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Studentenwerk: Freibeträge müssten erhöht werden

Niemals zuvor gab es so viele BAföG-Empfänger. Leider, so Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des deutschen Studentenwerkes, gibt es eine hohe Fehlerquote bei den Anträgen, was das Verfahren auch wieder verzögert. Außerdem mangele es am Personal.

Achim Meyer auf der Heyde im Gespräch mit Ulrike Burgwinkel |
    Ulrike Burgwinkel: Gesprochen wird wahlweise von Massen, von Schwemme, vom Berg, denn so viele Studis wie heute gab es tatsächlich noch nie. Das ist politisch gewollt, aber nicht so ganz zu Ende gedacht. Wir haben in "Campus und Karriere" über die diversen Folgeprobleme berichtet – Stichworte Überfüllung auf der einen Seite, Mangel auf der anderen Seite –, dem gegenüber wurde heute eine Erfolgszahl verkündet: 644.000 BAföG-Empfänger gab es in 2011, so viele wie nie zuvor. Das wurde verkündet vom Generalsekretär des deutschen Studentenwerkes, Achim Meyer auf der Heyde. Guten Tag, Herr Meyer auf der Heyde!

    Achim Meyer auf der Heyde: Guten Tag, Frau Burgwinkel!

    Burgwinkel: Waren das nur absolut gesehen so viele wie nie, weil es halt so viele Studenten gibt, oder war es auch relativ betrachtet mehr als normal?

    Meyer auf der Heyde: Absolut gesehen ist es gestiegen, das ist völlig richtig, weil es natürlich auch eine sehr hohe Zahl oder die höchste Zahl an Studierenden gibt, was uns natürlich freut, relativ gesehen ist die Geförderten-Quote konstant geblieben, sie liegt weiterhin bei 22,3 Prozent. Das heißt also, der Anteil der geförderten Studierenden an den Studierenden liegt bei 22,3 Prozent.

    Burgwinkel: Und woran liegt das?

    Meyer auf der Heyde: Nun gut, einmal ist die Anzahl deshalb gestiegen, weil im Jahr 2011 natürlich die Erhöhungen, die zum Herbst 2010 in Kraft getreten sind, die müssen greifen, das ist klar, sowohl die Einkommensfreibeträge als auch die Bedarfssätze wurden damals erhöht, und damit wurde der Kreis der potentiell Förderberechtigten leicht erhöht, deshalb ist es erstaunlich, dass die Förderquote eigentlich gleich geblieben ist, und das deutet auch darauf hin, was wir fordern, dass jetzt eigentlich wieder eine Anpassung der Bedarfssätze der Freibeträge zum Herbst erforderlich wäre, spätestens 2013.

    Burgwinkel: An welche Erhöhung dachten Sie da?

    Meyer auf der Heyde: Na, der Bericht der Bundesregierung nach Paragraf 35a BAföG hat ja die Zahlen klar genannt Anfang des Jahres, nämlich fünf Prozent bei den Bedarfssätzen und sechs Prozent bei den Elternfreibeträgen. Um den Status quo zu halten, das muss man deutlich sagen, will man mehr Studienberechtigte für ein Studium interessieren und sie auch für ein Studium gewinnen, und insbesondere aus der unteren Mittelschicht, dann müssten eigentlich die Freibeträge wesentlich stärker erhöht werden.

    Burgwinkel: Wenn dann aber jetzt noch mehr Anträge sozusagen auf sie zurollen, dann wird es problematisch, es gab ja jetzt schon Klagen wegen arg schleppender Bearbeitung der Anträge.

    Meyer auf der Heyde: Das ist völlig richtig. Wenn die Personalausstattung mit den steigenden Studierendenzahlen nicht einhergeht, dann führt das natürlich zu Antragsstaus. Das ist ein Faktor, ein Zweiter ist, dass bisher das BAföG-Online-Verfahren nur unzureichend umgesetzt ist, was auch wesentlich erleichtern könnte. Für die Ausstattung der BAföG-Ämter der Studentenwerke sind die Länder verantwortlich, und wir haben ja letztes Jahr schon drauf hingewiesen, das haben auch die Studierendenschaften sehr deutlich gemacht, dass es nicht an den BAföG-Ämtern liegt, sondern an der unzureichenden finanziellen Ausstattung und auch personellen Ausstattung der BAföG-Ämter, wozu die Länder eigentlich verpflichtet sind. Manche haben inzwischen reagiert und haben in Aussicht gestellt, aber das ist zu wenig, eigentlich brauchen wir mehr Personal, und das müssen die Länder auch finanzieren. Das Zweite, es gibt eine hohe Fehlerquote bei den Anträgen, was das Verfahren auch wieder verzögert und natürlich mehrfache Gespräche erfordert, und da ist es ärgerlich eigentlich, dass seit zig Jahren an einem System herumgedoktert wird. Es haben jetzt einige Länder damit begonnen, das einzuführen, und wir haben dann allerdings auch gewarnt: Macht das bitte nicht im Wintersemester. Zu Beginn des Wintersemesters, da waren die Länder einsichtig, haben gesagt, okay, das soll jetzt 2013 kommen, sodass dann ein Lichtblick am Horizont ist. Möglicherweise geht es dann etwas besser mit dem Antragsverfahren.

    Burgwinkel: Also vollständig online und vielleicht auch ein bisschen vereinfacht?

    Meyer auf der Heyde: Vollständig online ist im Moment noch ein Problem, weil Sie brauchen die digitale Signatur, das kann erst geregelt werden, wenn es entsprechende bundesgesetzliche Bestimmungen gibt. Bisher ist es so, dass die Studierenden den Antrag dialogisch online bearbeiten können, dann müssten sie ihn ausdrucken und unterschreiben, das führt natürlich dazu, dass die Akzeptanz gering ist, weil viele dann gleich sagen, warum soll ich mir die Doppelarbeit machen, ich fülle den Papierantrag aus mit der entsprechend hohen Fehlerquote. Wir haben nachgewiesen, dann, wenn Anträge online bearbeitet werden, Sie eine Fehlerquote bei null haben, weil das dialogisch ist und dann unterschrieben werden im Gegensatz zu den vergleichbaren mit der Hand ausgefüllten.

    Burgwinkel: Jetzt würde ich noch gern, Herr Meyer auf der Heyde, mal kurz weggehen vom BAföG: Immer mehr Studierende heißt ja dann eigentlich auch automatisch, man bräuchte mehr Wohnheimplätze, man bräuchte eigentlich auch mehr Essen in den Mensen, schon jetzt ist es eng. Es gibt Wartelisten und Schlangen an den Mensaschaltern. Welche Perspektive sehen Sie da? Da braucht es ja auch wieder mal mehr Geld.

    Meyer auf der Heyde: Völlig richtig. Also es bedarf einerseits mehr Geld, insbesondere, was den Wohnheimbereich betrifft, was den Gastronomiebereich betrifft, gibt es noch andere Faktoren, auf die ich im zweiten Punkt eingehen will. Den Wohnheimbereich fordern wir seit Langem, einen Ausbau an 25.000 preisgünstigen Wohnplätzen. Im Moment sind wohl im Bau und in Planung bundesweit 9.000, insbesondere wird in Bayern und in Baden-Württemberg gebaut, die zwei Drittel dieser 9.000 eben vorantreiben. Das heißt, an den anderen Standorten, wo auch die doppelten Abiturjahrgänge auf uns zukommen, wird es eng. Bei der Hochschulgastronomie ist es natürlich genauso, da kommt aber hinzu, dass die Taktung der Studiengänge jetzt dazu führt, dass die freien Zeiten fürs Essen im Grunde sich nur noch konzentrieren auf das Mittagessen. Das ist natürlich fatal – wir haben inzwischen angefangen, wir bieten ab 11:00 Uhr Mittagessen bis 15:00 Uhr oder teilweise in den Abend hinein auch warmes Abendessen, und wenn die Studierenden und die Hochschulbeschäftigten alle zur selben Zeit kommen, gibt es natürlich Staus, und da glaube ich, sind auch eher die Hochschulen und die Fachbereiche gefordert, zu entzerren, dass die Studierenden einen längeren Zeitraum haben, auch essen gehen zu können.

    Burgwinkel: Vielen Dank für das Gespräch!

    Meyer auf der Heyde: Gerne!

    Burgwinkel: Das war Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerkes zu den jüngsten Zahlen und auch mit einem Vorausblick.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.