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Studenten auf der Suche nach Arbeit

Studieren und arbeiten, für viele gehört das zum Alltag. Doch angesichts der angespannten Wirtschaftslage ist es auch für Studierende nicht immer leicht, einen geeigneten Job zu ergattern. In Berlin können sich Jobsuchende an die Arbeitsvermittlung des Studentenwerkes Berlin, die Heinzelmännchen, wenden.

Von Andrea Marggraf |
    " Es geht los mit 15 Jobs für Frauen. Der erste ist jetzt gleich zum Rückrufen. Päd. Hilfe v. 19.5 – 23.5. Es gibt 8 Euro die Stunde. Man soll dort Kinder betreuen und pädagogische Hilfe leisten.
    Weiter: Reinigungsarbeiten Olympiastadion fegen v. 23.5. – zum 24.5. von 23.00 Uhr abends bis 5 Uhr morgens für 7.50 die Stunde feste Schuhe und Handschuhe muss man selber mitbringen, eventuell kann es ein bis zwei Stunden länger dauern. "

    Morgens 8.30 Uhr bei der Arbeitsvermittlung des Studentenwerks Berlin, den Heinzelmännchen. Die Eingangshalle ist voll mit Studenten, die für ein, zwei Tage auf einen Job hoffen. Eine Institution, die noch zu Westberliner Zeiten entstanden ist und bis heute eher ein einmaliges Modell in Deutschland darstellt. Die Studierenden hinterlegen hier ihre Steuerkarte und können so 2-3 Jobs gleichzeitig nebeneinander annehmen.

    "Jobs für Männer für sofort. Männer Küche abräumen bis heute Abend. Es gibt 10 Euro die Stunde."

    Sie tragen für ein paar Stunden Kisten, stehen als Gespenst in der Geisterbahn, laufen als Eiswaffel verkleidet, oder als Katze oder Hund Werbung für entsprechende Firmen. Oft haben sie während der Arbeit keine Pausen und keine Gewähr für eine längere Beschäftigung. 30 von ca 100 Studierenden haben an diesem Morgen Glück. Sie laufen sofort zu ihren Jobs. Doch was wird aus den Vorlesungen? Nicht jeder kann täglich nach einem neuen Job anstehen. So hoffen viele auf einen längerfristigen Job. Wie die Studentin aus dem 2. Semester der Volkswirtschaftslehre an der Potsdamer Universität. Die Berliner Jobvermittlung für Studierende kann sie nicht in Anspruch nehmen, so muss sie, wie viele, auf dem freien Markt nach einem Job suchen.

    "Ich dachte, das wäre relativ einfach zu finden. Im Endeffekt habe ich dann vierzig Telefonate an einem Tag geführt. Wovon drei gesagt haben, rufen sie noch mal in den Semesterferien an, vielleicht können wir ihnen ein Praktikum verwirklichen."

    Arbeitssuche, wie sie viele in Deutschland kennen, nur mit dem Unterschied, dass sie gerade kein Studium absolvieren müssen. Die VWL Studentin lief von Geschäft zu Geschäft von Firma zu Firma. Überall hinterlegte sie Bewerbungsmappen. Die letzte Anlaufstelle an einem Tag war ein Café. Sie hatte Glück. Sie sollte zum Probearbeiten kommen.

    "Ein Café wäre übertrieben für diesen 2x1 Meter Laden. Das ist so ne Art Coffee Shop gewesen. .. Allein für die Milch habe ich eine Woche Probe gearbeitet.
    Besonders ärgerlich war ein Tag, wo der Chef mich dann selbst geprüft hat. Er hat bei mir einen Cappuccino bestellt, auf dem obligatorisch Milchschaum zu finden ist, ... Er sah sich den Kaffee an, ging einmal mit dem Teelöffel rum, schob mir die Tasse zurück. Ok. Dachte ich, will er doch kein Cappuccino. Noch mal sagte er nur. Kein anderes Wort. Nur noch mal. Ich machte den noch mal und dieses noch mal zog sich über zwei Stunden hin. Ich habe dann zwei Stunden nichts anderes getan als Milchschaum geschäumt. "

    Sie bekam den Job unter Arbeitsbedingungen, die viel Durchhaltevermögen verlangten.

    "Man ist dann auf sich allein gestellt. ... Mit Sitzen ist nicht oder Pause, weil es keine zweite Kraft gibt, die einen ablösen könnte, wenn man zum Beispiel mal ne Notdurft verrichten möchte. Das geht halt einfach nicht."

    Nach fünf Arbeitstagen war Schluss. Sie erhielt keine Arbeitstermine mehr. Für eine Woche Probe Schaum schlagen, eine magere Ausbeute.

    "Ich habe weiterhin Bewerbungen geschrieben. Die ganze Zeit. ...und hab da immer noch gehofft, dass da mal was kommt. ...Und da hatte ich eines Tages Glück. Klingelte mein Telefon. Konnte ich zunächst nicht wirklich zuordnen bei der Fülle der Bewerbungen. Aber man hat sich gefreut, wenn man die Frage gestellt bekommt, haben sie noch Interesse an dem Job. Habe ich natürlich sofort ja gesagt. ...Waren halt auch Studentenjobs. Call Center... Ich wurde zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Ich kam da hin und da saßen noch dreizehn vierzehn andere Studenten außer mir da in einem kleinen Raum.

    Das Vorstellungsgespräch war kein normales Vorstellungsgespräch..... Das ging zwei ein halb Stunden lang, ... Mussten wir erst einmal Rollenspiele vorbereiten, vortragen, Selbsteinschätzung geben, mündliche Statements zum Lebenslauf. Zwischendurch haben sich die Chefs halt besprochen. Das einzig Positive war, dass man gleich Antwort bekommen hat, wer wurde genommen, wer nicht."

    Eine Aufnahmeprozedur, die auf einen längerfristigen Job hoffen lässt. Zwei von zwanzig Studierenden wurden an dem Tag genommen. Auch die VWL Studentin gehörte zu den Glücklichen. In kürzester Zeit versuchte sie alles, um den Job behalten zu können. An den Wochenenden ging sie zu angesetzten Fortbildungen, verzichtete auf Pausen und machte wie andere Überstunden. Einige legten sogar Nachtschichten ein. Das Ganze für circa einen Monat.

    "Also ich bin dann eines morgens dahin gekommen, total merkwürdig ruhig ... bin dann auf den Arbeitsplan gucken gegangen, dann standen da halt 25 Leute weniger. Allein die Studenten, die zwei Tage vorher eingestellt wurden, hatten, lassen wir es mal 50 Euro sein, die sie mit nach Hause genommen haben.
    Man kann ja nicht s tun. Wir sind ja drauf angewiesen, das wissen die ganz genau. Sie sind in der Position, na ja, wenn du nicht möchtest, wir finden jemand anderes."

    "Ok, das wars dann für heute. "

    "Da war ich froh, dass ich nicht in der Kündigungswelle drin war. ....
    Ich bin ja auch dankbar für den Job, sonst könnte ich die Studiengebühr nicht bezahlen. "

    Zwei Tage nach unserem Gespräch wurde sie ebenfalls entlassen. Zehn Minuten dauerte die Entlassungsprozedur. Studierende müssen sofort gehen. Für den Arbeitgeber ein großer Vorteil.

    Nun heißt es, erneut Zeit für die Jobsuche zu investieren. Daneben Seminare, Vorlesungen und Prüfungen.

    Viele Studierende, die ich an dem Morgen bei der Jobvermittlung des Studentenwerkes in Berlin antreffe, befinden sich am Ende ihres Studiums. Den Umgang mit Arbeitsterminen können sie demnach freier gestalten. Viele, die mitten im Studium stehen können das nicht.
    Die letzte statistische Erhebung des Deutschen Studentenwerkes ergab, dass die durchschnittlichen Einnahmen der Studierenden mit Bafög und Elternzuschüssen bei 767 Euro liegen und die Ausgaben mit Miete, Ernährung, Versicherung und Studiumsunterlagen bei 763 Euro. Da ist Arbeitssuche ein unerlässliches Thema.

    Unabhängig von der schlechten Arbeitsmarktlage werden möglicherweise in der Zukunft noch mehr Probleme auf die Studierenden zukommen, so die Pressesprecherin der Studentischen Arbeitsvermittlung Rosita Lohmann:

    "Dass die Studienzeiten sich verkürzen werden. Ich kann noch nicht absehen, was das für Auswirkungen hat, aber wenn man sich vorstellt, dass bei einem Bachelor in drei Jahren 180 Punkte nachgewiesen werden müssen. Das heißt pro Semester 30 Punkte und ein Punkt entspricht 30 Stunden Arbeit. Das heißt bei 15 Stunden Vorlesungszeit in der Woche, bedeutet das 60 Stunden. Und das muss ja alles zügig abgeleistet werden, klar. ...Und danach Mager nur noch für ungefähr 30 Prozent der Bachelor Leute. Positiv finde ich ne bessere akademische Betreuung, die vorgesehen ist, aber die sozialen Bedingungen sind nicht berücksichtigt. Nu lassen sie Studiengebühren eventuell dazu kommen. Wir haben das schon gemerkt, als das Semesterticket eingeführt wurde. Da waren die schon nicht in der Lage, das Semesterticket zu bezahlen. Da war eine viel größere Nachfrage nach Arbeit und vielen kurzfristigen Darlehen. Und ich denke, die ganze soziale Problematik, die wird oft ausgeklammert. "