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Studie
Chinas Appetit gefährdet Seegurken

In China ist sie ein Luxus-Lebensmittel: die Seegurke oder Seewalze. Der Heißhunger der Chinesen hat allerdings inzwischen so zugenommen, dass sie in großen Mengen aus dem Meer gefischt wird und einige Arten als gefährdet gelten. Das schildert der schwedische Ökologe Hampus Eriksson in einer aktuellen Studie.

Von Volker Mrasek | 16.03.2015
    Eine Seegurke spielt die Hauptrolle in einer der Erzählungen von Wells Tower
    Eine Seegurke auf dem Meeresboden in 12 Metern Tiefe. (dpa / picture alliance / Scanfoto code 728)
    Wie lässt sich eine Seegurke am besten beschreiben? Sagt der Name schon alles? Nein, nicht wirklich. Dafür ist die Formenvielfalt unter den Tieren zu groß, die auf dem Meeresboden leben, zur Gruppe der Stachelhäuter gehören und mit Seeigeln und Seesternen verwandt sind. Der schwedische Ökologe Hampus Eriksson:
    "Es gibt mehr als 1.000 verschiedene Arten von Seegurken. Manche sind glatt, andere haben stachelige Hüllen und sind rot oder schwarz gefärbt. Auch die Körpergröße variiert - von wenigen Zentimetern bis zu einem halben Meter."
    In China gelten Seewalzen, wie man sie auch nennt, als Delikatesse. Und das ist ein immer größeres ökologisches Problem. Der Heißhunger der Chinesen hat dazu geführt, dass sich die Seegurken-Fischerei massiv ausgeweitet hat, insbesondere im indopazifischen Raum.
    Eriksson schildert das jetzt in einer neuen Studie. Sieben der rund 70 kommerziell genutzten Arten seien inzwischen bedroht, sagt der Ökologe, der für die internationale Forschungsorganisation Worldfish arbeitet:
    "Die Nachfrage aus China heizt die Jagd auf Seegurken rund um den Globus an, kann man fast schon sagen. In den 80er-Jahren ging es los, als China sich dem Weltmarkt öffnete. Die Fischerei und der globale Handel mit Seegurken nahmen daraufhin rasch zu - besonders rapide vor zehn bis 15 Jahren."
    Viele Seegurken-Bestände sind inzwischen stark geplündert. In rund 20 Ländern sei die Fischerei deshalb eingestellt worden, wie Eriksson sagt. So etwa in den Pazifik-Inselstaaten Papua-Neuguinea, Neu-Kaledonien und Vanuatu. Dort werden die Seewalzen oft noch ganz traditionell von Hand geerntet: Fischer sammeln die Tiere vom Boden auf - wegschwimmen können sie nicht.
    Wichtige Recycling-Fabriken im Meer
    Das marine Ökosystem leidet unter dem Schwund der Seegurken. Denn die Tiere sind wichtige Recycling-Fabriken im Meer.
    "Sie ernähren sich von organischem Material im oder auf dem Meeresboden. Sie zerlegen es in seine einzelnen Bestandteile, scheiden diese zum Teil wieder aus und düngen so das Meer mit Nährstoffen. In tropischen Korallenriffen machen Seegurken auf diese Weise Kalzium wieder verfügbar - für andere Meerestiere, die es zum Aufbau ihrer Schalen oder Skelette brauchen. Wir kennen also die Rolle, die Seegurken im Ökosystem spielen. Aber wir wissen noch nicht, was genau passiert, wenn sie durch Überfischung verschwinden."
    Sogar Europa hilft dabei, den großen Appetit der Chinesen zu stillen. Seewalzen für den Export nach Fernost werden auch im Mittelmeer und Atlantik gefangen, wie Matt Slater erzählt, Meeresbiologe am Alfred Wegener-Institut für Polar- Meeresforschung in Bremerhaven und gebürtiger Neuseeländer:
    "Es gibt wachsende Seegurken-Fänge in Portugal. Und eine ziemlich umweltschädliche Fischerei, wie es scheint, auf den Kanarischen Inseln. Spanien, Griechenland, die Türkei - das sind weitere Fangnationen. Wobei eine Seegurken-Art in Spanien auch auf den heimischen Märkten landet. Das Interesse, die Tiere zu verarbeiten und nach China zu exportieren, wächst in ganz Europa."
    Ernste Lage für die Seegurken
    Ein Viertel seines Bedarfs deckt China inzwischen durch große Aquakulturen im eigenen Land. Die restlichen Seegurken stammen nach wie vor aus natürlichen Küsten-Ökosystemen.
    Die Forscher mahnen einen besseren Schutz der Tiere an. Nachhaltige Fischerei-Konzepte gebe erst in wenigen Ländern, etwa in Japan und Australien, wie Slater bedauert. Selbst in Europa sei die Lage für die Seewalzen ernst:
    "Die europäischen Arten werden schon bald ebenfalls gefährdet sein. Das lässt sich nur vermeiden, wenn die Seegurken-Fischerei in der EU so schnell wie möglich eingeschränkt wird und man zu einer Aufzucht in Aquakulturen übergeht. Seegurken leben ja von organischen Abfällen, die auf dem Boden landen. Deshalb könnte man sie perfekt in schon bestehenden Lachs- oder Muschelfarmen halten."
    Eine entsprechende politische Initiative in der EU fehlt aber bisher.