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Studenten helfen Existenzgründern

Die Münchner Ludwig-Maximilians-Universität hat eine Chance genutzt, wie das Studium praxisnäher wird. Ihre BWL-Studenten helfen nun Arbeitslosen, die ein Unternehmen gründen wollen.

Von Eike Petering | 13.11.2006
    " Wir haben den Business-Plan bekommen, im Anhang war auch ein Lebenslauf ausführlich und da hat man sich schon einige Eindrücke machen können."

    Kristina Lindner kannte ihren Existenzgründer bislang nur auf dem Papier. Die BWL-Studentin an der LMU München absolviert gerade das Pflichtseminar "Business Planning". Mit fünf ihrer Kommilitonen sitzt sie nun Eduard Demmelmaier gegenüber. Der arbeitslose Ingenieur will sich mit einer neuen Hochwasserschutz-Technik selbstständig machen. Von den Betriebswissenschaftlern im dritten Semester ist er ganz angetan.

    " Die Studenten haben sich schon sehr viele Gedanken gemacht, haben mich mit Fragen gelöchert und ich gehe mit großen Erwartungen heute nach Hause und freue mich schon auf die weitere Zusammenarbeit."
    Nachdem er seinen Job als angestellter Ingenieur verlor, entwickelte Demmelmaier eine Maschine, durch die Sandsäcke im Hochwasserschutz bald Geschichte sein könnten. Obwohl die Studenten seinen Business-Plan schon gelesen haben, erklärt er ihnen sein Vorhaben noch einmal genau.

    " Man sieht ja immer wieder Hunderte von Einsatzkräften, die Sandsäcke schleppen in langen Reihen wie vor 500 Jahren. Ich hab mir gedacht: Das müsste auch maschinell gehen, dass man nicht mehr Sandsäcke auslegt, sondern Schlauchwälle aus Jutegewebe mit Sand gefüllt. Und dieses Gerät dazu hab ich als Patent angemeldet und es wird entwickelt und hoffentlich auch einmal in Gebrauch kommen."

    Dabei setzt der Ingenieur auf die Hilfe der Münchner Studenten. Erfahren hat Demmelmaier von dem ungewöhnlichen Uni-Seminar über das Büro für Existenzgründungen in München. Dort erhalten gründungswillige Arbeitslose erste Hilfe auf dem Weg in die Selbstständigkeit. Die Kooperation mit der Uni ermöglicht ein weitergehendes Coaching der Existenzgründer, sagt BfE-Sprecherin Kirsten Wolf.

    " Wir versprechen uns einerseits für die Gründer noch einen besseren Business-Plan und Hilfe bei der Umsetzung. Und wir versprechen uns auch den Erfahrungsschatz, der dabei herauskommt, von Universitätsseite, und können das wieder in die eigene Beratung umsetzen."

    Auch die Uni profitiert: Das Alumni-Netzwerk der Betriebswirtschaftlichen Fakultät unterstützte das Seminar mit 5000 Euro. Die Studenten könnten sich durch solche Veranstaltungen mehr mit ihrer Uni identifizieren, heißt es zur Begründung. Und der Geschäftsführer des LMU-eigenen "Center for Entrepreneurship" Martin Heibel sieht darin eine gelungene Umsetzung der Bologna-Kriterien.

    " Es ist Vorgabe aus den Bologna-Kriterien, dass im Rahmen der Bachelor-Studiengänge so genannte "Schlüsselqualifikationen" angeboten werden müssen. Wie diese "Schlüsselqualifikationen" definiert sind, liegt sehr stark in dem Gutdünken der jeweiligen Fakultäten. Daraus entstand die Lösung: Wir machen Business-Planning als Schlüsselqualifikation für die Betriebswirtschaftsstudieren-den."

    Ein Großprojekt: 380 Studenten mussten auf 45 Gründerprojekte verteilt werden. Zwei Teams je Gründer konkurrieren um die besten Lösungen. Dazu gehört nicht nur der Business-Plan, sondern auch der offene Austausch über die Firmenstrategie. Für Existenzgründer Demmelmaier gab es schon beim ersten Treffen mit den Studenten wichtige Hinweise:

    " Ich hab gemerkt, dass wenn man einen Business-Plan liest, jeder andere Vorstellungen hat. Es waren also Fragen da, wo ich gesagt hab: So hätte ich das nicht gefragt oder von der Seite hätte ich das nicht so gesehen. Wenn mehrere Menschen sich Gedanken machen, kommen natürlich wesentlich detailliertere Dinge raus. Ich trau den Studenten sehr viel zu."

    Die Studenten sondieren jetzt den Markt für Demmelmaiers Erfindung. Kristina Lindner will sich in den nächsten Tagen durch die Wasserwirtschaftsämter telefonieren. Ein Semester lang wird die Geschäftsidee des Ingenieurs ihren Alltag bestimmen. So nah an der Realität war bisher noch keines ihrer Uni-Seminare.

    " Ich find's total interessant, dass ich den theoretischen Lernstoff endlich anwenden kann und man hat Verantwortung für den Gründer und was man macht. Und dass man nicht nach dem Studium einfach so auf den Arbeitsmarkt geschmissen wird und dann ganz neu anfängt, sondern dass ich jetzt diese Schlüsselqualifikationen erlernen kann, so dass ich's später schon anwenden kann."