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Studie
Zuwanderer sollen MINT-Lücke füllen

Junge Menschen in Deutschland lernen lieber Einzelhandelskaufmann als Informationselektroniker, lieber Kosmetikerin als Anlagenmechanikerin, lieber Eventmanager als Mechatroniker. Den MINT-Berufen aber, also den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, geht der Nachwuchs aus. Das soll sich ändern.

Von Anja Nehls | 25.06.2015
    Der Bochumer Maschinenbauer Eickhoff produziert seit 2009 in Klipphausen bei Dresden Getriebe fuer Windkraftanlagen.
    Fachkräfte sind in vielen Bereichen heute schon Mangelware. (imago/Rainer Weisflog)
    Junge Menschen in Deutschland lernen lieber Einzelhandelskaufmann als Informationselektroniker, lieber Kosmetikerin als Anlagenmechanikerin, lieber Eventmanager als Mechatroniker, lieber Erzieherin als Chemielaborantin. Berufen im MINT-Bereich, also im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, geht der Nachwuchs aus. Aus eigener Kraft kann Deutschland seinen Bedarf an Fachkräften bereits jetzt nicht mehr decken, sagt Axel Plünnecke vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln:
    "Wir haben die Beschäftigung in den MINT-Berufen untersucht und konnten da feststellen, dass in den letzten 2 ½, 3 Jahren vor allem die Beschäftigung von Ausländern stark zugenommen hat, hier haben wir starke Zuwächse aus Indien und Mittel-Osteuropa und das hat auch sehr stark zur Fachkräftesicherung beigetragen, die Zuwanderung."
    Ohne die Zuwanderer aus anderen Ländern wird es auch in naher Zukunft bei uns nicht gehen, meint Thomas Sattelberger, Sprecher des Mint-Forums. Besonders im Auge hat er dabei die Flüchtlinge, deren Kompetenzen hier oft nicht genutzt würden:
    "Wir wissen es schon, dass natürlich gerade bei den syrischen Flüchtlingen, dass da ausgesprochen gute technische und auch Informatikkompetenzen da sind, wie übrigens ja auch bei denen, die innerhalb der EU aus Rumänien oder Bulgarien zu uns kommen. Und wir müssen junge Menschen, die von außen zu uns kommen zum ersten in die Ausbildung nehmen und zum zweiten ihre Qualifikationen, die sie haben, auch anerkennen."
    Unter anderem darum geht es beim 3. Nationalen Mint-Gipfel in Berlin. Mitglieder im MINT-Forum sind über 30 Institutionen und Verbände, unter anderem die Hochschulrektorenkonferenz, Arbeitgeberverbände und die Industrie- und handelskammern. Es gibt bereits etliche MINT-Initiativen in Deutschland.

    Alle müssen dabei an einem Strang ziehen, wenn es auch in Zukunft ausreichend Nachwuchs in den technischen Berufen geben soll, meint Thomas Sattelberger. Bei der beruflichen Bildung lohne es sich, vielleicht auch mal umzudenken:

    "Da muss die berufliche Ausbildung halt attraktiver werden. Vielleicht ist das Produkt in Teilen ein bisschen in die Jahre gekommen."
    Auf jeden Fall müsse dringend am Image gearbeitet werden, sagt Bundesbildungsministerin Johanna Wanka. Die Vorstellung, dass MINT-Berufe immer mit Schmutz, Dreck und hohen körperlichen Anforderungen verbunden sind, sitze noch in vielen Köpfen, besonders in denen der Elterngeneration. Ein Besuch in Europas größtem Sägewerk in Brandenburg zeige aber eine andere Realität:

    "Wer von Ihnen, ehrlich, würde seinem Kind sagen, lerne im Sägewerk? Sehr begrenzt. Wenn Sie dort in dieses Sägewerk kommen, das sind alles Computerarbeitsplätze, das ist vollautomatisiert, diese Riesenstämme entrinden und verarbeiten etc.. Und die meisten lassen sich bei ihrer beruflichen Entscheidung stark vom Elternhaus von den Großeltern beeinflussen."

    Das gilt genauso für Menschen mit Migrationshintergrund, für deren Eltern ein Studium oft eine höhere gesellschaftliche Anerkennung bedeutet und für Frauen, die ihre Berufe immer noch häufig entsprechend traditioneller Rollenbilder ergreifen, so die Bildungsforscher. Die Dr.-Reinhold-Hagen-Stiftung möchte mit gezielter Berufsvorbereitung die jungen Frauen und Männer wieder für Technik begeistern, sagt Thomas Reiter:
    "Technik wirkt oft nicht mehr greifbar für Jugendliche, ein Fahrrad selber reparieren zum Beispiel. Das bricht bei Jugendlichen, so wie wir es feststellen, viel weg und dadurch fehlen die Handfertigkeiten. Auch wenn Jugendliche sagen, ich kann mit dem Computer umgehen, dann können sie vor allem Spiel darauf machen, aber das heißt noch lange nicht, mit dem Computer umgehen. Da ist dann immer wichtiger, die Handfertigkeiten ihnen wieder nahezubringen. Denn sie können es, sie wissen es nur nicht."
    Auf dem Mint-Gipfel in Berlin geht auch um Strategien, wie Karrierewege für beruflich Qualifizierte attraktiver gemacht werden können, wie die hohe Abbrecherquote sowohl in der beruflichen Ausbildung, als auch bei den MINT-Studienfächern gesenkt werden kann und wie berufliche und akademische Bildung besser verzahnt werden können.