte gehören, Modellcharakter in Sachen regenerativer Energien.

    "Ich denke, dass wir mit der Vielfalt der genutzten erneuerbaren Energien hier schon gut aufgestellt sind im Bereich Schenkendöbern. Wir haben die Biogasanlage, wir haben die Windparks, die Solaranlagen, es gibt eine Hackschnitzelheizanlage und im Nachbarort gibt es sogar noch ein Wasserkraftwerk an der Neiße. So dass eben der Kritikpunkt, irgendwann weht der Wind nicht, dann gibt es hier keinen Strom, das trifft hier nicht zu. Wenn man sich die Biogasanlage anschaut und wenn sie es auf 8000 Betriebsstunden pro Jahr bringen sollte, dann ist das besser als das die meisten Kohlekraftwerke das zur Zeit tun."