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Studierende mit Beratungsbedürfnis

Seit dem Urteil aus Karlsruhe sind Studierende verunsichert: Sie wissen nicht, was sie in Zukunft an Studiengebühren erwartet. Zwar wollen viele Bundesländer gebührenfrei bleiben, doch in Bayern, Baden-Württemberg und Hamburg gibt es schon konkrete Pläne. Das Deutsche Studentenwerk veranstaltet deshalb an diesem Wochenende ein Seminar in Köln, bei dem der künftige Umgang mit Studiengebühren Thema ist.

Von Britta Mersch | 29.01.2005
    Knapp zwanzig Studentenvertreter sitzen jetzt in Köln-Deutz zusammen. Sie sind extra aus Clausthal, Potsdam oder Darmstadt gekommen, um mit Vertretern des Deutschen Studentenwerks, des Centrums für Hochschulentwicklung und Kommilitonen über den Umgang mit Studiengebühren zu diskutieren. Denn an ihren Hochschulen müssen sie nach dem Urteil in Karlsruhe eine Menge Fragen beantworten: Mit welcher Höhe von Gebühren müssen wir rechnen? oder: Wie finanzieren wir uns demnächst überhaupt? Christiane Schmidt vom Paderborner AStA leistet an ihrer Uni seit Mittwoch massive Aufklärungsarbeit:

    Da macht sich Ratlosigkeit breit. Ich werde gefragt, was heißt denn das genau, viele haben noch nicht mal verstanden, was es heißt, dass Gebührenverbot wurde gekippt, also man hat das Gegenteil angenommen. Wo ich dann halt übersetzen muss, nein, allgemeine Studiengebühren sind jetzt möglich.

    Wie Studenten weitere Kosten von fünfhundert Euro oder mehr pro Semester bewältigen sollen, wissen sie nicht. Denn schon jetzt leben viele mit einem geringen Budget. Die Kölner Anglistikstudentin Christina Kasten etwa muss im Monat mit rund 700 Euro auskommen. Davon zahlt sie Miete, Bücher und Lebensmittel. 500 Euro Studiengebühren wären für sie eine enorme Belastung.

    Wahrscheinlich fällt das Studium dann von dem her flach, weil ich jetzt schon 25 bin, ich bin im 1. Semester und hab mir eigentlich vorgenommen, ich mach das Studium und dann zieh ichs auch durch und wenn das heißt, ich muss dafür bezahlen, dann muss ich mehr arbeiten und dann kann ich das Studium nicht so schnell durchziehen, wie ich mir das vorgestellt hab und dann ist natürlich die Frage, ob ichs dann überhaupt noch machen kann, klar.

    Schon jetzt sind die Lebenshaltungskosten für Studenten hoch. In Frankfurt am Main benötigen sie rund 800 Euro pro Monat. München, Hamburg und Düsseldorf liegen knapp darunter, so eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft. Zusätzlichen Studiengebühren wären für viele ein Grund, das Studium aufzugeben, befürchtet Christoph Ripp vom Kölner AStA:

    Also ich denke mal, einige werden gar keine Möglichkeiten mehr haben, die müssen dann ihr Studium abbrechen, das sind ja Mehrbelastungen von 80 bis 200 Euro pro Monat, wer mehr arbeiten gehen muss, muss wieder länger studieren, auch das ist ja widersprüchlich zu dem, was man eigentlich will und ich denke auch, einige werden auch gar keine Möglichkeit haben, das dann zu machen...

    Immerhin versprechen die Wissenschaftsminister, die Studiengebühren einführen wollen, dass die Modelle sozial verträglich ausfallen sollen. Klare Forderungen an die Länder gibt es darüber schon von verschiedenen Seiten, unter anderem von Achim Meyer auf der Heyde, Leiter des Deutschen Studentenwerks.

    Dafür gehört für uns, dass Bafög-Empfänger freigestellt werden von Studiengebühren, dazu gehört für uns, dass in Hinblick auf mögliche Studiengebühren auch eine der Leistungsfähigkeit entsprechende Stufung vorgenommen wird, also möglicherweise ein Stufenmodell von Studiengebühren und dazu gehört für uns, dass die Länder die Stipendien und Finanzierungsmodelle, die sie in Aussicht gestellt haben, diese jetzt auch zügigst entwickeln und umsetzen.

    Hamburgs Wissenschaftssenator Jörg Dräger etwa plant, ein bundesweit gültiges Darlehensmodell zu entwickeln. Dafür soll die Kreditanstalt für Wiederaufbau Studierenden zinsgünstige Darlehen zur Verfügung stellen. Die genauen Bedingungen sind noch nicht klar. Beim Seminar in Köln äußern sich die Studierenden dem gegenüber skeptisch. Jura-Student Heiner Fechner aus Potsdam:

    Ich habe genau die Befürchtung, dass das Darlehen die Gruppen, die man eigentlich an den Hochschulen haben will, dass Darlehen diese Leute abschrecken und wenn ich mir überlege, dass ich mit 30, 40.000 Euro am Ende meines Studiums mit Schulden da stehe, dass ich mir dann dreimal überlege, ob ich ein Studium aufnehme, wenn meine Eltern nicht im Hintergrund stehen und sagen, wir bezahlen dir das schon.

    Im Moment bekommen Studierende ohnehin keine klaren Informationen darüber, wie die Finanzierungsmodelle konkret aussehen sollen – denn in jedem Bundesland ist die Situation anders. Mal wird über Stipendienmodelle diskutiert. Dann wieder will Baden-Württemberg nachträglich kassieren, wenn die Studierenden nach dem Studium einen Job bekommen haben. Torsten Bultmann vom Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler informiert die Studierenden an diesem Wochenende in Köln über konkrete Auswirkungen des Urteils auf die Hochschulen. Seine Zukunftsvision:

    Also, der Student von morgen plant sein Studium, etwas zugespitzt formuliert, wie eine Investition unter einem künftigen Refinanzierungsaspekt plus Zinsen, der dann gewissermaßen auf dem Arbeitsmarkt wieder reingeholt wird. Die fachlichen Inhalte, oder auch die eigene intellektuelle Neugierde, die eigene Lust, gewissermaßen, Probleme zu erkennen und zu bewältigen, rückt dem gegenüber tendenziell eher an die zweite Stelle.

    Von Studentenwerken und AStA-Vertretern muss da noch viel Beratungsarbeit geleistet werden.