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Studiengebühren-Stopp in Österreich

"Rolle rückwärts" heißt es derzeit in der Bildungspolitik unseres Nachbarlandes Österreich: Seit 2000 wurden an den Unis und zum Teil an den Fachhochschulen flächendeckend Studiengebühren erhoben. Damit ist es nun vorbei: Ab dem kommenden Sommersemester darf an den Unis wieder gebührenfrei studiert werden. Und auch die Fachhochschulen verzichten nach und nach auf Studiengebühren. Jüngstes Beispiel: die Fachhochschule Vorarlberg in Dornbirn.

Von Thomas Dornbirn | 08.01.2009
    Bojan Mijatovic ist in der deutschen Stadt Tettnang im Bodenseekreis zuhause. Doch ganz bewusst hat er sich zu einem Studium der Betriebswirtschaft an der Fachhochschule Vorarlberg im österreichischen Dornbirn entschieden, zum einen wegen der Nähe zu seiner Heimatstadt.

    "Und zweitens, der wichtige Grund war einfach, dass die hier einen Einstellungstest haben und nicht nur auf die Noten schauen, was ich besser finde. Wenn jemand mit einem 1,0-Abitur alles auswendig lernt, dann ist das nicht das, wie es sein sollte."

    Nun die aktuelle Nachricht: Ab dem kommenden Sommersemester erhebt die Fachhochschule Vorarlberg von ihren etwa 1100 Studierenden keine Gebühren mehr. Für Bojan Mijatovic ist das eine Frohbotschaft zum Jahresauftakt.

    "Find' ich gut. Das sparen wir eine Menge Geld, müssen nicht mehr so viel arbeiten. Das hat nur Vorteile. Solange natürlich das Equipment und die Ausstattung bleibt, find' ich's gut."

    Nach dem jüngsten Beschluss der Vorarlberger Landesregierung haben Bojan Mijatovic und seine Kommilitonen nun 363 Euro pro Semester mehr im Geldbeutel. Auf diese Summe nämlich beliefen sich die Gebühren, die die Hochschule erhoben hat. Dass die nun wegfallen, hat zu tun mit der verworrenen politischen Situation in Österreich. Rückblende: September 2008; vorzeitige Nationalratswahlen stehen an, nachdem die Große Koalition, bestehend aus der sozialdemokratischen SPÖ und der konservativen ÖVP, zerbrochen war. Die SPÖ zieht mit dem Versprechen in den Wahlkampf, die Studiengebühren an den österreichischen Unis zu streichen, ein "Wahlkampf-Zuckerl" für die wahlberechtigten Studierenden, sagen Kritiker. Die Unis nämlich fallen, anders als in Deutschland, in die organisatorische Obhut des Bundes. Dann die Wahl Ende September, an deren Ende wieder eine Große Koalition herauskommt. Doch mit ihrem Versprechen, die Studiengebühren abzuschaffen, kann sich die SPÖ durchsetzen.

    "Es war wieder eine SPÖ-Forderung zusammen mit den Grünen, wenn ich jetzt so das Farbenspiel sagen darf. Und es ist eben im letzten September mit einer Mehrheit im Nationalrat beschlossen worden."

    Ein Beschluss, der Professor Rudi Feuerstein, Rektor der Fachhochschule Vorarlbegr, aufhorchen ließ. Denn das Parlamentsbeschluss sah eine Abschaffung der Studiengebühren nur an den Unis, nicht aber an den Fachhochschulen vor, die gar nicht zum Bund gehren, sondern größtenteils zu den Bundesländern. Und damit tat sich ganz plötzlich eine bildungspolitische 'Zwei-Klassen-Gesellschaft' zu Tage:

    "Es ist eben seit letztem Herbst eine Zwei-Klassen-Gesellschaft ein neuer Umstand eingetreten, dass man da eine Zwei-Klassen-Gesellschaft machen würde: Nämlich die Studenten an den Universitäten, die keine Studiengebühren zahlen und die Studenten an den Fachhochschulen, die Studiengebühren zahlen. Ich glaube, dass ist eine Ungleichgewichtigung, eine Ungerechtigkeit. Deswegen bin ich letztendlich froh, dass die Studiengebühren auch bei uns abgeschafft werden aus diesem letztgenannten Gesichtspunkt."

    Doch eigentlich fühlt der Vorarlberger Fachhochschul-Rektor hier zwei Seelen in seiner Brust: denn ganz prinzipiell hat er Studiengebühren immer befürwortet.

    "An und für sich glaube ich, dass Studiengebühren, diese 262 Euro und ein paar Zerquetschte, ein geeignetes Instrument sind, um ein bisschen das Ganze zu steuern, die Studiererei. Studiengebühren haben natürlich eine kleine Hürde geschaffen, wohlgemerkt: Eine kleine Hürde. Dass man die so genannten 'Karteileichen' wegbringt. Da betrifft vor allem die Universitäten. Die Studiengebühren sind ansonsten ein beträchtlicher Teil der Budgets der einzelnen Anstalten. Wenn ich jetzt bei uns die Fachhochschule Vorarlberg anschaue, beläuft sich dieser Betrag pro Jahr auf 700 000 Euro. Und wenn das nicht irgendwie ersetzt wird, ist da natürlich ein gigantischer Entfall im Budget unseres Hauses."

    Hier hat die österreichische Bundesregierung allerdings zugesagt, die Finanzlücke, die sich nach Wegfall der Gebühren in den Budgets der Hochschulen auftut, durch Kompensationszahlungen auszugleichen. Ob die Politiker, für das 'Wahlkampfzuckerl Gebührenfreiheit' gestimmt haben, damit tatsächlich die Herzen und Stimmen der Betroffenen erobert haben, ist allerdings fraglich. Viele Studierende an der Fachhochschule Vorarlberg sind überraschenderweise mit der Abschaffung der Studiengebühren gar nicht so glücklich.

    "Generell bin ich eher ein Befürworter der Studiengebühren, weil durch die Einführung der Studiengebühren die Studiendauer zurückgegangen ist nachweislich"

    "Auf der anderen Seite finde ich die Studiengebühren auch sinnvoll, weil: Das Studium sollte einem auch etwas wert sein. Es gibt ja genügend Studenten, die einfach nur inskribieren, damit sie irgendwo Vergünstigungen bekommen mit dem Studentenausweis. Und mit den Studiengebühren war das Problem eigentlich gelöst. Aber Ok, die Abschaffung ist angenehm für mich."

    "Ich denke nur, wenn jetzt die Studiengebühren wegfallen, dass man dann viel mehr Studenten aus dem Ausland haben und es dann wahrscheinlich noch schwieriger wird an den Unis, dass man da rein kommt oder dass man schneller studieren kann."

    Gerade an der Fachhochschule Vorarlberg rechnet Rektor Rudi Feuerstein mit einem Anstieg deutscher Studierenden, deren Anteil ohnehin bereits bei fünf Prozent liegt. Die beiden Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg liegen schließlich geografisch gerade mal um die Ecke; sowohl in Bayern als auch in Baden-Württemberg werden Gebühren erhoben - im Gegensatz zum österreichischen Vorarlberg.

    "Wenn ich an die Nachbar-Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg denke, die ja Studiengebühren von 500 Euro haben, kann ich mir schon vorstellen, dass der eine oder andere Student aus dieser Region sagt: Und jetzt geh' ich ganz bewusst nach Vorarlberg zum Studieren. Da mag es schon sein, dass der eine oder andere sagt: ich geh' jetzt nicht nach Stuttgart, sondern nach Dornbirn studieren - rein aus Studiengebühren-Gründen."