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Studienstiftung öffnet sich

80 Jahre lang musste man jemanden finden, der einen für ein Stipendium bei der Studienstiftung des deutschen Volkes vorschlägt. Ab Februar 2010 können Studierende sich erstmals selbst um ein Stipendium bewerben.

Von Esther Körfgen | 09.12.2009
    "Im Folgenden geht es um Ihre Fähigkeit, Texte effizient zu lesen und die wichtigen Informationen so herauszuschreiben, dass Sie eine halbe Stunde später Fragen zu den Texten beantworten können. Textausschnitt: 'Die zentrale Aufgabe der Distribution besteht darin, dafür zu sorgen, dass ...'"

    "Der Auswahltest der Studienstiftung ist ein Studierfähigkeitstest, das heißt es geht darum, diejenigen Voraussetzungen kognitiver Art, das heißt also Denkvermögen zu prüfen, die für ein akademisches Studium besonders wichtig sind","

    sagt Günter Trost von der Firma ITB Consulting, die den Begabungstest ertüftelt hat. Der Test dauert knapp vier Stunden. Er erfordert hohe Konzentration und Können auf mehreren Gebieten: Zum Beispiel sollen die Bewerber ein Flussdiagramm analysieren, dann aus einem Wust an Wörtern die herausfiltern, die in inhaltlicher Beziehung zueinander stehen. In anderen Aufgaben geht es darum, die richtige räumliche Perspektive von geometrischen Körpern zu benennen und Texte zu analysieren. Nichts für Leute, die mit schnellen logischen Schlussfolgerungen eher auf Kriegsfuß stehen.

    ""Der Test ist natürlich schon so angelegt, dass er unter einer Gruppe von vermutlich sehr stark ausgelesenen Kandidaten noch gut zu unterscheiden vermag."

    Wer sich vorbereiten will, sollte sich die Beispielaufgaben auf der Internetseite der Studienstiftung anschauen, auch um sich mit den Formulierungen vertraut zu machen. Rät der Generalsekretär der Studienstiftung, Gerhard Teufel. Und erklärt, dass es diesen Test nun parallel zum alten System des Vorschlagens geben soll. Warum?

    "Weil wir gemerkt haben, in Ostdeutschland schlagen die Schulen weniger Kandidaten vor als im Westen. Um ein Beispiel zu nennen: In Hessen ist die Chance viermal größer als in Mecklenburg-Vorpommern, vorgeschlagen zu werden. Das finden wir ungerecht und da mussten wir handeln. Zudem haben wir festgestellt, von den 4000 Schulen schlagen eigentlich nur 3000 regelmäßig vor. Das heißt ein Viertel der Abiturienten hat nie eine Chance in die Studienstiftung gleich nach dem Abitur zu kommen."

    Aber auch sozial Benachteiligte, sprich Bewerber aus nicht-akademischem Elternhäusern, hätten bislang zu wenige Chancen, Stipendiaten zu werden. Was auch daran liege, dass ihr Auftritt in der Vorstellungsrunde oft nicht so überzeugend war. Denn sprachliches Können und allgemeines Auftreten der Bewerber stünden auch im Zusammenhang mit dem Bildungsgrad der Eltern. Dieses Hindernis soll jetzt der Test umgehen: Er ist schriftlich, nicht mündlich.

    Dass sie mit der bisherigen Methode unwillentlich soziale Auslese betrieben haben, hat die Mitglieder der Studienstiftung erschreckt. Schließlich war die Förderung begabter und bedürftiger Studenten das Hauptziel der Gründung im Jahr 1925. Was ist daraus geworden?

    "Wir in der Studienstiftung in der Eigenwahrnehmung haben gedacht: Wir sind großartig, wir haben 20 Prozent Studierende aus bildungsfernem Elternhaus, die Tatsache ist, dass es ein Anteil an den Fachhochschulen von fast 50 Studierende sind. Das heißt wir haben ein Riesengap, auch im Sozialbereich."

    Über 10.000 Stipendiaten fördert die Stiftung zur Zeit, und es sollen noch mehr werden - da kommt der Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Regierung gerade recht, der vorsieht, dass zehn Prozent aller Studierenden ein Begabtenstipendium von 300 Euro im Monat bekommen sollen - unabhängig vom Elterneinkommen. Auch die Stipendiaten der Begabtenförderwerke werden davon profitieren. Das sei schön, aber, so Gerhard Teufel:

    "Könnten wir ein bisschen kritisch nachfragen, ob es sich lohnt, ein neues, nationales Stipendienwerk zu gründen, wo es bereits elf oder zwölf Begabtenförderwerke gibt."

    Dass ein Begabter erstmal von einem Lehrer überhaupt vorgeschlagen werden muss, sei ein Nadelöhr, und viele Bewerber passten da nicht durch, findet die Stipendiatin Susanne Stephani und freut sich, dass es nun einen zusätzlichen Weg zum Stipendium gibt. Sie hat Kulturwissenschaften in Hildesheim studiert, war mithilfe der Stiftung in New York und hat dort ein Theaterstück inszeniert, hat Sommerakademien besucht, von denen sie begeistert berichtet, und rät überhaupt jedem, der begabt ist, sich zu bewerben. Schon um dieses Gefühl zu bekommen, nicht allein zu sein mit der Begabung.

    "Ich kenne das selber, dass dann Leute sagen: in der Schule gibt es immer die drei Leute, die was sagen. Und plötzlich sagen alle was. und man kommt weiter und hat in einer Woche soviel erreicht wie bei manchen Seminaren über ein ganzes Semester."

    Weitere Infos:
    www.studienstiftung.de/selbstbewerbung.html