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Studieren zwischen Wald und Fels

Ihre Design-Kunst ist in Ausstellungen weltweit gefragt. Die in der globalen Kunstszene angesagten Absolventen des Studiengangs "Edelstein- und Schmuck-Design" der FH Trier nehmen allerdings für ihr Masterstudium jahrelange Einsamkeit in Kauf: Der Studiengang ist in Idar-Oberstein angesiedelt.

Von Ludger Fittkau |
    Aus der Goldschmiede dringen fröhliche Geräusche in den Flur des Fachbereichs "Edelstein-und Schmuck-Design" der Fachhochschule Trier in Idar-Oberstein. An der Wand neben der Tür hängt die Tafel, auf der normalerweise Lehrveranstaltungen angekündigt werden. Jetzt hängt da ein D-A4-Zettel, auf dem ein Goldschmied, der aus Altergründen aufhören will, den Studierenden Werkzeug anbietet:

    Einen Goldschmiedetisch für 50 Euro, eine Poliervorrichtung soll 100 kosten oder 150 Stück kleine Feilen, Bohrer, Fräsen und Polierräder sind schon für 30 Euro zu haben.

    In der traditionsreichen Edelstein-Stadt Idar-Oberstein im Nahetal ist alles zu bekommen, was Schmuck-Designer, die mit Edelsteinen arbeiten, brauchen. Das bringt Xavier Moreno aus Barcelona dazu, nach seinem hier gerade abgeschlossenen Studium vorerst hier zu bleiben:

    "Im Moment bleibe ich noch ein bisschen hier. Ich finde es super, dass man hier in Idar-Oberstein sehr einfach Steine und Maschinen und alles kaufen kann, so ich weiß auch noch nicht, ich muss überlegen."

    Drinnen in der Goldschmiede packt Tabea Reulecke vorsichtig drei etwa fingergroße Marionetten aus Papier aus.

    "Das ist jetzt Emaille auf Kupfer und das sind kleine Körper, die auch beweglich sind. Für mich muss sich ein Schmuckstück auch bewegen können, es muss nicht nur starr am Körper hängen."

    In renommierten Galerien in Amsterdam oder Brüssel sind die Figuren Tabea Reuleckes gefragt, im Juni hat sie eine Ausstellung in der Münchener Galerie Wittenbrink. Tabea Reulecke ist Absolventin des Edelstein-Design-Studiengangs in Idar-Oberstein. Sie ist nun selbstständige Künstlerin und gleichzeitig als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der FH für die Goldschmiede verantwortlich.

    Lisa Grüber arbeitet hier gerade an ihrer Diplomarbeit. Nicht mit Gold, sondern mit Wachs.

    "Mein Thema ist 'Der Worte letzte Orte, mit Gedichten in Wachs in Schmuck.'"

    Auf etwa esslöffelgroße, ovale Wachsflächen, die zu einer Halskette verbunden werden sollen, hat Lisa Grüber filigrane Schriftzüge aufgetragen, die sie später mit Glas abdecken wird. Die Schrift ist nicht zu entziffern:

    "Das ist meine eigene Schrift, auch meine eigenen Gedichte. Und weil das sehr persönliche Gedichte sind, war mir wichtig, dass das nicht jeder lesen kann, aber das die Spur von etwas Geschriebenem zurückbleibt."

    Lisa Grüber stammt aus der Gegend von Koblenz. Einsam sei es manchmal in der etwas abgelegenen Edelsteinregion Idar-Oberstein im oberen Nahetal, die gut anderthalb Autostunden von der nächsten Metropole Frankfurt am Main entfernt liegt:

    "Schwierig. Was fehlt ist halt der Bezug zu anderen Kunstrichtungen, was das Studium angeht, wir alle haben eigentlich ein Interesse an Kunst und Design und das kommt halt hier ein bisschen zu kurz, weil es keine Ausstellungen gibt, keine Veranstaltungen, auch nicht so ein großes Kulturangebot und das ist, gerade wenn man in der Richtung was studiert, ein bisschen schade."

    Während in Idar-Oberstein vor allem die praktische Arbeit mit den Edelsteinen und anderen Materialien im Vordergrund steht, verbringen die Design-Studenten künftig ein Jahr lang in Trier. Dort werden technische und wissenschaftliche Grundlagen für die spätere Design-Spezialisierung vermittelt. Der Niederländer Theo Smeets, Professor für Schmuckdesign in Idar-Oberstein:

    "Da ist Kunstgeschichte drin, da kann Zeichnen drin sein, da ist viel Computer mit drin. Ist eigentlich wie so eine Art Basisjahr, kann man sagen. Und dann gibt es noch ganz konzentriert in Idar-Oberstein Edelstein- und Schmuckdesign."

    Smeets ist einer von drei Professoren, die zurzeit 40 Studierende betreuen. Er erklärt, warum die Fachhochschule Trier den Standort Idar-Oberstein dringend braucht:

    "Wenn man in Idar-Oberstein in eine Rohstein-Großhandlung kommt, dann müssen sie sich vorstellen, da hat es einen großen Innenhof und der steht voll mit alten Ölfässern. Und all diese Ölfässer sind randvoll gefüllt mit Steinen. Da gibt es nicht nur ein Fass Bergkristall, sondern da stehen fünf Fässer nebeneinander in unterschiedlicher Qualität. Und da wird die Steinware kiloweise verkauft."

    Gerade für Studierende, die viele Edelsteine zum üben brauchen, ist das eine wichtige Quelle. Für Xavier Moreno aus Barcelona und die ursprünglich aus dem hessischen Wetzlar stammende Tabea Reulecke wiegt das die Einsamkeit mitten in Rheinland-Pfalz locker auf:

    "Es ist gut, auch am Wochenende ein bisschen rauszugehen mit Freunden. Aber fürs Arbeiten finde ich es super."

    "Ja, das ist wie eine kleine Oase, man wird nicht beim Studieren abgelenkt. Und wie Xavier schon gesagt hat, wenn man abends weggehen will, dann fährt man auch mal nach Frankfurt oder nach Mainz oder nach Trier."