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Stromversorgung ohne Kabel

Technik. – Mit drahtlosen Funkverbindungen sind die letzten Kabel, die aus den zahlreichen Bürogeräten hängen, die Stromkabel. US-Forscher arbeiten jedoch daran, auch diesen Kabelsalat zu beseitigen. Alle Geräte in einem Raum sollen durch Magnetfelder mit Strom versorgt werden. In der aktuellen "Science" berichten die Forscher über ihr Projekt.

Von Ralf Krauter | 08.06.2007
    In einem Physiklabor am Massachusetts Institute of Technology leuchtet eine gewöhnliche 60-Watt-Glühbirne. Das ungewöhnliche daran: Der Strom kommt nicht via Netzkabel aus der Steckdose, sondern von einer handtellergroßen spiralförmigen Kupferspule. Diese wiederum empfängt die Energie drahtlos durch die Luft, von einer zweieinhalb Meter entfernten Senderspule ähnlicher Bauart. Wireless electricity, kurz WiTricity, so haben die US-Forscher ihre kabellose Stromversorgung getauft, die künftig einmal viele der allgegenwärtigen Netzkabel überflüssig machen könnte. Das physikalische Prinzip dahinter: Die von Transformatoren bekannte Induktion, erklärt der MIT-Forscher Andes Kurs.

    "”Transformatoren wie jene Spannungswandler im Netzteil Ihres Laptops oder Mobiltelefons, bestehen aus zwei sehr dicht nebeneinander angeordneten Spulen. Normalerweise lässt sich Energie mittels Induktion nämlich nur über kurze Entfernungen effizient übertragen. Um die Reichweite zu erhöhen, mussten wir uns einige Tricks einfallen lassen. Wir verwenden spezielle Spulen und die Magie der magnetischen Resonanz. Dadurch können wir Distanzen von einigen Metern überbrücken.""

    Magnetische Resonanz - dahinter verbirgt sich eine starke magnetische Kopplung der aufeinander abgestimmten Sender- und Empfängerspule. Sie bewirkt, dass die vom Sender in alle Raumrichtungen ausgestrahlte elektromagnetische Energie ausschließlich von der Empfängerantenne absorbiert wird. Das Resultat ist ein gezielter Energietransfer von A nach B, der andere Objekte im Raum völlig unbeeinflusst lässt und auch dann noch funktioniert wenn Menschen oder Gegenstände die direkte Verbindung zwischen Sender und Empfänger blockieren.

    "”Bei einer Entfernung von gut zwei Metern kommen derzeit rund 40 Prozent der ausgesandten Energie beim Empfänger an. Aber wir haben Ideen, wie wir die Transfereffizienz auf 70 Prozent steigern könnten. Die Reichweite wird allerdings immer auf wenige Meter beschränkt bleiben. Das genügt für die Stromversorgung innerhalb eines Raumes, aber wir werden sicher nie Energie von einem Ende eines Fußballfeldes zum anderen schicken.""

    Die resonante Kopplung zwischen Sender und Empfänger ähnelt einer Opernsängerin, die in einem Raum mit hunderten verschieden hoch gefüllten Weingläsern einen bestimmten Ton singt. Wegen des unterschiedlichen Füllstandes hat jedes Glas eine andere akustische Resonanzfrequenz. Bei einem hohen A wird deshalb nur eines der Gläser den Löwenanteil der im Raum verteilten Schallenergie absorbieren und schließlich zerspringen.

    Für ihren drahtlosen Stromanschluss nutzen die MIT-Forscher oszillierende Magnetfelder im Megahertzbereich. Inwieweit diese wirklich in jedem Fall gesundheitlich unbedenklich sind, müssen sie aber erst noch untersuchen. Kurs:

    "”Über die Gesundheitsgefahren für Menschen mit Herzschrittmachern zum Beispiel können wir derzeit noch nichts sagen. Aber wir haben Grund zu der Annahme, dass das System praktisch keine Energie an irgendwelche Objekte überträgt, die nicht speziell auf jene magnetischen Resonanzfrequenzen abgestimmt sind, mit denen wir arbeiten. Genau wie all meine Kollegen im Labor erfreue ich mich noch bester Gesundheit. Wir sind optimistisch, unser System unter Einhaltung der üblichen Grenzwerte für elektromagnetische Strahlung betreiben zu können.""

    Die Vision klingt bestechend: Eine resonante Magnetspule könnte alle tragbaren Elektrogeräte in einem Raum drahtlos mit Strom versorgen - Handy, Laptop, MP3-Player und so weiter. Das würde nicht nur den Kabelsalat verringern; die Nutzer müssten endlich auch nicht mehr dran denken, wann bitteschön welches Gerät wieder aufgeladen werden will. Die elektronischen Helfer würden sich ihren Ladestrom bei Bedarf einfach automatisch aus der Luft holen. Damit das gelingen kann, müssen die Forscher die Empfängerspulen aber erst noch weiter schrumpfen. Die derzeit kleinste hat das Format eines Laptops. Beim Handy zumindest bleibt das Ladegerät also bis auf weiteres unverzichtbar.