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Studie zu Hitzewelle
Es drohen lebensfeindliche Höchsttemperaturen

Am persischen Golf sind hohe Temperaturen der Normalfall im Sommer. Aber in Kombination mit großer Feuchtigkeit entsteht eine Art Hitze, die enorm gefährlich werden kann, sagte der Umweltwissenschaftler Christoph Schär im DLF. Die kritische Grenze für Menschen und Warmblüter sei erreicht, wenn man nicht mehr verdunsten könne.

27.10.2015
    Der persische Golf in der Nähe der iranischen Küste.
    Der persische Golf in der Nähe der iranischen Küste. (imago/Xinhua)
    Ralf Krauter: In mancher Region am persischen Golf könnte es in diesem Jahrhundert noch so heiß werden, dass Menschen dort nicht mehr im Freien überleben können. So das Ergebnis einer Studie heute im Fachmagazin "Nature Climate Change". Professor Christoph Schär von der ETH Zürich hat die Arbeit kommentiert. Ich habe ihn vorher gefragt, wie die Autoren zu diesem alarmierenden Schluss gekommen sind.
    Christoph Schär: In dieser Studie wird das regionale Klima der arabischen Halbinsel simuliert und dabei ist das Augenmerk insbesondere auf der Region des Persischen Golfs und des Roten Meers. Und die Studie findet, dass da Hitzewellen entstehen, die aber nicht nur außerordentlich heiß sind, sondern auch außerordentlich feucht. Und die Feuchte letztendlich verursacht einen Hitzeeffekt oder einen Gesundheitseffekt, der in diesem Rahmen zumindest, seit wir historische Aufnahmen haben, nicht beobachtet worden ist.
    Krauter: Die kritische Schwelle, die die Autoren da verwenden für Ihre Aussagen, ist 35 Grad. Als Laie würde man sagen, 35 Grad Durchschnittstemperatur ist doch gar nicht so schlimm, das haben wir im Sommer jetzt manchmal hier auch schon. Aber diese 35 Grad meinen eine andere Art von Temperatur, um die es da geht?
    Schär: Die kritische Grenze für den Menschen und die Warmblüter ist erreicht, wenn wir nichts mehr verdunsten können. Wir kühlen ja unseren Organismus durch die Verdunstung von Wasser, und das können wir auch gut machen. Bei Temperaturen von 40 und 45 Grad besteht nicht automatisch ein Gesundheitsrisiko. Wenn jetzt aber die Feuchtigkeit sehr hoch ist, dann wird die Verdunstung behindert, und der normale Kühlungsmechanismus, den unser Körper hat, der wird außer Kraft gesetzt. Die Grenze, die man mit dieser Feuchttemperatur benennt, ist diejenige Temperatur, bis zu welcher dieser Kühlungseffekt funktionieren kann. Und wenn jetzt also diese Feuchttemperatur in der Umgebungsluft über 35 Grad steigt, dann ist die Kühlungskapazität des Körpers erschöpft.
    Das würde, im Gegensatz zu den Hitzewellen, die wir aus Europa kennen, nicht nur ältere, kranke und schwache Menschen betreffen, sondern es würde jedermann betreffen, auch Personen, die fit und gesund sind.
    Krauter: Die Studie kommt eben zu dem Schluss, dass genau solche klimatischen Bedingungen dann öfter mal herrschen könnten bis zum Jahr 2100 in der Golfregion, die Sie gerade ansprachen. Nun gehen da natürlich wie immer einige Annahmen an – die wichtigste Annahme ist die, dass die Forscher davon ausgegangen sind, dass die globale Durchschnittstemperatur um etwa vier Grad Celsius ansteigen wird. Für wie überzeugend halten Sie denn diese Annahme? Ist das realistisch?
    Schär: Im Moment befinden wir uns klar eigentlich auf einem Szenario, wie das hier abgebildet wird. Es ist natürlich jetzt möglich und zu hoffen, dass an der nächsten Klimakonferenz Maßnahmen beschlossen werden, um den globalen Ausstoß von Treibhausgasen zu begrenzen. Und dann könnte man auf ein gnädigeres Szenario einschwenken. Das wird in dieser Studie auch untersucht. Es wird nicht nur das starre Business-as-usual-Szenario untersucht, sondern es wird auch ein schwächeres Szenario betrachtet, und dort ist dann die Häufigkeit solcher extremer Bedingungen deutlich reduziert.
    Sonnenenergie heizt den Golf auf
    Krauter: Warum ist denn gerade die Golfregion solche ein Hotspot künftiger Hitzewellen?
    Schär: Das hat damit zu tun, dass wir dort ein sehr seichtes Gewässer haben. Es ist im Durchschnitt nicht einmal 40 Meter tief, der Golf. Das heißt, die Sonnenenergie kann diesen Golf aufheizen wie, man könnte sagen, ein Kinderwasser im Sommer, und es können sich deshalb sehr hohe Temperaturen einstellen. Bereits im heutigen Klima ist es häufig, dass die Meeresoberflächentemperatur des Golfs 32 Grad übersteigt. Dieses Jahr war zeitweise 34 Grad erreicht. Das heißt, sehr hohe Temperaturen sind dort der Normalfall im Sommer, und diese hohen Temperaturen in Kombination mit dem großen Feuchteangebot, die führen zu diesen schlimmen Bedingungen.
    Krauter: Was würde das denn konkret für die Menschen in der Region bedeuten, wenn es tatsächlich so käme, also dieses Business-as-usual-Szenario zu Ende gedacht und vorausgesetzt, die Hochrechnungen und Simulationen der Forscher erweisen sich als korrekt?
    Schär: Das würde schon heißen, dass sich diese Region einstellen muss auf eine Zukunft, wo manchmal das Überleben im Freien nicht mehr möglich ist. Das heißt, man würde hier mit Klimaanlagen und ähnlichen Maßnahmen arbeiten. Aber das ist schon eine große Herausforderung an die Technik. Es müsste ja hier auch sichergestellt werden, dass diese Maßnahmen fehlerfrei funktionieren. Es ist auch ein Temperaturbereich und ein Feuchtebereich, wo viele Einrichtungen unseres Alltags nicht richtig funktionieren. Es ist nicht gesagt, dass da wirklich zum Beispiel Flugverkehr noch möglich ist bei solchen Bedingungen, ganz einfach, weil das Bedingungen sind, welche von den aerodynamischen Verhältnissen her sehr schwierige Rahmenbedingungen auferlegen.
    Krauter: Was sind denn für Sie die wichtigsten Folgerungen, die man aus dieser neuen Studie jetzt ziehen müsste?
    Schär: Die wichtigste Folgerung ist sicher, dass dieses Limit, von dem man bis jetzt geglaubt hat, es ist ein Limit, von welchem wir erst in 200 Jahren betroffen sind, dass wir dieses Limit bereits in diesem Jahrhundert sehen könnte oder überschreiten könnten. Und zweitens auch, dass wir eigentlich wissen, wo vermutlich die höchste Gefährdung vorliegt, nämlich im Persischen Golf, ein kleiner Teil vielleicht auch im Roten Meer. Das sind die wichtigsten Aussagen dieser Studie. Und das heißt, es gibt einerseits die Möglichkeit, jetzt darauf zu reagieren in der Form von Klimamaßnahmen, um das Klima zu schützen, andererseits aber natürlich auch in der Form von Anpassungsmaßnahmen, um sich auf diese schwerwiegenden und schlimmen Bedingungen einzustellen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.