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Studium europaweit

Der Bologna-Prozess an den Hochschulen nimmt weiter Fahrt auf: Im kommenden Sommersemester werden knapp 3.000 Studiengänge in Deutschland als Bachelor oder Master angeboten. Nur ein Viertel davon hat allerdings den offiziellen Stempel, also die so genannte Akkreditierung. Ein Problem: Viele Hochschulen tun sich noch schwer, die Leistungen anderer Hochschulen anzuerkennen. Seit Jahren schon arbeiten Experten an einem System, wie man bewerten kann, was ein Studierender gelernt hat und wie das in ein Punktesystem gebracht werden kann. In Bremen haben sich die Bildungsplaner zu diesem Thema jetzt für zwei Tage getroffen.

Von Folkert Lenz |
    Jeder Studierende in Europa soll problemlos die Hochschule wechseln können, kann ohne Probleme im Ausland weiter lernen, erhält vergleichbare Scheine. So das Idealbild - zumindest für die Zukunft. Doch bis dahin scheint es für viele Hochschulen noch ein weiter Weg zu sein. Es gibt zwar schon länger ein Verrechnungssystem, mit dem die Anerkennung von Studienleistungen im Rahmen von internationalen Austauschprogrammen geregelt wird - die so genannten ECTS-Punkte. Das neue einheitliche Leistungspunktsystem muss aber mehr leisten.

    Wie 32 weitere Hochschulen bastelt auch die Hochschule Bremen mit daran. Es soll widerspiegeln, wie viel Arbeit ein Studierender für seinen Schein wirklich aufbringen muss, sagt Professor Gerhard Wenke vom Studiengang Elektrotechnik.

    Dabei entspricht ein Leistungspunkt zirka 25 bis 30 Stunden Arbeit. Das umfasst die Anwesenheitszeit in der Veranstaltung. Das umfasst aber auch die Vor- und Nachbereitungszeit, die Labortätigkeit, die Vorbereitung auf die Prüfung. In der Summe kann man sagen, dass eine Orientierung erfolgt an dem Aufwand, den der Studierende zu leisten hat.

    Vorbei sind also die Zeiten, in der die Semesterwochenstunden das Maß aller Dinge waren. Für das reine Absitzen von Seminaren gibt es bei den neuen Bachelor- und Masterscheinen nur noch wenige Punkte. Wer nebenbei aber noch lesen oder experimentieren muss, wird mit mehr Punkten, den so genannten Credits, belohnt.

    Die Semesterwochenstunde würde nur - in diesem System - den Aspekt der Präsenzzeit umfassen. Das heißt, die reine Anwesenheitszeit in einer Lehrveranstaltung. Der Studierende hat aber darüber hinaus einen hohen Aufwand, und die Leistungspunkte erfassen den gesamten Arbeitsaufwand. Worauf man sich geeinigt hat im Rahmen des Bologna-Prozesses sind 1800 zumutbare Arbeitsstunden des Studenten pro Jahr.

    Das macht etwa eine 35-Stunden-Woche. Im Schein soll aber nicht nur der Arbeitsaufwand bestätigt werden, sondern auch das, was in Seminar, Vorlesung oder Praktikum wirklich gelernt wurde. So weiß ein Professor an einer Hochschule im In- oder Ausland sofort, ob die Lehreinheit auch in seinen Studiengang passt und was er beim Absolventen voraussetzen kann.

    Doch nicht nur die Lernenden, sondern auch die Hochschulverwaltungen müssen sich umstellen. Bei der Fachtagung in Bremen diskutieren die Experten darüber, wie sie die neuen, international ausgerichteten Studiengänge designen können, damit das System durchlässiger wird, die Studierenden leichter wechseln können - zwischen den Hochschulen, aber auch den Fächern.

    Die Universität Oldenburg hat probeweise ihren Informatik-Studiengang neu gestaltet und in gleich große Lernhäppchen zerlegt. Sechs Credits gibt es für jedes Studienmodul, berichtet Hans Fleischhack:

    Es hat vor Allem Vorteile für neue, interdisziplinäre Schwerpunkte oder Studiengänge: Jetzt können auch viel leichter zwischen verschiedenen Fächern solche Lehrveranstaltungen ausgetauscht werden. Also zum Beispiel bei den Informatikern Veranstaltungen in der Betriebswirtschaft belegt werden oder Physik und Biologie. Und natürlich umgekehrt. Das wird wesentlich einfacher. Früher waren die doch sehr ungleichgewichtig.

    Vier Jahre lang haben die Oldenburger diese Modularisierung in ihrem Bachelor-Studiengang getestet - mit Erfolg, wie Hans Fleischhack findet:

    Die Modularisierung hat dazu geführt, dass Studierende sich im Studium leichter orientieren können, weil das besser durchstrukturiert und durchorganisiert ist. es hat zusätzlich auch dazu geführt, dass Zwischenexamina eher abgelegt werden. Da ist es tatsächlich so, dass das Vordiplom ein bis zwei Semester früher abgelegt wird als vorher.

    Die Experten versuchen jetzt, die Beschreibung von Lehrveranstaltungen so zu vereinheitlichen, dass die Immatrikulationsämter ohne große Probleme beurteilen können, ob und in welcher Form sie Studienleistungen anerkennen. Aber dazu ist noch Feinarbeit nötig.