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Studieren ohne Abitur

Und dann ändert sich ja alles. Das Privatleben, der Freundeskreis erweitert sich, die Freizeitaktivitäten liegen ganz anders. Ja das Lernen kommt dazu, was ich ja während der Arbeit nicht hatte, da bin ich morgens um halb acht hingegangen und hatte um fünf Uhr Feierabend. Hier gleicht kein Tag dem andern.

Von Hans-Peter Ehmke |
    Karin Hagedorn hat nicht nur ihren Tagesablauf geändert sondern gleich ihre ganze Lebensplanung. Nach einer kaufmännischen Ausbildung und zwei Jahren Berufstätigkeit hat sie sich noch mal für das Lernen entschieden und ein Studium angefangen. Wirtschaftspädagogik sollte es sein mit dem Ziel Berufsschullehrerin zu werden. Einziges Hindernis: Sie hatte kein Abitur.

    Das Abitur in einer dreijährigen Schule nachzuholen, das stand für mich außer Frage. Die Zeit wollte ich nicht noch mal aufwenden dafür. Da ich schon wusste, das ich im Bereich Wirtschaft bleiben wollte, stand für mich eigentlich schnell fest, Wirtschaftswissenschaft, das soll schon mein Zielgebiet werden. Ja und bin dann übers Internet und über die Volkshochschule an die Z-Prüfung geraten und bin dann so dazu gekommen.

    Die Z-Prüfung ist die für das Land Niedersachsen gültige Zulassungsprüfung. Da die Anforderungen der Z-Prüfung sehr hoch sind, sollten Interessenten unbedingt die Vorbereitungskurse der Volkshochschule und der Universität wahrnehmen. Denn die Durchfallquoten sind in den letzten Jahren gestiegen. Monika Peter, Leiterin des Zulassungsamtes der Universität Oldenburg, beschreibt den Umfang der Zulassungsprüfung:

    Diese Prüfung umschließt mehrere Klausuren. Einmal im allgemeinen Teil eine Deutschklausur oder Textanalyse, die fünfstündig ist, eine mündliche Prüfung zu einem selbst gewählten Thema über fünfzig Minuten. Dann eine dreistündige Klausur in Englisch und eine dreistündige Klausur in Mathe oder in Bio. Und im besonderen Teil müssen sie sich ja für ein Fach entscheiden, dass sie studieren wollen, und in dem Fach wieder eine fünfstündige Klausur und eine fünfzigminütige mündliche Prüfung.

    Interessierte sollten von Anfang an genau wissen was sie studieren wollen. Denn hat man die Prüfungen bestanden, erhält man die Studiererlaubnis nur für das Fach für das man sich beworben hat. Eine weitere Einschränkung: Hat man die Hochschulzulassung auch ohne Abitur zum Beispiel in Niedersachsen geschafft, gilt diese noch längst nicht in den anderen Bundesländern. Ein späterer Studienortwechsel in ein anderes Bundesland ist nur selten möglich. Auch wer zum Beispiel an der bundesweit agierenden Fernuniversität in Hagen studieren will, muss eine für Nordrhein-Westfalen gültige Zulassung erwerben. Egal wo er wohnt.

    Denn jedes Bundesland regelt den Zugang zum Studium für Studierwillige ohne Abitur ganz für sich allein. Für die meisten Regelungen gilt: Voraussetzung ist eine abgeschlossene Berufsausbildung und eine Tätigkeitsdauer in diesem Beruf von zwei bis fünf Jahren. Ansonsten ist die Bandbreite sehr groß: Bayern und Baden-Württemberg sehen sogenannte Begabtenprüfungen vor, die zur allgemeinen Hochschulreife führen sollen. In den meisten anderen Bundesländern gibt es Eignungs- oder Zulassungsprüfungen. Einige wenige Länder wie Schleswig-Holstein oder Bremen machen sogar ein Probestudium möglich.

    Die Zahl der Zulassungen für ein Studium ohne Abitur ist immer noch sehr klein. So sind unter den 4000 Studienanfängern an der Universität Bremen im laufenden Semester gerade mal 30, die ohne Abitur studieren. Besondere Maßnahmen den Zugang vor allem für Berufstätige zu erleichtern gibt es bisher nicht. Und das obwohl diese Gruppe besondere Stärken mitbringt. Dazu Stefan Determann von der Studienberatung der Universität Bremen:

    Zum einen sind diese Bildungswege so umständlich gewesen bis sie dann mal letztendlich an dem Punkt waren, ich kann jetzt studieren, hat sie doch so viel Kraft gekostet, dass diese Leute auch extrem viel Ehrgeiz darein entwickelt haben, dann auch dieses Studium zu beenden. Zum andern kommen solche Menschen aus einem anderen Zusammenhang. Sie haben vorher vierzig Stunden in der Regel gearbeitet pro Woche und sind es gewohnt den Tag sehr strukturiert anzugehen.

    Karin Hagedorn ist jetzt im siebten Semester und möchte sich noch etwas Zeit lassen und sich in aller Ruhe auf das Examen vorbereiten. Denn auch das studentische Leben hat seine Vorzüge:

    Es ist natürlich nicht nur das Studieren, sondern auch das Freizeitleben, was sich wirklich total unterscheidet vom Arbeitnehmerleben.