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Studentenflucht nach Österreich blieb aus

"Für deutsche Bewerber darf in Österreich nicht der deutsche Numerus Clausus gelten." So hieß es im Urteil des Europäischen Gerichtshofs im vergangenen Jahr. So befürchteten Österreichs Universitäten, dass Fächer wie Psychologie und Medizin von bis zu 80.000 deutschen "Numerus-Clausus-Flüchtlingen" überrannt werden würden. Doch es kam anders.

Von Susanne Lettenbauer |
    " Ich habe darüber ehrlich gesagt gar nicht nachgedacht, ich wusste das auch nicht, dass man da machen kann in Österreich, dann hätte ich eben etwas anderes studiert. Also für mich wäre es schon eine Möglichkeit gewesen. Ich kenne auch viele, die das gemacht haben. Die hatten nicht den NC und haben sich von vornherein in Österreich beworben. Naja es kommt darauf an. Im Moment kann ich es mir nicht vorstellen. Es gibt ja viele andere Gründe, wo man ein Studium anfängt, es muss nicht nur das Lieblingsfach sein, sondern auch der Freundeskreis, so Sachen."

    Gerade erst sind die Erstsemester aus ihrem Einführungskurs Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München gekommen. Das Thema Studium in Österreich ist bei den meisten erstaunlicherweise recht gut bekannt. Auch wenn nur eine Studentin ernsthaft in Erwägung gezogen hat, sich jenseits der bayerischen Grenzen zu immatrikulieren:

    " Naja weil Psychologie einfach das Studium ist, das ich angestrebt habe und wenn es halt hier nicht funktioniert hätte, hätte ich mir eben einen anderen Weg gesucht."

    Ein anderer Weg - das bedeutet für die meisten Erstsemester Psychologie jedoch, sich lieber auf die Warteliste setzen zu lassen, lieber ein Jahr zu arbeiten als ins - wenn auch deutschsprachige - Ausland auszuweichen. Die Universitäten Innsbruck, Salzburg und Graz scheinen, abgesehen von den Medizinischen Unis, also weniger attraktiv zu sein, als es die Universitäten vor einem Jahr noch glauben machen wollten. Ganze Arbeitsgruppen tüftelten an Zulassungsbeschränkungen für deutsche Studienanfänger, berieten über prozentuale Limits. So sollte in Innsbruck bei den als besonders nachgefragt geltenden Fächer Psychologie, Pädagogik und Biologie der Anteil der Deutschen auf maximal ein Fünftel der Studierenden beschränkt werden. Doch was tun, wenn keiner kommt?

    " Naja es kam keiner? Es kamen über 300 Studierende, von dem her kamen mehr als in den letzten Jahren. Dass keiner kam, stimmt ja so auch nicht. Es kamen 330 Personen, die sich hier angemeldet haben."

    Die Statistik für das Wintersemester 2005 zählt 124 Erstzugelassene aus Deutschland. Keine Zahl, die einen erfolgten Ansturm vermuten ließe. Bei Stefan Hlavac, Leiter der Studienberatung an der Uni Innsbruck war das Erstaunen groß.

    Für das anstehende Wintersemester 2006/2007 musste er den Aufnahmetest im Fach Psychologie aussetzen, weil die festgelegte Mindestanzahl für den Aufnahmetest nicht erreicht wurde. Nach der Anmeldefrist bis Ende August war mit 326 Anmeldungen die Grenze von 400 Studierenden deutlich unterschritten worden.

    Der Präsident der Österreichischen Rektorenkonferenz Christoph Badelt sieht die Ursache bei den Fakultäten...

    "...weil sie Auswahlverfahren innerhalb des ersten Semesters oder auch innerhalb des ersten Jahres durchführen und da zeigt sich interessanterweise, dass schon die bloße Ankündigung von solchen Auswahlverfahren manche Leute abschreckt, sich einem solchen Verfahren zu stellen. Das betrifft aber nicht nur Deutsche sonder auch Österreicher."

    Waren also die Befürchtungen von österreichischer Seite, deutsche Erstsemester würden nach dem als verheerend eingestuften Urteil des Europäischen Gerichtshofes die Universitäten fluten, politische Propaganda ? Eine gewaltige verbale Luftblase, die die bekannte Xenophobie der Alpenländler bedienen wollte?

    " Aus der Sicht der Universität, ja, aus der isolierten Sicht der Universität sind wir eher für mehr als für weniger Ausländer, wobei ich dazu sagen muss, da geht es uns weniger um die Deutschen als um alle anderen. Aus gesellschaftspolitischer Sicht muss ich schon darauf hinweisen, dass es nicht sein kann, dass ein Land beim Medizinstudium zum Beispiel die Plätze zusperrt, die Leute ins Nachbarland schockt und sie dort ausbilden lässt. Also das halte ich tatsächlich für ein europäisches Problem, das halt jetzt aufgekommen ist zwischen Deutschland und Österreich, das aber zwischen Frankreich und Belgien ganz ähnlich besteht."

    Wenn die neue sozialdemokratische Regierung Österreichs ihr Wahlversprechen umsetzt und tatsächlich die mit 363,36 Euro vergleichsweise moderaten Studiengebühren wieder aufhebt, könnte Österreich als Studienland vielleicht doch wieder attraktiver werden. Will Doch man den Münchner Erstsemestern jedoch Glauben schenken, dann braucht Österreich auch dann keinen einen Ansturm zu befürchten:

    " Also ich habe über das Studium in Österreich gehört, dass das eigentlich ganz schlecht ist. Lauter so Online-Kurse und eigentlich werden dann eh von den Tausenden von Leuten, die da anfangen, weil es keinen NC gibt, die Hälfte wieder rausgeschmissen, oder bis 90 Prozent. Ich hätte das nicht gemacht. Dann wäre ich eher was ganz anderes geworden. Also für mich wäre das keine Alternative. Ich hab mich auch nur in München beworben und nur für Psychologie. Alles oder gar nichts. Das hat jetzt funktioniert. Ich wäre nicht ins Ausland gegangen, sondern hätte mir ein anderes Fach gesucht, hätte ein Jahr gewartet oder gearbeitet, aber ich wäre nicht nach Österreich gegangen. Ich habe eigentlich auch nur Schlechtes gehört über das Bildungssystem in Österreich und für mich wäre das auch keine Alternative gewesen. "