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Studieren mit Gesundheitsrisiko

Aus Singapur, Hongkong und Peking kamen in diesem Frühjahr dramatische Nachrichten und Bilder. Männer und Frauen mit weißen Stoffmasken vor Mund und Nase versuchten, sich und andere vor der Ansteckung mit der besonders schweren Lungenentzündung SARS zu schützen. Da niemand genau wusste, wie sie übertragen wird, waren Menschen auf der ganzen Welt in Panik. Skeptiker bemerkten, die Aufregung sei von den Medien mit geschürt worden. Auf jeden Fall aber hat SARS in Asien in diesem Jahr Alltag und Geschäftsleben stark geprägt, und das Thema ist noch nicht vorbei. Die Regierungen verhängten unterschiedlich drastische Maßnahmen – vom Maskenzwang für Neueingereiste in Thailand bis hin zu öffentlich kontrollierter Zwangsquarantäne in Singapur. Ausgerechtet in dieser Zeit absolvierte die Münchner Studentin Diana Diedler ein Gastsemester in Singapur. Der Studentin der Finanz- und Wirtschaftsmathematik gelang es, einen kühlen Kopf zu bewahren:

Nora Hertel |
    Ich fand, in Singapur war diese Panik nicht so groß. Es wurde eigentlich auch immer in der Öffentlichkeit probiert, dass man es heruntergespielt hat. Dass Rundmails geschickt wurden, dass man Treffen hatte, wo darüber gesprochen wurde. Und da wurde einem von Anfang an gesagt, es ist nicht so schlimm, wenn man sich an die Regeln hält, zum Beispiel öfters Händewaschen, oder wenn man in der Stadt war, öfters duschen.

    Dass diese Umstände ihr Gastsemester in Singapur bestimmen würden, hatte sich Diana Diedler so nicht vorgestellt. Mit dem Austauschprogramm LAOTSE war sie von der Technischen Universität München zum Studieren an den Finanz- und Dienstleistungsplatz Singapur gekommen. In dem dichtbesiedelten Stadtstaat ergriff die Regierung besonders strikte Isolierungsmaßnahmen. In einem eigenen SARS - Fernsehkanal konnten die Singapurianer verfolgen, wie Angehörige von Patienten die Isolierung in der Quarantäne bewältigten. Die deutsche Gaststudentin musste ihre Pläne umstellen:

    Dadurch dass ich im Studentenwohnheim gewohnt habe, gab es plötzlich die Auflage, dass ich nicht wieder aus Singapur rausdarf, beziehungsweise, wenn man Singapur verlässt und zurückkommt, dass man nicht wieder im Studentenwohnheim wohnen darf – wegen der Ansteckungsgefahr. Deswegen bin ich dann auch aus dem Studentenwohnheim ausgezogen, weil ich eben auch eine Reise geplant und gebucht hatte. Dann gab s auf einmal von einem Tag auf den anderen nur noch Einweggeschirr in den Kantinen an der Uni. Und so lauter kleine Schikanen.

    Dazu gehörte auch dass Diana Diedler regelmäßig ihre Temperatur per E-Mail einschicken musste. Lästig, aber durch diese Vorsichtsmaßnahmen gelang es Singapur, das Lungenvirus in Schach zu halten. Diana Diedler hat trotz SARS ihr Gastsemester in positiver Erinnerung und will wiederkommen:

    Ich könnte mir auch gut vorstellen, später vielleicht mal in Singapur zu arbeiten, ich habe auch schon mit dem Gedanken gespielt, wieder nach Asien zu gehen, vielleicht mal ein Praktikum in Hongkong zu machen.

    Zu denen, die ihre Pläne wegen SARS ändern mussten, gehört auch Hans-Jürgen Müller vom Bundesverband des deutschen Groß- und Außenhandels in Berlin. Eine geplante Chinareise des Asienexperten wurde von den chinesischen Handelspartnern abgesagt. Während der Güterverkehr weiterhin relativ problemlos lief, waren es vor allem die neuen Geschäftskontakte, die aufgeschoben wurden.

    Eine solche Epidemie befindet sich ja heute im Zeitalter der Globalisierung unter den öffentlichen Augen. In Folge dessen ist auch eine Betroffenheit bei denen, die ganz weit weg sind. Das heißt: Sie werden ihre Reisepläne ändern. Sie werden nicht gerade Einladungen an Chinesen oder Südostasiaten aussprechen. Man fährt den Kontakt runter. Gleichzeitig muss man das Gegenteil sehen: Im Zeitalter von E-Mail, Fax und Telefon lassen sich ja viele Gespräche führen, ohne dass man sich Auge in Auge gegenübersteht.

    Erledigt ist das Thema SARS nicht. Gesundheitsexperten befürchten, dass die Lungenkrankheit im Winter immer wieder ausbrechen wird, ähnlich wie die Grippe. Hans-Jürgen Müller vertraut aber darauf, dass die Behörden, auch in China, aus der ersten SARS- Epidemie gelernt haben und rechtzeitig entsprechende Maßnahmen ergreifen:

    Durch die Übernahme der WHO-Standards, wie man damit umgeht, einschließlich der notwendigen Veröffentlichung, glaube ich schon, dass man davon ausgehen kann, dass es bei einem nächsten Ausbrechen von SARS zu einer wesentlich schnelleren Information, aber auch zu einer wesentlich schnelleren Reaktion kommt.