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Studieren zwischen Bergen und Banken

Siegfried Weinmann hat das, was man einen "Traum-Arbeitsplatz" nennt: Wenn er aus seinem Büro im zweiten Stock einer supermodern umgebauten ehemaligen Textilfabrik schaut, dann sieht er schneebedeckte Berge. "Fachhochschule" Liechtenstein stand noch bis heute morgen über der Eingangstür. Nun liest Siegfried Weinmann, der dort das Institut für Wirtschaftsinformatik leitet, "Hochschule Liechtenstein":

Von Thomas Wagner | 23.02.2005
    Wir nennen unsere Hochschule und meinen damit eine universitäre Hochschule. Das heißt, es ist eine Verknüpfung von einer Universität mit einer Fachhochschule - und wir wollen von beiden Seiten das beste.

    Das heißt: Die Ausbildung in den drei Studiengängen "Architektur", "Wirtschaftsinformatik" und "Betriebswirtschaft" verläuft sehr praxisorientiert, so wie beispielsweise an den deutschen Fachhochschulen. Andererseits legt die Hochschule Liechtenstein größten Wert auf internationale Verbindungen; mittlerweile bestehen Kontakte zu Hochschulen aus 60 unterschiedlichen Ländern. Dass Studenten aus Liechtenstein gemeinsam Projekte mit anderen Studenten weit weg angehen, ist fester Bestandteil des Studienplans. Klaus Näscher, seit 20 Jahren Rektor der Hochschule Liechtenstein:

    Zum Beispiel haben wir die University of East London, dann die Universität von Stockholm, dann Delft in Holland und Riga in Estland. Der Hauptgrund ist sicher, dass die Studierenden lernen, mit Studierenden anderer Länder ein Thema zu bearbeiten. Hier haben wir verschiedene Hemmnisse, sei es die Sprache, das Ganze geschieht in Englisch, dann ist die Herangehensweise methodisch an verschiedene Themenstellungen, zum Beispiel in der Architektur haben wir hier sehr gute Erfahrungen gemacht, dass verschiedene kulturelle Unterschiede und Herangehensweisen die Studierenden dieser verschiedenen Hochschulen sehr befruchten und auch beeinflussen.
    Solche länderübergreifenden Projektarbeiten kennt man eher aus den Universitäten. Doch nicht nur deshalb versteht sich die 'Hochschule Liechtenstein' knapp unterhalb einer klassischen Uni. Als eine der ersten Hochschulen im deutschsprachigen Raum hat Liechtenstein den Bologna-Prozess bereits 1999 durch eine Neugliederung des Studienangebotes und durch das Angebot von Bachelor- und Mastertudiengängen in allen Fachrichtungen konsequent umgesetzt. Rektor Klaus Näscher:

    England hat diese Entwicklung 1992 bereits vorweggenommen, so sie die eher praxisorientierten Hochschulen und die klassischen Universitäten in 'Universities' zusammenführten.

    500 Studentinnen und Studenten sind an der Hochschule Liechtenstein eingeschrieben, die damit im internationalen Vergleich eher eine 'Mini-Hochschule' ist. Das bedeutet aber auch: Kleine Gruppen in der Lehre und bessere Arbeitsbedingungen. Emmanuell Tobler aus Appenzell studiert in Liechtenstein Architektur im dritten Semester:

    Hier haben wir ein großes Atelier in der alten Fabrik drinnen, und hier hat jeder seinen eigenen Arbeitsplatz. Das gibt es in Basel zum Beispiel überhaupt nicht. Das ist ein Hochhaus und kleine Räume, die von allen Studenten benutzt werden. Da hat man keinen festen Arbeitsplatz. Hier hat man einen, wo man jederzeit hingehen kann und seine Sachen ausbreiten kann.

    Dafür werden allerdings Studiengebühren fällig; 750 Schweizer Franken pro Semester, knapp 500 Euro. Doch damit liegt die Hochschule Liechtenstein im Durchschnitt der benachbarten Schweiz. Ein klein wenig versteht sie sich auch als Kaderschmiede für den Finanzdienstleistungsplatz Liechtenstein, der nach wie vor als einer der größten Steueroasen Europas gilt. So wird innerhalb der Fachrichtung Betriebswirtschaft auch der Master-Studiengang "Finanzdienstleistungen" angeboten. Werden hier die Schwarzgeld-Makler von morgen und übermorgen ausgebildet ? Das weist Rektor Klaus Näscher weit von sich:

    Genau das Gegenteil: Wir möchten damit auch bezwecken, dass eine neue Qualität hineinkommt und diese Qualität auch nach außen abgebildet wird. Ich denke, heutzutage sind das Vorurteile. In den letzten fünf, sechs Jahren ist sehr viel in Liechtenstein bewegt worden, und diese Maßnahme, sind die Aus- und Weiterbildung, in die Forschung zu investieren, auch in die Finanzdienstleistungen, ist einer der Ausdrücke davon.

    Wer will, kann in Liechtenstein sogar promovieren. Hier bietet die Hochschule ein Kooperationsmodell mit Partneruniversitäten an. Regelmäßig kommen von dort Dozenten ins Fürstentum , die dann auch als Doktorvater zur Verfügung stehen. Gleichwohl studiert es sich in dem beschaulichen Fürstentum mit seinen gerade mal 30 000 Einwohnern doch ein wenig anders als beispielsweise in Münster, München oder Zürich. Statt zünftiger Abende in Studentenkneipen bleibt da nur der Blick auf verschneite Berge im Winter und grüne Almwiesen im Sommer. Architekturstudent Emanuel Tobler:

    Das Studentenleben, wenn es denn stattfindet, dann ist es hier in der Schule. Wir haben seit neuestem eine kleine Bar eingerichtet, die dann von den Studenten je nach dem vielleicht einmal in der Woche oder zwei Mal in der Woche betrieben wird. Aber ansonsten, so weggehen und so, das ist hier nicht so gut möglich. weil die größeren Städte sind vielleicht Chur oder St. Gallen. Aber das ist zu weit weg.