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Studierte Erzieherin

Bei der frühkindlichen Bildung ist Deutschland eines der wenigen Länder in Europa, in dem Erzieherinnen und Erzieher bislang keinen Hochschulabschluss brauchen. Daran wird sich zumindest kurzfristig auch nichts ändern, aber zumindest bieten mittlerweile einige wenige Hochschulen auch Studiengänge für frühkindliche Pädagogik an. Für Erzieherinnen aber, die schon länger im Beruf sind, gibt es bislang nur einen berufsbegleitenden Studiengang: an der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit in Dresden.

Von Hanno Griess | 03.01.2007
    Von den etwa 35 Studierenden im Ethik-Seminar an der evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit sind einige bereits in der Mitte ihres Berufslebens angekommen. Sie haben im täglichen Leben mit Kleinkindern zu tun und das schon seit mehreren Jahrzehnten. Und sie sind die ersten, die seit September "Elementar- und Hortpädagogik" studieren. Für die Blockveranstaltungen müssen Sie sich in ihrer Kindertagesstätte vertreten lassen. Sie habe - so wie sie es einmal gelernt hatte - ihre Hort früher vor allem als Betreuungseinrichtung begriffen, sagt die 47-jährige Studentin Monika Foß:

    " Ursprünglich gelernt haben wir: Schlag das Buch auf, such für das Alter der Kinder die entsprechende Aufgabe, das musste die dann lösen. Jetzt ist das mehr ein Suchen und Finden, man beobachtet Kinder, merkt, wofür haben sie Interesse, und lässt die Kinder dann selbständig arbeiten. "

    Mit ihren bisherigen Methoden sei sie besonders nach dem Ende der DDR an Grenzen gestoßen, sagt Foß. Die Kinder hätten sich seitdem schneller verändert als sie selber:

    " Es ist im Prinzip nach der Wende ein Punkt aufgetreten, man ist früh auf Arbeit gegangen, hat seinen Tagesablauf mit den Kindern verbracht, und hat irgendwo gemerkt, hier fehlt was, hier geht's nicht weiter. Haben nach außen Fragen gestellt, was kann man anders machen. Jetzt haben wir ausprobiert, funktioniert es in der Gruppe oder funktioniert es nicht, also das geht jetzt mehr im Selbstversuch. "

    Der neue Studiengang Elementar- und Hortpädagogik kam für manchen Studierenden wie gerufen. Er soll praktische Defizite mit wissenschaftlichen Erkenntnissen ausgleichen, sagt Prof. Holger Brandes vom Institut für frühkindliche Bildung. Zwei Faktoren hätten sich fundamental geändert. Zum einen seien schon Kleinkinder heute wesentlich selbständiger als vor 20 Jahren, und zum anderen würden Kindertageseinrichtungen heute zunehmend als Bildungseinrichtungen begriffen. Und weil sich die Voraussetzungen für den Erzieher-Beruf geändert haben, müsse das Qualifikationsniveau der Erzieherinnen dringend gehoben werden müsse, so Brandes:

    " Dass die Situation, die wir in Deutschland haben, dass wir mit Slowenien und Österreich die einzigen Länder sind in Europa, die kein Hochschulstudium voraus setzen, dass diese Situation nicht mehr haltbar ist, dass wir eine Hochschulausbildung brauchen. "

    Und das entscheidende sei, diejenigen zu erreichen, die bereits lange im Beruf stünden, ergänzt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Ina Schenker. Noch immer ginge es in den meisten Kitas nach Schema F zu. Kinder sollten nicht mehr nur Angebote und Vorgaben gemacht werden, sondern statt dessen zum selber denken angeregt werden:

    " Das Paradigma des selbständig lernenden Kindes erfordert von den Erzieherinnen, dass sie ne völlig andere Rolle einnehmen als vor zehn Jahren. Die denken zum Beispiel: jetzt ist Herbst, jetzt müssen Kinder alles über den Herbst lernen. Da werden Blätter gebastelt und da werden Lieder gesungen, und was wir machen ist, dass Erzieherinnen gucken, an welchen Themen lernt das Kind selber. Den Waschraum unter Wasser setzen, indem sie einfach experimentieren und schauen, was kann ich mit Wasser alles machen. Und das ist eine veränderte Herangehensweise, das eher da geschaut werden muss, wie kann ich die Themen der Kinder unterstützen? "

    Solche Veränderungen werden in Sachsen von der Politik unterstützt - das Land hat festgelegt, dass in Kitas mit mehr als 70 Kindern die Leiterin künftig eine Hochschulausbildung haben muss. Das aber auch durchzusetzen, sei schwierig, gibt Monika Foß zu. Der Altersdurchschnitt bei Erziehern und Erzieherinnen sei relativ hoch, und mancher tue sich doch etwas schwer, die eigenen bisherigen Methoden grundlegend zu hinterfragen:

    " Mir wäre es wichtig, diese neue Sachen - warum spielt das Kind? - an die Mitarbeiter zu bringen. Wo ich jetzt zur Zeit an Grenzen stoße, die sagen, lass mich mit deinem Mist in Ruhe, aber wenn man das dann in Teamgesprächen bespricht, dann denke ich, sagt der eine oder andere, das probiere ich mal aus, da muss doch was dran sein. "