Freitag, 29. März 2024

Archiv

Studie
Die Seele der katholischen Seelsorger

Wie ausgebrannt sind Seelsorger im deutschsprachigen Raum? Dieser Frage ist eine Studie nachgegangen, die ein Gemeinschaftsprojekt mehrerer Universitäten ist. Jetzt wurden erste Zwischenergebnisse präsentiert, und diese sind mehr als überraschend. Die katholischen Seelsorger sind ausgesprochen zufrieden mit ihrer Arbeit und mit ihrem Leben.

Von Thomas Klatt | 21.04.2015
    Eine Gläubige hält eine brennende Kerze.
    Während ihnen in den Medien und der Öffentlichkeit zum Teil harsche Kritik entgegenschlägt, fühlen sie sich in ihren Gemeinden wohl. Aber es lässt sie nicht kalt, dass das Berufsbild des Priesters unter den Skandalen leidet. (dpa / Armin Weigel)
    "Es handelte sich um zweistündige, tiefenpsychologische Interviews. Das waren sehr intensive Kontakte, wo ich nach dem Ergehen fragte, nach Biografie, lebensgeschichtliche Daten, Beziehungserfahrung, Zölibat war ein Thema, Spiritualität war ein Thema."
    Miriam Altenhofen ist Psychologin und Psychotherapeutin. Und sie ist eine Ordensfrau, gehört zu den Steyler Missionsschwestern. Sie hat mehr als 70 Priester besucht und interviewt. In der Regel seien ihr die katholischen Seelsorger mit großer Offenheit begegnet. Und das nicht nur, weil ihre Befragungen anschließend wie in psychologischen Studien üblich anonymisiert wurden.
    "Es war auch eine bewegende Erfahrung. Viele sagten, endlich kommt mal jemand und fragt uns, wie es uns denn wirklich geht. Das ging bis dahin, dass sie mir anschließend dann Pfarrhäuser und Pfarrprojekte zeigten. Also, das Bedürfnis zu reden, war sehr groß! Das Bedürfnis, mal zu erzählen, was denn unter den Nägeln brennt, es auszusprechen."
    Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche
    Vor rund sechs Jahren wurden die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche öffentlich. Wenig später folgte die Erregung über die Protzsucht des Limburger Bischofs Tebartz-van Elst. Aber es scheint, als würden sie in einer anderen Welt leben. Während ihnen in den Medien und der Öffentlichkeit zum Teil harsche Kritik entgegenschlägt, fühlen sie sich in ihren Gemeinden wohl. Aber es lässt sie nicht kalt, dass das Berufsbild des Priesters unter den Skandalen leidet.
    "Diese gesamtkirchliche Großwetterlage wurde von einer Reihe von Priestern erschwerend auch dargestellt, dass sie zum Teil das Gefühl haben, wir werden zum Teil auch hängen gelassen. Sie fühlen sich in der Regel aufgehoben im Pfarreirahmen, wenn es da gut geht, aber gesamtgesellschaftlich fehlt oft die Unterstützung dieser Lebensform, auch die Wertschätzung der Arbeit. Da ist auch der Wunsch, dass es auch anerkannt wird und wertgeschätzt wird."
    Über 8.600 Priester, Diakone bis hin zu Gemeinde- und Pastoralreferenten wie -referentinnen wurden schriftlich befragt. Auch in dieser Gruppe äußern sich viele kritisch über die Leitungs-Strukturen der eigenen römisch-katholischen Kirche. Ihrer Arbeit in der Pfarrei aber stehen die Allermeisten positiv gegenüber. Sie fühlen sich als Seelsorger und Sakramentsverwalter gebraucht. Der Jesuitenpater und Psychologe Eckhard Frick von der Hochschule für Philosophie und Spiritual Care an der Universität München:
    "Eines der Ergebnisse, was zunächst einmal erstaunlich ist, dass die üblicherweise bekannten Faktoren, beispielsweise die Größe der Gemeinden oder die Größe der Pfarrverbände nicht das Entscheidende für die Belastung oder die Gesundheit der Seelsorgenden darstellen, sondern es sind internale Faktoren, beispielsweise die Überzeugung, ich kann etwas ausrichten."
    Auch der Pastoralpsychologe Christoph Jacobs von der Theologischen Fakultät Paderborn ist überrascht, wie zufrieden die Seelsorgenden sind.
    "Es gibt den sogenannten Glücksatlas der Deutschen Post, und der hat einen Mittel-Wert für die Bundesrepublik Deutschland, der liegt auf einer Skala zwischen 0 und 10 bei 7. Und wir kriegen das überraschende Ergebnis, dass die sich bei 7,6 positionieren. Sie sind immer selber überrascht, wenn sie dieses Ergebnis hören und sagen, das hätten wir aber nicht gedacht."
    "Interessant ist, dass im Unterschied zur Normalbevölkerung die Arbeitszufriedenheit sehr stark mit der Lebenszufriedenheit zusammen hängt. Die Seelsorgerinnen und Seelsorger hängen ihr Herz an die Seelsorge."
    Arbeits- und Lebenszufriedenheit
    Die häufigen Messfeiern und Gebete würden nicht als Belastung empfunden, sondern als Kraftquelle. Auch wenn nicht wenige äußerten, dass es auch Phasen gebe, in denen sie sich von Gott verlassen fühlten, so fänden doch die allermeisten wieder zur inneren Stabilität zurück.
    "Und dort finden wir, dass wir eine Burn-out-Rate bei den Seelsorgern von ein bis drei Prozent haben. Diese ein bis drei Prozent sind vergleichsweise normal und zu anderen Berufen vergleichsweise gering. Auch hier ein Ergebnis, wo man eigentlich sagen kann: Es mag gelassen stimmen. Allerdings darf man auch sagen: Es gibt einen Prozentsatz unter den Seelsorgerinnen und Seelsorgern, wenn man 8.000 Leute hat, dann haben wir auch eine genügende Anzahl, die auch Burn-out-Mäßig und erschöpfungsmäßig Probleme haben."
    Unfreiwillig alleinlebende und alleinerziehende Seelsorgerinnen wären am wenigsten mit ihrem Leben zufrieden. Jene seien besonders zufrieden, die in ihrer Pfarrei nicht allein seien: Etwa Priester, die mit ihrer Haushälterin oder Kollegen in Wohn-Gemeinschaften zusammenlebten. Auch Priester bräuchten jemanden zum Reden. Sex und Zölibat seien nicht die vordringlichen Themen, sagt Wolfgang Weig, Ärztlicher Direktor der Niels-Stensen-Kliniken Osnabrück. Aber der Zölibat sei ein Thema.
    "Wenn man sich die Mittelwerte anschaut bzw. die Zahl der Priester, die wirklich sagen, ich habe damit Probleme, ich bin damit vollkommen unzufrieden, dann ist es etwa ein Drittel der Gruppe, die solche Angaben macht. Zwei Drittel, also die deutliche Mehrheit sagt, geht ganz gut, wenn an allerdings fragt, würden sie das noch mal machen, dann ist sich nur die Hälfte der Befragten sicher, dass sie das noch mal wählen würde, diese Lebensform."
    Umstrittenes Zölibat
    Seelsorge und Spiritualität ja, aber bitte ohne Zölibat?! Diesen Schluss aus den Ergebnissen zu ziehen, sei voreilig. Denn viele Priester sagten, sie würden gerade ohne Ehe und Familie in ihrem Beruf voll aufgehen.
    "Viele können diese Lebensform bewältigen, auch davon profitieren und machen dann solche Aussagen wie: Ich genieße die Freiheit, die damit verbunden ist. Oder: Ich kann mich ganz meiner Aufgabe widmen, ohne gehemmt zu sein durch andere Rücksichten."
    Einschränkend gilt aber auch,...
    "...dass sich nur eine Minderheit der Priester gut unterstützt fühlt für das Leben im Zölibat durch die Ausbildung in den Priesterseminaren."
    Über diese Zwischen-Ergebnisse der neuen Seelsorge-Studie freut sich der Osnabrücker Bischof Dr. Franz-Josef Bode. Er ist Vorsitzender der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz. Am Zölibat will er daher nicht rütteln.
    "Ich glaube, dass der Zölibat immer eine Herausforderung ist, mit der man sein Leben lang spannend umgehen muss. Und es kann nur zu einem positiven Wert werden, wenn ich diese Kraft, die darin steckt, auch die Leute, mit denen ich zu tun habe, als meine Familie betrachte. Und das ist etwas, mit dem ich immer kämpfen muss. Und daher kann ich verstehen, wenn jemand sagt, ob ich mir das noch mal antun könnte? Das wird aber mancher bei der Ehe vielleicht auch sagen."