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Studenten in den Wedding

Das Bad. Das ist eigentlich ein schönes Bad, mit Badewanne, auch sehr groß. ... Auch ein Anschluss für Waschmaschine ist da, ist eigentlich perfekt. Ist weiß, weiße Fliesen, großes Fenster. Alles da. ... Ne sehr schöne große Küche. ... über 10 Quadratmeter sind das bestimmt. Dann will ich vielleicht noch ne Einbauküche selber bauen mit Holz, ich hab da schon ein paar Ideen. Ne Spüle ist vorhanden, ein ganz neuer Gasherd mit vier Flammen. ... Hier hat man nen Blick auf den Hinterhof. Der ist auch sehr schön, kann man vielleicht im Sommer mal sitzen.

Von Regina Kusch |
    Als Student der Volkswirtschaft kann Birger Harder gut rechnen. Deshalb hat er gleich zugeschlagen, als er das Angebot der DeGeWo im Internet fand: Ein Zimmer, Küche, Bad im vierten Stock. Zwei Semester lang für die halbe Miete. Allerdings im Berliner Stadtteil Wedding, der bei Studierenden bisher nicht gerade als Kult-Kiez gehandelt wird. Der ehemals "rote Wedding" ist heute ein sozial schwacher Stadtteil. Kulturell wenig los, viele Wohnungen stehen leer. Auch die DeGeWo ist davon betroffen. Die Wohnungsgesellschaft wollte sich aber nicht damit abfinden, dass der Kiez immer mehr verödet, erzählt Frank Bielka vom Vorstand.

    Wir dachten, es gibt vielleicht eine, wie sagt man neudeutsch? Win-win-Situation: Wir bieten Studenten diese Wohnungen zu besonders günstigen Konditionen an und wir selber haben die Möglichkeit, sie zu vermieten. Und das ist ja für ein Quartier und letztendlich auch für uns nicht schlecht.

    Im Look der siebziger Jahre hat die DeGeWo Plakate und Postkarten gedruckt, die überall in Uni Nähe verteilt wurden. Sogar mit Internetanschluss und einem Möbelgutschein über 50 € versucht die Wohnungsgesellschaft Mieter mit Studentenausweis anzulocken.

    Für uns ist ein junges Publikum attraktiv. Wir können uns vorstellen, dass jemand, der hoffentlich gute Erfahrungen mit uns als Vermieter gemacht hat, später, wenn er dann etwas sesshafter wird, einen Beruf hat, möglicherweise eine Familie gründet, dass er dann sagt, gut, das war ein Vermieter, der ist fair mit mir umgegangen, hier will ich vielleicht auf Dauer bleiben. Da ist unsere Strategie schon längerfristig angelegt.

    Immer wieder haben Stadtplaner versucht, den Wedding attraktiver zu machen. Doch dem wird nachgesagt, sanierungsresistent zu sein. Frank Bielka hofft, dass studentisches dem Kiez gut tun wird. Gerade die Soldiner Straße hat einen sehr schlechten Ruf: viel Kleinkriminalität wie Einbrüche und Schlägereien, hinter manchen Türen soll Wohnzimmerprostitution stattfinden. Birger Harder sieht das gelassen.

    So nen Gerüchten kann ich überhaupt nicht zustimmen. ...Ist schon gemischt. Deutsche und Ausländer leben schon nebeneinander. Es fällt natürlich auf im Gegensatz zu Pankow, wo ich jetzt wohne, da ist der Ausländeranteil sehr viel geringer, das ist schon klar. Aber wenn man so durch die Straßen zieht, ist eigentlich wie ne normale deutsche Stadt. Berlin ist ja multi kulti, ist fast wie in anderen Kiezen.

    Gänzlich kulturloses Terrain sei auch der Wedding nicht, betont Nicola Bölters vom Quartiersmanagement im Soldiner Kiez. Da gibt es z.B. die Kolonie Wedding, eine Gruppe von Künstlern, die mehrere Galerien betreiben. Oder das Prime Time Theater, das den Alltag auf die Bühne bringt und mit seiner Seifenoper "Gutes Wedding, schlechtes Wedding" schon ein Stammpublikum erobert hat. Für Nicola Bölters können gar nicht genug Studenten in den Wedding ziehen.

    Ein junges Publikum bringt ja auch immer neue Ideen mit und viel Kreativität und die bevölkern dann auch die Gegend hier, so dann hier mehr passieren wird. So dass hier neue Geschäfte ansiedeln, Lokale oder Initiativen, die irgendwas auf die Beine stellen. Und dafür gibt es hier eben noch den Raum, vor allem, weil die Räume hier auch noch etwas günstiger sind, als in Mitte drüben. Und dabei ganz nah. Das ist ja nur einmal über die Brücke rüber. Wir sind das Hinterzimmer von Mitte.

    Birger Harder ist jedenfalls bereit, sich den Erwartungen an die neuen Mieter zu stellen und mitzuhelfen, die Stimmung im Kiez ein wenig zu verbessern.
    O Gott, das ist ja ne große Aufgabe! Ich tu mein Bestes. Eigentlich ist man, wenn man ganz normal ist, freundlich vielleicht zu dem meisten Menschen, und vielleicht auch mal hilft oder so, das will ich denn machen, wenn ich gebraucht werde.