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Student mit 17

Wer mit fünfeinhalb Jahren eingeschult wird und dann nach acht Jahren Gymnasium Abi macht, kann schon mit 17 im Hörsaal sitzen. Diese ganz jungen Studenten wohnen meist noch zu Hause, wissen aber genau, was sie wollen. Studiengebühren müssen sie nicht zahlen.

Von Dorothee Räber | 11.11.2011
    "Die behandeln mich einfach ganz normal, wie jeder andere auch. Man sitzt in der Vorlesung, hört zu und schreibt sich das alles nieder und zu Hause liest man sich das dann durch und versucht's zu verstehen."

    Daniel Deiters ist 17 Jahre alt. Vor drei Wochen hat er mit seinem Mathe-Bachelor an der Universität Hannover begonnen. Neben ihm gibt es dort zurzeit noch 38 weitere Studenten unter 18. Sehr wenig, bei gut viereinhalbtausend Erstsemestern. Vor einem Jahr aber waren es allerdings nur sechs, vor zwei Jahren drei unter 18.

    Seit das Alter für die Einschulung sinkt, drücken manche Kinder schon mit fünfeinhalb die Schulbank. Wer dann nach acht Jahren Gymnasium Abi macht, kann schon mit 17 im Hörsaal sitzen. In den kommenden Jahren wird das voraussichtlich immer öfter vorkommen.

    "Das Alter spielt hier eigentlich auch keine Rolle mehr, nur dass man jetzt wahrscheinlich mit 21 schon seinen Master haben kann."

    Den Abschluss in einem Alter zu machen, in dem andere Jungs bis vor kurzem gerade mit dem Zivildienst fertig waren - Jungstudent Daniel gefällt diese Idee.

    "Ein großer Vorteil ist, dass man, wenn man minderjährig ist, keine Studiengebühren bezahlen braucht. Viele Firmen gucken sehr aufs Alter, je jünger man ist, desto eher wird man angenommen."

    Ein Masterabschluss soll es auf jeden Fall werden. Wie es dann weitergeht, weiß der 17-Jährige noch nicht. Für Mathe als Studienfach hat er sich allerdings schon früh und mit Überzeugung entschieden.
    Das sei typisch, meint Gabriele Diewald, Vizepräsidentin für Lehre an der Uni Hannover. Gerade junge Studienanfänger wüssten genau, was sie wollen. Was die Eltern dazu sagen, spiele bei ihnen eine ebenso große oder kleine Rolle wie bei 19- oder 20-Jährigen:

    "Dass die Eltern sich stärker kümmern, das zeichnet sich aber überhaupt noch nicht ab. Also, wir haben noch keine Elternabende hier."

    Einige Professoren befürchten, 17-Jährige könnten möglicherweise inhaltlich mit älteren Kommilitonen nicht mithalten. Gabriele Diewald glaubt das nicht.

    "Ich halte das für nicht nachweisbar. Dass die ein Jahr weniger Erfahrung haben, die möglicherweise auch den Stoff etwas komprimierter gelernt haben, das ist selbstverständlich so. Diesen Ausbildungsprozess des eigenständigen Lernens, des eigenständigen Wissenserwerbs, auch des eigenständigen Nachfragens und sich seine Themen suchen, das muss man verstärken und das tun wir auch."

    Und dann gibt es noch einen großen Unterschied zwischen minderjährigen Studenten und älteren Erstsemestern: 17-Jährige können nicht alleine Autofahren oder ohne weiteres ein WG-Zimmer mieten. So wie Daniel werden darum viele junge Studenten bei ihren Eltern wohnen bleiben - und mit Fahrrad und Bahn zur nächstgelegenen Uni pendeln.

    So markiert der Beginn des Studiums keinen tiefen Einschnitt, man wird nicht plötzlich erwachsen und muss alleine den Alltag organisieren.
    Das hat auch Vizepräsidentin Gabriele Diewald festgestellt - und muss sich damit abfinden, dass die Studenten von heute anders sind als ihre Kommilitonen von damals.

    "Meine persönliche Präferenz war auch, als ich angefangen hab zu studieren, um Gottes Willen nicht mehr zu Hause wohnen. Ich hatte das immer projiziert auf alle Studienanfänger und gedacht, das wäre die Haltung, die die meisten haben, so ist es aber offensichtlich nicht. Und selbstverständlich ist es bei jüngeren Studierenden so, dass die Neigung oder die Selbstverständlichkeit, mit der diese dann zu Hause bleiben, wächst."