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Studieren und Kontrollieren

Einen bundesweit wohl einmaligen Studentenjob bieten derzeit die Kölner Verkehrsbetriebe an: Unter dem Motto "Studieren und kontrollieren" suchen sie Nachwuchs-Akademiker, die zweimal pro Woche als Ticket-Kontrolleure in Bussen und Bahnen mitfahren. Schon seit zwei Jahren gibt es bei der KVB solche Stellen, und noch bis Ende des Monats läuft die aktuelle Bewerbungskampagne.

Von Armin Himmelrath |
    "Guten Abend, einmal den Fahrausweis bitte."

    "Habe keinen – ich auch nicht."

    "Das ist schlecht. Ihr seid Schüler, habt ihr ein Schülerticket? Nein? Dann brauch ich einmal die Personalien bitte…"

    Sonntagabend, kurz nach 18.00 Uhr. Drei jungen Frauen sind in die Straßenbahnlinie 13 in Köln eingestiegen. Kurz nachdem der Zug die Haltestelle verlassen hat, stehen sie plötzlich auf, zücken ihre Dienstausweise und kontrollieren die Tickets. Und sie werden auch ganz schnell fündig.

    " Sagt mir, wie heißt er? Gut, dann fahrt ihr beide mit. Nee, ihr habt keine Ausweise. Woher will ich wissen, dass das, was du aufgeschrieben hast… Nee, kannst du nicht. Ich habe das Recht, dich festzuhalten, bis deine Personalien feststehen. "

    Die beiden erwischten Jugendlichen, die sich nicht ausweisen können oder wollen, müssen an der nächsten Haltestelle mit raus und auf die Polizei warten. Ein anderer Fahrgast kann dagegen weiterfahren – er hat seinen Personalausweis gezückt und das Einzahlungsformular über 40 Euro ohne Proteste entgegengenommen.

    "Ärgern sie sich jetzt?"

    "Nö."

    "Das ist das Risiko, dass sie erwischt werden?"
    "Natürlich."

    "Erste Mal, dass sie erwischt werden? "

    "Ach Quatsch. Ich wohne schon länger in Köln, und früher bin ich mehr Schwarzgefahren. Letzte Zeit eigentlich nicht. Aber grad kein Kleingeld gehabt. "

    "Kein Unrechtsbewusstsein? "

    "Nö. Zu teuer! Natürlich, ist schon wieder teurer geworden. Zwei Euro ist echt viel Cash, ne. "

    Zwei Lehramtsstudentinnen der Uni Köln und eine angehende Sozialarbeiterin von der Fachhochschule Köln bilden das heutige Dreierteam. Ihren Namen, sagt eine 23-jährige Kontrolleurin, will sie lieber verschweigen.

    "Weil den einfach niemanden etwas angeht und ich, wenn ich nicht arbeite, weiter ein ganz normales Privatleben haben will und nicht von irgendwelchen Leuten angesprochen werden will. Erkannt wird man eh oft genug in der Freizeit – dass Leute aussteigen, wenn sie einen sehen. Man kriegt oft Sitzplätze in den Bahnen und Bussen, das ist ganz angenehm. Aber mein Name geht einfach niemanden überhaupt etwas an. "

    Nicht alle Studenten, die von den Kölner Verkehrsbetrieben als Kontrolleure eingesetzt werden, teilen diese Bedenken. Özgüd etwa, der Betriebswirtschaft studiert und hundertprozentig zu seiner Arbeit als Kontrolleur steht.

    "Leider haben wir diesen im Volk unbeliebten Job, aber irgendjemand muss ihn ja machen, und so schlecht ist es eigentlich nicht. "

    Zehn Euro gibt’s pro Stunde, außerdem Nachtzuschläge für die Kontrollfahrten am Abend sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Und wer als Kontrolleur eingestellt wird, erhält einen Vertrag für zwei Jahre, in denen er jede Woche bis zu 20 Stunden arbeiten kann. Damit lässt sich ein Studium eigentlich vollzählig finanzieren.

    "Jetzt nehmen wir die 3 oder die 4, Richtung Ollenhauerring, sprich: Richtung Bocklemünd. Dann werden wir halt uns taktisch positionieren, und halt drauf warten, bis die Bahn losfährt. Und wenn wir über der Brücke sind, werden wir auch anfangen zu kontrollieren, weil das halt eine weite Strecke von einer Haltestelle zu der anderen ist. "

    Im Wagen zieht Özgüd einen kleinen Computer aus der Tasche.

    "So, jetzt tipp ich hier die Wagennummer ein, ich versuch es natürlich sehr unauffällig zu machen. Aber leider – die meisten erkennen uns, und rennen auch direkt von der Bahn fort. Na ja. Ich meine, das kann man ja nicht verhindern. Wir sind ja auch keine Unmenschen. "


    Überraschungen gibt es in diesem ungewöhnlichen Studentenjob immer wieder, sagt Özgüds Kollegin mit der Dienstnummer FP 922:

    "Einmal wäre ich fast in Ohnmacht gefallen. Da hab ich im Bus kontrolliert ganz hinten, und da saß ein Fahrgast, der sich nicht ausweisen wollte, wahnsinnigen Aufstand gemacht hat, und mich nicht gut verstanden hat – ich weiß nicht, welche Nation das war. Er konnte mich also nicht wirklich verstehen. Und irgendwann hat er sich dann vor mich hingestellt und hat dann irgendwann gesagt: Ja, wir klären das jetzt anders. Und greift in seine Tasche. Da hab ich gedacht, wenn da jetzt ein Messer oder eine Pistole oder irgendwas kommt, ich falle in Ohnmacht, und der kann aussteigen, ohne dass irgendwas ist. Tatsächlich hat er sein Handy rausgeholt, um einen Bekannten anzurufen, der dolmetscht. Aber nach dem ganzen Verhalten vorher habe ich da nicht mit gerechnet, dass es so was Nettes ist. "

    An diesem Abend sind die drei Studentinnen ziemlich erfolgreich: Rund 15 Schwarzfahrer haben sie in den ersten vier Stunden erwischt, zweimal allerdings musste die Polizei kommen, um die Personalien von Fahrgästen aufzunehmen. Und ein paar hingezischte Beschimpfungen für die Kontrolleure gab es auch. Alles in allem ein ganz normaler Sonntagabend für die Studentinnen und Studenten.

    "Guten Abend, die Fahrausweise bitte. "

    Informationen:
    Hier können sich interessierte Studierende für den Job als Fahrgast-Kontrolleur bewerben:
    Kölner Verkehrsbetriebe