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Studie Uni Hohenheim
Was auf dem Feld wächst, beeinflusst die Erderwärmung

Jede Region ist unterschiedlich vom Klimawandel betroffen. Das hängt auch damit zusammen, was auf den Böden wächst: Wie es angebaut wird, beeinflusst die Temperatur der darüber liegenden Luftschichten. Eine Expertengruppe in Hohenheim ist solchen Wechselwirkungen auf der Spur.

Von Thomas Wagner | 26.04.2019
Weizenfeld, vertrocknet und nur niedrig gewachsen, durch die Sommer Trockenheit, Dürre, in Ostwestfalen Lippe, NRW
Wie verhält sich Weizen, wenn der CO2-Ausstoß steig? Solchen Fragen gehen die Forscher in Hohenheim nach (imago stock&people / Jochen Tack)
Bunt oder grau auf den Feldern? Je nachdem, führt das alleine schon zu kleinen Veränderungen des Mikroklimas: "Es ist so, dass sich die Reflexion an der Landoberfläche verändert, je nachdem, ob ich früh- oder späträumige Kulturen auf dem Acker habe und natürlich die Farbe, die die haben: Die reflektieren dann natürlich unterschiedliche Mengen von Energie wieder zurück", so Professor Thomas Berger, der sich an der Universität Hohenheim mit der Ökonomie der Landnutzung beschäftigt.
Da 50 Prozent der Flächen immer noch land- und forstwirtschaftlich genutzt werden, hänge das Mikroklima einer bestimmten Region - und dessen Veränderung - ganz entscheidend davon ab, was da genau grünt und blüht: "Also macht es eine Masse aus, ob da nur frühräumige Früchte, Wintergetreide, frühe Früchte, späte Früchte, also beispielsweise Mais und Zuckerüben, angebaut werden. Landwirte beeinflussen damit natürlich auch das lokale Klima."
Auch was unter der Erde passiert, beeinflusst das Klima darüber
Ellen Kandeler dagegen geht in den Untergrund: Denn die Professorin für Bodenbiologie möchte herausfinden, wie Bodenorganismen einerseits auf den Klimawandel reagieren - und damit auch selbst wieder das Kleinklima beeinflussen. Die Wechselwirkungen sind einigermaßen kompliziert. Denn zum einen gilt: "Also wenn die Temperatur höher wird, dann ist im Allgemeinen auch die Aktivität von Organismen höher."
Allerdings nicht immer: Zum Beispiel, wenn erhöhte Temperaturen mit erhöhter Trockenheit einhergehen. Zunehmende Trockenperioden lassen sich als Folge des Klimawandels aber bereits beobachten. "Da gibt es dann so eine Art Trade-Off. Wenn es dann im Sommer zu trocken wird, stoppt dieser Prozess einfach", sodass beispielsweise auf dem Boden verstreute Pflanzenreste nicht mehr vollständig abgebaut werden - ein weiteres typisches Beispiel dafür, was die DFG-Forschungsgruppe in Hohenheim untersucht.
Boden, Atmosphäre, Pflanzen, Klima - alles hängt zusammen
Nämlich, wie sich Agrarlandschaften und regionales Klima gerade im Zeichen des Klimawandels gegenseitig beeinflussen. Dabei geht es um "Feedbacks, die bisher nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Und das sind die Feedbacks zwischen den Bodenpflanzensysteme und der Atmosphäre, Feedbacks zwischen der Bodennutzung und dem Klima, und außerdem noch Feedbacks zwischen kurz- und langfristiger Anpassung der Landwirtschaft", erklärt Professor Thilo Streck, Sprecher der DFG-Forschungsgruppe in Hohenheim.
Aus den Daten, die dabei erhoben werden, sollen Modelle zum weiteren Verlauf des Klimawandels generiert werden, die in dieser Form bislang nicht vorliegen - Modelle, die sich vor allem auf kleinere, abgrenzbare Regionen beziehen. Dazu schauen sich die Fachleute das Zusammenspiel zwischen Agrarlandschaften und Klima in zwei Modellregionen ganz genau an, nämlich im Kraichgau und auf der Schwäbischen Alb.
Blick in die Zukunft
Professor Andreas Fangmeier vom Fachgebiet Pflanzenökologie und Ökotoxikologie füttert spezielle Rechenmodelle mit diesen Daten, um zu sehen "was in der Zukunft passieren wird. Und das machen wir, in dem wir das Klima und die atmosphärischen Bedingungen nachstellen im Experiment, die wir in einigen Jahrzehnten ab heute erwarten."
Auf der Basis der erhobenen Daten und der Rechenmodelle erhöhen die Experten in der Simulation beispielsweise den CO2-Gehalt, aber auch die Temperaturen. "Dafür haben wir eine Modellpflanzenart ausgesucht, nämlich den Weizen, und können Aussagen darüber machen: Wie wird sich eine Kulturpflanze Weizen verhalten, wenn in 30 Jahren das CO2 auf 550 ppm angestiegen ist, wenn es mehr Hitzewellen gibt, wenn die Temperaturen angestiegen sind."
Mehr CO2 heißt mehr Weizen - aber weniger Proteingehalt
Und wie verhält sich der Weizen nach dieser Simulation, die die Erderwärmung vorwegnimmt? "Der Weizen nimmt leicht an Ertrag zu, was positiv ist auf den ersten Blick. Aber das tut er nur, wenn das CO2 sich erhöht. Gleichzeitig hat er eine andere Qualität, die Proteingehalte gehen runter. Wenn man das kombiniert zum Beispiel mit Hitzewellen, dann hat man einen negativen Effekt auf den Ertrag, so dass in der Gesamtbilanz so in 20, 30 Jahren die Erträge nicht steigen, sondern eher sinken werden."
Solche Simulationsmodelle entwickelt die Hohenheimer Forschungsgruppe der Deutschen Forschungsgemeinschaft auch für andere Nutzpflanzen - mit den entsprechenden Vorhersagemöglichkeiten. Das Ganze ist zwar als Grundlagenforschung ausgelegt - praktischer Nutzen allerdings nicht ausgeschlossen.
Thilo Streck: "Sehr wichtig wäre es tatsächlich, die in der Politikberatung zu nutzen. Es ist nur so, dass wir dann natürlich auch gefragt werden müssen, um solche Modellrechnungen zu machen, die dann auch in der Politikberatung verwendet werden."