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Studienkonten - bloß versteckte Studiengebühren?

Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis in Deutschland wieder Studiengebühren eingeführt werden. Quer durch alle Parteien sind sich die Bildungspolitiker mittlerweile einig: Das unbegrenzte, kostenlose Studium gehört der Vergangenheit an. Dissens besteht allenfalls darüber, wie viele Semester in Zukunft noch gebührenfrei absolviert werden können und wer das wie kontrolliert.

    Ich sage ihnen hier alles das, was diskutiert wird. Und damit da keine Unklarheiten sind: Wir werden eine Einschreibgebühr einführen - so sieht es das Modell vor - von 50 Euro pro Semester.

    7. Juni 2002 in Köln. NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement diskutiert mit protestierenden Studenten über die geplanten Studiengebühren. Das ist längst Geschichte. Clement ist in Berlin, die Gebührenfrage in Nordrhein-Westfalen zunächst ad acta gelegt, die Studenten jubeln. Doch nicht nur die NRW-Landesregierung, alle 16 Wissenschaftsminister in den Bundesländern und noch mehr ihre Kollegen in den Finanzressorts wollen weiterhin ans Portemonnaie der Nachwuchs-Akademiker. Eine der Varianten: Die Einführung von so genannten Studienkonten, also Bildungsguthaben, die der einzelne im Laufe seines Lebens verbrauchen darf. Ist das Konto leer, das Studium aber noch nicht beendet, sind Gebühren fällig. Dieter Dohmen, Experte für Bildungsfinanzierung, rät bei der Bewertung von Studienkonten zunächst zur Zurückhaltung.

    Eine generelle Aussage, ob gut oder schlecht, kann man meines Erachtens nicht treffen, sondern es ist eine Frage, wie man sie ausgestaltet und in welchem Rahmen man sie einführen möchte. Man muss einfach sagen, dass das Grundprinzip ja bedeutet, dass die Finanzierung der Hochschulen oder Bildungseinrichtungen abhängig ist von der Anzahl der Nachfrager, und dann kommt es auf die Detailausgestaltung an, welche Konsequenzen sie entfalten.

    Am ehrlichsten wäre es, sagt der Sozialwissenschaftler, wenn Studierende nicht nur ein Bildungskonto, sondern richtige Gutscheine erhalten würden. Dann wären sie nämlich in der Lage, durch die Nutzung der Gutscheine auch darüber abzustimmen, wo attraktive Studienmöglichkeiten angeboten werden und wo nicht. Trotzdem gebe es immer noch ein verwirrende Vielzahl von Möglichkeiten, wie solche Studienkonten mit Bildungsgutscheinen politisch gestaltet werden können. Dieter Dohmen:

    Das eine ist, dass die Anzahl der Gutscheine abhängig ist von der Hochschule, an der man ist; sie kann aber auch für alle Studierenden gleich sein; sie kann aber auch nach Studienfächern differenziert sein. Man kann dann als zusätzliche Ausgestaltungsvariante noch darüber nachdenken, ob sie mit dem Elterneinkommen sich verändern, das heißt: für höhere Einkommen niedriger sind als für die Kinder aus unteren Einkommensschichten. Oder man kann sie kombiniert mit Studienfach und Elterneinkommen ebenfalls differenzieren.

    In diesem Jahr werden etliche Landesregierungen unter Hochdruck beraten, wie die Bildungskonten und Bildungsgutscheine genau aussehen sollen. Dass sie kommen, ist zumindest in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen schon angekündigt; weitere Bundesländer werden wohl folgen. Ab 2004 sollen dort Bildungsleistungen semesterweise abgebucht werden, drei Jahre später dann ein genaueres System den exakten Verbrauch von Semesterwochenstunden berechnen. Viel Verwaltungsaufwand, der aber im Grunde berechtigt sei, sagt Dieter Dohmen:

    Es gibt bisher die immer noch mehr oder weniger sichere Feststellung, dass die Bildungsfinanzierung zugunsten der oberen Einkommensschichten umverteilt. Das gilt zum einen für das Studium, das überproportional von Kindern aus begüterteren Familien nachgefragt wird, und wenn man dann sagt, dass diejenigen, die ein genügend gutes Elterneinkommen haben oder deren Eltern ein ausreichendes Einkommen haben, Studiengebühren zahlen sollen, dann erscheint das durchaus gerecht. Und man kann Gutscheine durchaus so ausgestalten, dass sie mit dem Elterneinkommen sinken. Und damit hätte man durchaus eine gerechtere Bildungsfinanzierung, zumindest im Hochschulbereich, als das heute der Fall ist. Dieses kann man aber auch auf andere Bildungsbereiche wie den Kindergarten oder die Schule übertragen.

    Für die meisten Studierenden dagegen ist klar: Studienkonten und Bildungsgutscheine sind nur eine andere, verdeckte Form von Studiengebühren für Langzeitstudenten. Und deshalb, so hat es das studentische Aktionsbündnis gegen Studiengebühren angekündigt, sollen die Proteste dagegen auch im Jahr 2003 weitergehen.

    Autor: Armin Himmelrath