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Studentisches Wohnen
Experiment Wohnblase mitten in Bochum

Laut einer Befragung können Studierende in Bochum auf eine Küche verzichten und halten das Bett für den wichtigsten Ort ihres Zimmers. Davon ausgehend wollen 20 junge Visionäre studentisches Wohnen neu denken: mit Bloon, einem lichtdurchlässigen Testballon. Eine Woche lang abwechselnd in der Wohnblase schlafen, das steht jetzt an.

Von Dirk Groß-Langenhoff | 26.07.2016
    Eine Luftaufnahme über den Campus der Ruhr-Universität Bochum (Nordrhein-Westfalen)
    Campus der Ruhr-Universität Bochum - Studierende in Bochum brauchen keine Küche, dafür aber unbedingt ein Bett. (imago/blickwinkel)
    Je näher man der Wohnblase kommt, desto lauter wird es. Ein Gebläse sorgt rund um die Uhr dafür, dass die Blase nicht in sich zusammenfällt. Sie besteht aus einer dünnen, transparenten Kunststoffhaut. Diese ist mit Seilen an den beiden Außenwänden der Nachbarhäuser in der nur drei Meter großen Baulücke gespannt. Der Boden in der Wohnblase fühle sich an wie bei einer Hüpfburg für Kinder, erklärt der Wiener Architekt Thomas Herzog, der die Studierenden bei ihrem Projekt beraten hat.
    "Dann haben wir drinnen eine Bodenplatte. Das ist im Grunde wie eine riesige ovale Luftmatratze. Die hat einen höheren Luftdruck, damit man darauf gehen kann. Ein Teil entweicht davon aus der Luftmatratze und dann kommt das große Volumen dieser eiförmigen Blase, wo es dann einen geringeren Druck hat. Und da gibt es dann kleine, kontrollierte Öffnungen, damit die Luft halt abgelassen wird."
    Architektur-Student David Keuer hatte die Idee der Wohnblase
    Prall aufgeblasen hängt die weiß-transparente Blase zwischen den Häusern. Immer wieder bleiben Passanten stehen, um das ungewöhnliche Gebäude zu bestaunen. Man betritt die Wohnblase durch eine ausrangierte, magenta-farbene Telefonzelle. Architektur-Student David Keuer, der die Idee zum Wohnblasen-Projekt hatte, erklärt die Multifunktionalität der alten Telefonzelle.
    "Genau. Das ist die Dusche, Toilette und in erster Linie auch die Schleuse, weil man braucht halt irgendwie auch einen Weg rein in die Blase. Diese Telefonzelle, die ist dann noch nachher dazu gekommen im Zuge der Recherchen, wo es darum ging, was ist ein praktischer Raum, den wir dafür umnutzen können."
    "Das Bett ist der Boden"
    Das ungewöhnliche Projekt nahm bei einem Architektur-Wettbewerb für Studierende seinen Anfang. David Keuer kam vor gut anderthalb Jahren die Idee dazu, als er durch Bochum lief.
    "Und irgendwie bin ich dann damals bei der Recherche auf diese Baulücken gestoßen, die es halt in Bochum und in jeder anderen Großstadt en masse gibt. Und dann gab es halt diese andere Schiene, letztendlich das Studentenwohnen. Und das ist dann auch im Grunde dieser Punkt, dass wir gar keine richtigen Möbel darin haben, sondern der Boden quasi das Bett ist und das Bett ist der Boden, also auch andersrum. Und genau, das ist halt diese sehr starke Reduktion, um auch mal zu hinterfragen, was wir überhaupt brauchen."
    Nach der Wohnblase mit dem Namen "Bloon" zu urteilen, benötigen Studierende nicht viel. Möbel gibt es kaum. Nur ein WLAN-Anschluss und der Luftmatratzen-Boden sind vorhanden. Eine Küche ist ebenso wenig vorhanden wie Privatsphäre. Die Blase ist je nach Lichteinfall transparent bis sehr transparent. Erster Bewohner der Blase, Alexander Rakov, bleibt deswegen in dieser Nacht auch lieber bekleidet.
    "Wie oft hat man seinen Schlafplatz, der dann doch so transparent ist. Ich habe noch nie in so einer Situation genächtigt. Bis jetzt fühle ich mich großartig. Es ist wirklich interessant, weil man seine Umgebung auch ganz anders wahrnimmt."
    Das ist eindeutig ein Kunstprojekt
    Abwechselnd werden jetzt die Architektur-Studenten der Hochschule Bochum in der Blase für eine Woche wohnen. Sturm oder Unwetter sollte es da möglichst nicht geben. Denn die Konstruktion sei nur für Windgeschwindigkeiten bis 50 Kilometer pro Stunde geeignet, sagt der Wiener Architekt Thomas Herzog.
    "Auf eine gewisse Windgeschwindigkeit ist das berechnet im Normalfall. Und wenn jetzt ein ganz arger Sturm kommen sollte, dann - es ist ja immer jemand da - dann gibt es ein Notfallteam, dann klappen wir die Leiter auf und kappen die Seile."
    Auch wenn das Material günstig ist und kleine Baulücken in jeder Großstadt vorhanden sind, muss Thomas Herzog letztendlich zugeben, dass die Wohnblase wohl kaum die Wohnungsnot von Studierenden in Großstädten lösen wird.
    "Na, das ist eindeutig ein Kunstprojekt. Ein Einzelfall, ja. Weil es ist: Diese einzelne Membran hat ja auch keine Wärmedämmung. Also, das wäre im Winter eigentlich kaum zu heizen."
    Die Wohnblase ist also kein Prototyp für die Studentenbude des 21. Jahrhunderts. Aber darum gehe es auch gar nicht, sagt Architekt Herzog. Die Wohnblase soll vielmehr andere Architekten dazu inspirieren eigene Ideen zu entwickeln, um die Wohnungsnot der Studierenden zu lindern.