Nie wieder Staatspropaganda, nie wieder gleich geschaltete Medien: Das waren die Gründe, warum nach dem Zweiten Weltkrieg die Bundesländer für Medienpolitik zuständig sein sollten. Und das ist immer noch so: Medienpolitik ist in Deutschland weiterhin überwiegend Ländersache – und beruht immer auf Einstimmigkeit. Deshalb kann eine medienpolitische Entscheidung schon mal länger dauern, egal wie schnell sich die Medienwelt verändert.
"Dass das schwierig ist mit 16 Ländern und manchmal langwierig ist, das ist zutreffend. Allerdings glaube ich auch, dass das auch dazu beiträgt, viele unterschiedliche Aspekte abzuwägen, was gerade im Bereich der Medienpolitik mit ihren sehr weitreichenden Folgen vielleicht gar nicht das Schlechteste ist", meint Nathanael Liminski, Staatssekretär aus Nordrhein-Westfalen. Zusammen mit seinen Kollegen aus den anderen Bundesländern befasst er sich aktuell zum Beispiel mit einem Medienstaatsvertrag – in dem grundsätzliche Regeln stehen sollen für althergebrachte Medien wie Radio- und Fernsehsender, aber eben auch für Plattformen wie Facebook oder YouTube.
Großes öffentliches Interesse...
Allerdings ist der Weg zum Medienstaatsvertrag schon jetzt ziemlich lang: Er geht zurück auf eine Kommission, die bereits vor zweieinhalb Jahren ihre Arbeit abgeschlossen hat. Während Facebook oder Google ihre abermillionsten Nutzer für sich gewinnen und ihre Marktmacht deutlich erweitern konnten. Claus Grewenig, Leiter Medienpolitik bei der Mediengruppe RTL:
"Das ist auch ein Regulierungsvorhaben, wo man mehr Tempo bräuchte für die betroffenen Branchen, denen es darum geht, perspektivisch Fragen wie Zugang, Auffindbarkeit, Sicherung der Medienvielfalt auf Plattformen auch in einem regulatorischen Rahmen zu haben. Insofern ist das ein gutes Beispiel dafür, wo man aus unserer Sicht schneller vorankommen sollte."
Dagegen lobt Grewenig, dass die betroffenen Medienunternehmen genauso wie alle anderen Stellung nehmen konnten zum geplanten Medienstaatsvertrag. Tatsächlich haben die Länder in diesem Fall über 1000 Zuschriften bekommen und wollen in den nächsten Monaten zu einer Entscheidung kommen.
...vor allem am öffentlich-rechtlichen Rundfunk
Interessant dabei ist, dass viele Bürger den Aufruf zur Stellungnahme genutzt haben, um etwas zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu schreiben; auch wenn es darum im aktuellen Verfahren gar nicht explizit geht.
Das mag daran liegen, dass die Fragen, welchen Auftrag, welche gesellschaftliche Aufgabe ARD, ZDF und Deutschlandradio in Zukunft haben, wie die öffentlich-rechtlichen Sender in den nächsten Jahren finanziell aufgestellt sein sollen, meistens nur hinter geschlossenen Türen debattiert wird; unter den 16 Landesregierungen, in ihrer Rundfunkkommission. Wie die Kommission genau arbeitet, wer sich dort wie und mit welchen Argumenten durchsetzt, all das ist nicht öffentlich dokumentiert.
Landesparlamente stärker einbeziehen?
Das sei ein Beispiel dafür, dass Medienpolitik in Deutschland oft zu intransparent abläuft, meint die grüne Medienpolitikerin und digitalpolitische Sprecherin ihrer Bundestagsfraktion, Tabea Rößner. "Das sind in der Regel keine öffentlichen Sitzungen. Ganz im Gegenteil. Es ist ja so schon mühsam, für mich als Medienpolitikerin beispielsweise auf Bundesebene, an die Entscheidungen ranzukommen, an die Papiere ranzukommen, überhaupt erstmal zu erfahren: Was ist denn eigentlich die Zielrichtung? Warum wird was wie diskutiert? Und ich glaube, die Medienpolitik muss sich da auch anders aufstellen."
Rößner schlägt vor, für eine breitere öffentliche Debatte die Landesparlamente stärker einzubeziehen. Die müssen zwar jetzt schon allen wichtigen Neuregelungen zustimmen – wobei oft mehr der Eindruck eines Abnickens entsteht, als dass sich aus den Parlamenten heraus inhaltliche Impulse ergeben.
Und die EU spielt auch noch eine Rolle
NRW-Staatssekretär Nathanael Liminski räumt zwar ein, dass es nie verkehrt sei, über weitere und neue Formen nachzudenken, die Öffentlichkeit zu beteiligen. Am grundsätzlichen Prozedere sei dennoch festzuhalten. "Man muss sich nur im Klaren sein darüber: Am Ende müssen auch politisch gewählte, demokratisch legitimierte Vertreter einen Knopf dranmachen können und die Entscheidung treffen können. Und insofern ist an dieser Stelle die Debatte und die Diskussion etwas sehr Wichtiges und Wünschenswertes, aber es darf sich darin eben noch nicht erschöpfen."
Allerdings sind es längst nicht mehr nur die Bundesländer, die medienpolitische Entscheidungen treffen: Auf EU-Ebene wird gerade das Urheberrecht verhandelt. Das als Abhilfe gegen Hass im Netz gedachte Netzwerkdurchsetzungsgesetz wurde von der Bundesregierung eingebracht.
Zu wenig Absprachen zwischen Land, Bund und EU?
Das macht es schwer, in der Medienpolitik eine klare Linie zu erkennen; gerade auch, weil es nach Ansicht von Claus Grewenig von der Mediengruppe RTL zu wenig Absprachen unter den Landes,- Bundes und EU-Medienpolitikern gibt.
"Es muss mehr institutionalisierten Austausch geben aus unserer Sicht, ganz klar. Weil, wenn niemand sich dazu berufen fühlt, von oben drauf zu schauen, zu sehen, dass wenn ich an den zwei Fäden ziehe, verändert sich hier, da und dort was, werden Sie auch nie ein wirklich realistisches Bild der Betroffenheit der unterschiedlichen Akteure auf dem Feld bekommen. Und diesen institutionalisierten Vogelblick, wie ich es mal nennen möchte, gibt es weder auf der europäischen noch auf der nationalen Ebene. Und das ist ein wirklicher Nachteil."
Der zumindest in Deutschland wohl auch in nächster Zeit nicht verschwinden dürfte. Denn zum Beispiel die Bund-Länder-Kommission, auf die der Medienstaatsvertrag zurückgeht, hat seit 2016 keine Nachfolgerin bekommen. Bund und Länder teilten zwar auf Nachfrage unserer Redaktion mit, dass sie sich regelmäßig austauschen und dies auch weiter tun wollen. Einen festen Ort, ein Gremium für diesen Austausch gibt es aber nicht.