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Studieren mit synthetischer Stimme

Wer sich mir der Kölner Studentin Kathrin Lemler unterhält, muss sich umstellen: Ihre Antworten kommen schleppend, außerdem klingt ihre Stimme ungewöhnlich. Aufgrund einer Behinderung ist sie beim Sprechen auf die Unterstützung eines Computers angewiesen. Dennoch kann sie unbegrenzt kommunizieren.

Von Jürgen Salm |
    "Ja also, das Kind steht immer so bei der Mutter oder beim Vater dabei ... ."

    Wie sehen Kinderbücher aus für Kinder, die nicht sprechen können? Im Raum F3 der Heilpädagogischen Fakultät haben sich Arbeitsgruppen gebildet, um das herauszufinden. Eine Fachzeitschrift wird weitergereicht, sie hat den Titel: "Unterstützte Kommunikation". Eine Studentin meldet sich zu Wort:

    "Darf ich mal meinen Artikel sehen?

    Hast Du den geschrieben? Aber hier steht nirgends Dein Name! "

    Der Name ist etwas klein geraten, doch der Artikel ist dafür umso länger. Es ist ein siebenseitiger Bericht über eine Fachtagung in Montreal. Thema der Tagung: Wie Menschen, die sich nicht verständlich ausdrücken können, trotzdem miteinander kommunizieren. Die Autorin des Artikels ist Expertin in eigener Sache.

    "Ich heiße Kathrin Lemler und bin 23 Jahre alt. Seit dem Wintersemester 2008 studiere ich an der Universität Köln Erziehungswissenschaften mit dem Schwerpunkt Reha-Pädagogik. Ich möchte später gerne in dem Bereich Unterstützte Kommunikation arbeiten."

    Kathrin ist eine zierliche Person. Sie sitzt in einem Rollstuhl, an dem ein kleiner Computer mit Sprachausgabe montiert ist. Aufgrund einer frühkindlichen Schädigung fällt es Kathrin schwer, ihre Muskeln kontrolliert zu bewegen. Sie kann deshalb weder mit der eigenen Stimme sprechen noch eine Tastatur bedienen. Ihren Computer steuert sie mit den Augen.

    "Diese Augensteuerung funktioniert folgendermaßen: Im unteren Teil des Bildschirms ist eine Kamera eingebaut und verfolgt meine Pupillen. Ich muss einfach eine gewisse Zeit einen Punkt auf dem Bildschirm fixieren und das Feld wird ausgelöst."

    Kathrin wohnt in einem Studentenwohnheim. Für die Bewältigung ihres Alltags ist sie auf Hilfe angewiesen - fünf Assistentinnen wechseln sich dabei ab. Kathrin legt aber Wert darauf, dass sie die Chefin ist - sie sagt, was zu tun und was zu lassen ist. Ihre Entscheidung war es auch, von einer Kleinstadt bei Koblenz nach Köln zu ziehen. Ausschlaggebend dafür war das Forschungs- und Beratungszentrum für Unterstützte Kommunikation an der Kölner Universität.

    Unterstützte Kommunikation, das ist ein Fachbegriff. Er steht für die Förderung von Menschen, die sich aufgrund von Behinderungen nicht oder nicht verständlich ausdrücken können. Beispiele für Unterstützte Kommunikation sind die Verständigung durch Mimik und Gebärden oder eben der Einsatz von elektronischen Kommunikationshilfen. Die Bedeutung dieser Computer mit integrierter Sprachausgabe ist in den vergangenen Jahren enorm gewachsen, meint Stefanie Sachse vom Kölner Forschungszentrum:

    "Die Entwicklungen in den letzten Jahren bedeuten einen großen Fortschritt. Zum einen sind die Stimmen deutlich besser geworden, ein weiterer Schritt nach vorn ist, dass man mit den Geräten zum Teil jetzt sms schicken kann und die mit ins Internet verbinden kann, und das ist natürlich auch sehr, sehr schön, weil das ganz alltagstauglich ist."

    Das Kölner Forschungszentrum für Unterstützte Kommunikation ist eine bundesweit einmalige Einrichtung. In einem gerade abgeschlossenen Projekt zum so genannten Kern- und Randvokabular wurde die Alltagssprache analysiert, um die Benutzeroberfläche von elektronischen Kommunikationshilfen zu verbessern. Auch Kathrin könnte davon profitieren. Zuletzt musste sie sich aber mit ganz anderen Problemen rumschlagen. Da war nämlich wieder einmal das Programm auf ihrem Computer abgestürzt. Plötzlich hatte sie keine Stimme mehr.

    "Meine Stimme war zwei Wochen in Reparatur. Es ist schon komisch, nur mit Unterstützung anderer sprechen zu können. Es ist mir sehr wichtig, dass ich selbständig mit Leuten in Kontakt treten kann. Hierfür ist mein Computer die optimale Unterstützung."