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Studentin Magdalena Rybicka
"Ich würde gerne viele Opern inszenieren"

Magdalena Rybicka war 18 Jahre alt, als sie in Polen mit dem Singen angefangen hat. Der Wechsel nach Deutschland an eine Musikhochschule war für sie ein regelrechter Kulturschock: Anforderungen, Sprache und Mentalität waren Hindernisse. Inzwischen studiert sie in Karlsruhe Musiktheaterregie und träumt davon, Opern selbst zu inszenieren.

Von Peter Krause | 20.02.2017
    Rote Theaterstühle
    Magdalena Rybicka ist mittlerweile 39 Jahre und träumt davon, die ganze Maschinerie der Oper als Ausdrucksmittel auszunutzen. (picture-alliance / dpa-ZB / Patrick Pleul)
    "Ich habe den Milos Forman-Film 'Amadeus' gesehen und so habe ich Mozart entdeckt. Und das war eine ganz große Liebe. Und ich dachte schon in meinen großen dramatischen Gefühlen, dass es für alles zu spät ist, ich kann kein Musiker mehr werden, weil tatsächlich für Geige oder Klavier war das einfach zehn Jahre zu spät, um anzufangen. Aber für das Singen war es nicht zu spät und so habe ich mit 18 angefangen."
    Das war vor 21 Jahren in Danzig. Magdalena Rybicka kaufte sich daraufhin alles, was sie über Mozart finden konnte, vor allem unlizensierte Kassetten-Aufnahmen der Deutschen Grammophon, die überall zu einem günstigen Preis angeboten wurden. Die Polin nahm privaten Gesangsunterricht und nur wenige Jahre später studierte sie Operngesang an der Danziger Musikhochschule. Dort begegnete sie im Meisterkurs einem Professor, der sie für das Deutsche Kunst-Liedrepertoire gut begeisterte und ihr empfahl, in Deutschland weiter zu studieren.
    Strenge deutsche Hochschulen
    Als sich Rybicka vor 14 Jahren an verschiedenen Deutschen Musikhochschulen bewarb, war es zufälligerweise der Prüfungstermin in Karlsruhe, der ihr zeitlich gelegen kam. Allerdings rechnete sie nicht damit, dass alles viel strenger und ernster gehandhabt wurde, als in Polen. Mit den Ratschlägen, die sie aus ihrer Heimatstadt mitbekommen hatte, wäre sie beinahe gescheitert.
    "Im schlimmsten Fall schön lächeln und ein tolles Glitzerkleid anziehen. Es wird schon keiner merken, wenn ein paar Noten nicht stimmen. Und das war wie ein Sakrileg - hier diese Einstellung, dass es doch der Bach ist, man muss dieser Musik gerecht werden, was machst du da?"
    Es war ein regelrechter Kulturschock. Nicht nur bezüglich der Anforderungen, sondern auch die deutsche Sprache und Mentalität stellten ein Hindernis dar. Magdalena Rybicka dachte ursprünglich, sie könne sich mit ihrem Englisch problemlos durchschlagen, aber das funktionierte nicht. Sie fühlte sich manchmal wie ein Papagei, der etwas perfekt imitieren kann, aber wehe, man vertauscht aus Versehen ein Wort. Zudem zweifelte sie daran, ob sie wirklich alles auf eine Karte setzen sollte, um eine Karriere als Sängerin anzustreben.
    "Das Singen ist wunderbar. Aber dass mich die Zusammenhänge, eben dieses Drumherum und was man dadurch erzählen kann und nicht nur wie, über die Stimme, über die perfekte Technik, über die Musik, Interpretation der Musik, sondern über das Ganze, was man da alles erzählen kann und was man alles vernetzen kann, dass ich das eigentlich faszinierend finde und dass es mich auch ein bisschen unzufrieden lässt, dass zum Beispiel meine ganzen sonstigen Interessen – Kino, Theater, Bücher vor allem, dass das für meinen Beruf, das Singen einfach gar keine Rolle spielt."
    Vom Gesang zur Regie
    Der einzige Fachbereich, der ihren verschiedenen Interessen entsprach, wo sie sich gleichzeitig mit Bühne, Drehbüchern, Inszenierung und Musik befassen konnte, war der Studiengang Musiktheaterregie. Also schrieb Rybicka sich dort ein, um alles über Opern zu lernen.
    "Wir arbeiten an Regiekonzepten, also nehmen uns eine Oper, Partitur oder Klavierauszug, einfach in die Hand und müssen was erfinden. Wir analysieren auch Stücke, die wir in der Oper sehen oder die Aufnahmen von unterschiedlichen Inszenierungen."
    Und dann setzen sie ihre Beobachtungen und Analysen in Klang um, arbeiten häufig szenisch mit den Studenten der Opernschule. Im letzten Jahr hat sich Magdalena Rybicka vor allem mit "Carmen" von Bizet und Händels "Alcina" beschäftigt.
    "Wie kommentiert der Komponist den Text und welche Tiefe es zum Beispiel in einem einfachen Satz gibt und wie ist das heute zu verstehen und wie könnte man das heute den Leuten näher bringen? Es wird auf jeden Fall die Frage gestellt, warum man das nicht macht? Also es ist nicht gesagt, dass das heutzutage ein Muss ist, aber die Opern sind geschrieben, konzipiert damals, für damalige Leute, häufig mit ganz aktuellen Themen und die Musik für die Leute, die eben die dieser Art aufgeschlossen sind gegenüber, die Musik die bewegt schon, die soll uns berühren wir sollen Gänsehaut kriegen."
    Jedes Werk wird auseinander genommen, hinterfragt und interpretiert. Mit deutscher Gründlichkeit, wie Magdalena Rybicka festgestellt hat. Das fiel ihr anfangs zwar schwer, aber mittlerweile weiß sie, wie notwendig das ist, möchte man zu exakten Ergebnissen und Erkenntnissen kommen.
    "Was bedeutet das für mich. Und wie begründe ich das, dass das überzeugend ist und nicht nur meine rein persönliche Spinnerei und irgendwelche Projektionen aus meiner Kindheit die sonst keinen interessieren."
    "Ich würde sehr gerne erst mal an einer Oper inszenieren dürfen"
    Dabei wird auch untersucht, warum eine Oper Erfolg hat oder nicht, weshalb eine Inszenierung vom Publikum abgelehnt, aber von Kritikern hoch gelobt wird. Und wie transportiert man den Inhalt von Opern, die vor 200 Jahren geschrieben wurden in die Gegenwart?
    "Also wir können es nicht 100-prozentig wissen, aber wir können uns bemühen, das zu verstehen, was 'Figaros Hochzeit' von Mozart zu dieser Zeit den Leuten gesagt hat. Das sind häufig wie Chiffre, die man so ein bisschen knacken muss, was hat es damals gesprochen, gesagt und was bedeutet es heute?"
    Magdalena Rybicka, die mittlerweile 39 Jahre alt ist und eine kleine Familie in Karlsruhe hat, sehnt sich gelegentlich sehr nach ihrer Heimat, auch wenn sie nicht plant, nach Polen zurück zu gehen. Sie will ihren Master machen und hat - wie sie lachend zugibt - genauso viele Pläne, wie das ABC Buchstaben. Aber ein Wunsch, den sie nach dem Ende des Studiums verwirklichen möchte, steht ganz oben auf der Liste.
    "Also ich würde sehr gerne einfach erst mal an einer Oper inszenieren dürfen und als Regisseurin arbeiten und gerne an vielen Theatern und ich würde gerne so viele Opern inszenieren. Das sind so tolle Stoffe und das ist so ein unglaublicher Spaß, diese ganze enorme Maschinerie als Ausdrucksmittel zu haben mit den tollen Sängern und Licht und mit der ganzen Bühnentechnik, das ist einfach fantastisch, natürlich wünsche ich es mir."