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Studium Generale

Wir hatten hier einen Kurs, der sozusagen einmal verschiedene Themenpunkte angesprochen hat, also beispielsweise, wie stellt man sich richtig vor, oder wie sind bestimmte Anreden in hochoffiziellen Briefen, wie ist es überhaupt mit Anreden, wenn beispielsweise ein Botschafter kommt und diese Dinge wurden dort erörtert.

Reiner Scholz | 26.11.2002
    Wir hatten hier einen Kurs, der sozusagen einmal verschiedene Themenpunkte angesprochen hat, also beispielsweise, wie stellt man sich richtig vor, oder wie sind bestimmte Anreden in hochoffiziellen Briefen, wie ist es überhaupt mit Anreden, wenn beispielsweise ein Botschafter kommt und diese Dinge wurden dort erörtert.

    Der Knigge-Kurs über das gute Benehmen, von dem Holgar Raulf hier spricht, ist keineswegs ein Workshop für höhere Töchter. Er steht auf dem "Studium-Generale"-Lehrplan der "Bucerius-Law-School" in Hamburg, einer privaten Hochschule für angehende Juristen, der einzigen ihrer Art in Deutschland.

    Das Thema "Benimm" ist dort allerdings nur ein Nebenaspekt:

    Wir haben verschiedene Lernfelder sozusagen und wir haben Veranstaltungen, die mehr auf soziale Fähigkeiten ausgerichtet sind, Veranstaltungen, die irgendwie, wie macht man ein Referat, kommunikative Fähigkeiten allgemein, andere Sachen sind dann mehr auf Kultur ausgerichtet, dann haben wir politische Vorträge, auch Geschichte ist viel dabei, also für jeden etwas, womit er sich beschäftigen möchte.

    Myriam Lemke studiert im dritten Trimester an der "Bucerius Law School". Morgens, mittags, abends Jura, da freut sie sich auf den Mittwochnachmittag mit dem "Studium Generale" und der anschließenden Auswertung in lockerer Runde:

    Im Anschluss an ein Studium-Generale-Nachmittag haben wir meistens eine Veranstaltung, die heißt dann "Brezel und Wein" und da wird dann ein bisschen Small-Talk gemacht und dass übt ungemein, man stellt es wirklich fest, dass man es lernt, auf bestimmte Themen einzugehen und mit den Menschen darüber zu reden und seine eigene Meinung sich trauen zu formulieren.

    "Studium Generale" – dieser Begriff hat im Deutschen einen besonderen Klang. Es waren die Neuhumanisten unter Willhelm von Humboldt, die Anfang des 19. Jahrhunderts postulierten, Bildung habe nach griechischem Vorbild die Aufgabe, alle Kräfte des Menschen zu entwickeln.

    Heute sind die Ziele bescheidener. Unter "Studium Generale" wird häufig nicht mehr verstanden als der Versuch, über den Tellerrand engen Spezialistentums hinauszublicken. Für viele Studenten, wie auch für Annalena Lange, ist dabei ein qualifiziertes Zusatzangebot keineswegs eine lästige Zusatz-Pflicht:

    Im Vordergrund steht doch einfach die eigene Zufriedenheit, dass man überall noch mal Anstöße bekommt, Anreize, weiter nachzulesen. Dass man sicher auch viel an seine Kinder weiter geben kann, denen Sachen erklären kann später und viel aufgeschlossener gegenüber den anderen Kulturen und anderen Menschen wird.

    Doch sind die Zusatzangebote keineswegs nur Privatvergnügen. In der Wirtschaft erwarte man mittlerweile von Universitätsabsolventen, dass sie mehr mitbringen als gute Fachkenntnisse und den obligatorischen Auslandsaufenthalt, betont Holgar Raulf, Programmbeauftragter "Studium Generale" an der Law School:

    Es wird vorausgesetzt ein sehr solides, möglichst exzellentes Fachwissen, und dass die Hochschulabsolventen heute Kompetenzen mitbringen, die über das fachliche hinausgehen. Es wird erwartet, dass man fähig ist, in Zusammenhängen zu denken, fähig ist, generalistisch zu denken, fähig ist, in einem Team mitzuarbeiten, es wird erwartet die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, die Bereitschaft, Ziele zu setzen, es wird Urteilsfähigkeit erwartet, es wird erwartet, dass man im Umgang miteinander konstruktiv und zielorientiert und sachorientiert ist. Und wir glauben, dass es in der tat möglich ist, auch schon in der Hochschule das Bewusstsein hierfür zu schärfen.

    Das Studium an der juristischen Privatuni dauert vier Jahre. Während dieser Zeit werden den Studentinnen und Studenten im Rahmen des Studium Generale 160 Veranstaltungen angeboten. Kriminalistische Täterprofile, Medienmanagement, Embryonenforschung, das Deutschlandbild in der amerikanischen Presse – das sind nur einige Themen. Überwiegend handelt es sich um Vorträge. Jeder Prüfling muss am Ende 40 Studium-Generale-Veranstaltungen besucht haben. Doch werden viele Studenten dank des interessanten Angebots mehr Punkte gesammelt haben, als vorgeschrieben.

    Eigentlich war ein Fach "Studium Generale" an der Hamburger Privathochschule gar nicht vorgesehen. Die Gründer hatten bereits soviel Unverzichtbares auf dem Zettel, dass an Allgemeinbildung nicht zu denken war. Doch da zog Holgar Raulf, wie er schmunzelnd erzählt, auf der entscheidenden Sitzung ein As aus dem Ärmel. Wenn andere Privatunis, wie die Hochschule in Witten-Herdecke, d a s bundesweite Vorzeigemodell, sich für ihr "Studium Fundamentale" einen Tag pro Woche nehmen, dann müsse man doch an der ambitionierten Bucerius-Law-School zumindest einen halben Tag für das Studium generale freimachen können. Das Argument zog. Zumal man keineswegs eine Elite erziehen möchte, die nur an sich selbst denkt:

    Ich glaube, dass Bildung auch etwas zu tun hat mit dem Handeln von Menschen, mit der Art und Weise, wie sich Menschen begegnen, dass zur Bildung dazugehört, die Bereitschaft, für Schwächere einzutreten, die Bereitschaft, sich zu engagieren.

    Wer heute im Internet unter dem Stichwort "Studium Generale" die Webseiten durchsucht, der ist überrascht. Allein aus dem deutschsprachigen Raum finden sich 19.000 Eintragungen. Ob die Universität Mannheim, die TU Chemnitz, die Fachhochschule Hannover, alle schmücken sich mit einem "Studium Generale" als Antwort auf die Globalisierung und die Überfülle an speziellem Wissen. Darüber hinaus soll dieses Zusatzangebot aber auch als Brückenschlag dienen über die sich ständig vertiefende Kluft zwischen Geistes- und Naturwissenschaften. Die Diskussion sei nicht neu, betont Klaus Landfried, Vorsitzender der Hochschulrektorenkonferenz.

    Ich würde sagen, dass das "Studium integrale", wie es die Mainzer Universität in den achtziger Jahren eingeführt hat, sicherlich der Sache weit voraus war. Gleichwohl muss man sagen, dass die Einbindung der fachübergreifenden Bildung in die Gesamtausbildung als ein Teil derselben und nicht als Dekoration und dran geklebt bisher in Deutschland wenig gelungen ist.

    Allzu häufig schmücken sich Universitäten mit dem schönen Etikett, lösen aber kaum ein, was sie versprechen. Beispiel Technische Universität Dresden. Dort müssen die Studenten – zusätzlich zum normalen Studium – Veranstaltungen im Bereich Studium Generale absolvieren. Die Universität habe sich aber keine weitergehenden Gedanken über die Betreuung gemacht, kritisiert Studentin Daniela Saaro:

    Und da hat sich 1998 ein studentisches Institut gegründet mit dem Ziel, diese Koordination zu übernehmen, beratend zu wirken und quasi ein Dienstleistungsinstitut zu sein und für die Studenten quasi das Studium Generale möglichst bequem und einfach zu machen, damit es halt positiver angenommen wird und nicht zu sehr als zusätzliche Last empfunden wird. Wie man es anders und besser machen kann, zeigt ein Beispiel aus der Schweiz. Dort gelang es, eine ehrwürdige Einrichtung völlig umzugestalten, die Hochschule St. Gallen für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften. In St. Gallen ist das "Studium Generale" nicht eine lästige Zusatzveranstaltung am Rande des Fächerkanons, es ist d i e zentrale Idee. Sascha Spoun, Projektleiter Neukonzeption der Lehre, schildert den Paradigmenwechsel am Beispiel des Studiums der Betriebswirtschaftslehre:

    Wir starten mit einer einwöchigen Startwoche, wo ganz andere Themen im Mittelpunkt stehen. Da geht es um Kreativität, Erfindergeist, Teambildung, Universität kennenlernen, die Unterschiede zwischen der Schülerwelt und der Studentenwelt kennenzulernen und dann haben wir im ersten Jahr ein einheitliches Curriculum für das erste Jahr, was für Betriebswirte, Volkswirte und Juristen dasselbe ist. Das heißt für die BWL ist nur ein kleiner platz da.

    Das so genannte "Kontextstudium" umfasst immerhin ein Viertel der Studienzeit, ein weiteres Viertel ist dem Selbststudium vorbehalten, während nur noch fünfzig Prozent der Lehre für das eigentliche Kernfach ausreichen müssen.

    Dieses Konzept hat seinen Preis. Studenten, die sich in St. Gallen bewerben, müssen bereit sein, während der Semester eine 50 Stunden-Woche zu akzeptieren. Dennoch ist der Zulauf groß. Das mag auch daran liegen, dass an der überschaubaren Hochschule von St. Gallen ein gutes Verhältnis zwischen Studierenden und Lehrenden existiert, wobei der Student ausdrücklich nicht als "Kunde" gesehen wird:

    Es wäre völlig falsch, den Studenten als Kunden zu sehen. Was an der Universität passiert ist etwas, wo der Student oder die Studentin voll mitarbeiten muss. Das heißt, man muss ihn oder sie als Bürger oder Bürgerin betrachten, als Mitglied der Universitätsgemeinschaft. Und das ist der einzige Weg, der zum Erfolg führt.

    Wie konnte es gelingen, eine altehrwürdige Alma Mater wie die in St. Gallen umzugestalten, ohne dass der Lehrkörper Sturm dagegen lief? Danach befragt verweist Sascha Spoun auf eine Schweizer Besonderheit, eine ausgeprägte Konsenskultur:

    Erstens eine traditionelle Kommunikationskultur innerhalb der Universität, die sehr schweizerisch ist, Konsenssuche, Abstimmung usw.. Und das zweite ist: Wir haben das auch verstärkt und fokusiert und ganz explizit auch Workshops, Wochenenden zu diesem Thema der Neu-Konzeption der Lehre veranstaltet und da kommen sie auch, weil, sie müssen kulturell sehen, dass die Gemeinsamkeit in der Schweiz sehr viel wichtiger ist als in Deutschland vermutlich. Das heißt, man kann sich streiten über den Inhalt, aber sitzt danach gemütlich zusammen.

    Aber leider, bedauert Klaus Landfried, Präsident der deutschen Hochschulrektorenkonferenz, lasse sich das Modell St. Gallen aus verschiedenen Gründen nicht auf deutsche Hochschulen übertragen:

    Es gibt objektive Widerstände, denn das, was hier diskutiert wird für Hamburg-Harburg, was in St. Gallen umgesetzt ist, was wir auch in Witten-Herdecke, in der privaten Universität finden, gelingt nur bei zumutbaren Betreuungsrelationen. Das heißt, das Verhältnis von Professoren zu Studenten darf nicht die Zahl eins zu fünfzig maximal überschreiten, nicht eins zu zweihundert oder mehr, wie wir es in Köln haben.

    So sind es auch in Deutschland die kleineren privaten Hochschulen und die Neugründungen, die der Idee des "Studium Generale" neue Zugkraft verleihen. Bekanntestes Beispiel ist die 1999 gegründete Universität Erfurt. Interdisziplinarität gehört zur Grundausstattung, fremdsprachliche Kompetenzen werden besonders gefördert, Studium Fundamentale ist Pflicht. Jeder Student hat einen Mentor, der ihn während des Studiums persönlich betreut. Auf 2800 Studierende kommen 106 Professoren, das macht pro Professur also weniger als 30 Studierende. Damit der Betreuungsschlüssel sich nicht verschlechtert, soll die Universität Erfurt auch künftig nicht mehr als 4000 Studienplätze anbieten.

    Derartige Bedingungen können Holger Weidner nur neidisch machen. Er ist Vizepräsident der Universität Hamburg, einer Massenuniversität, und dort zuständig für Fragen der Lehre:

    Dass gerade ist in einer großen Universität mit eben knapp unter 40.000 Studierenden so nicht einfach machbar und möglich. Bei uns würde so ein Programm, was für eine größere Zahl von Studierenden angeboten würde, sehr leicht dazu führen, dass die Studienzeiten noch mal verlängert werden.

    In der Tat laufen derzeit die Entwicklungen im Hochschulbereich diametral auseinander. Einerseits verlangt die Politik, die Studienzeiten seien zu verkürzen. Andererseits sollen aber die Inhalte ausgeweitet werden. Dass Studenten erheblich intensiver studieren, wenn die Allgemeinbildung noch dazukommt, liegt zwar auf der Hand, scheint nicht überall ohne weiteres durchführbar. Viele müssen sich das Geld für ihr Studium nebenbei verdienen. Doch auch organisatorisch stößt der Gedanke an ein sinnvoll integriertes "Studium Generale" an den Massenuniversitäten schnell an Grenzen. So gibt es an der Uni Hamburg über 100 Studiengänge. Da ist es kaum unmöglich, für alle Fachrichtungen Studium-Generale-Pläne zu entwerfen.

    Und dennoch müssten die eigenen Studenten nicht zwangsläufig zu Fachidioten werden, betont Holger Weidner. Das Studienangebot in Hamburg sei reichhaltiger als das vieler anderer Universitäten:

    Eine so große Universität hat natürlich für die Studierenden allein durch die Zahl ihrer Nebenfächer oder Zusatzfächer, die sozusagen noch obendrauf gesattelt werden und noch extra zertifiziert werden, eine Vielzahl von Möglichkeiten, sich zu orientieren. So kann der Ökonom beispielsweise im Nebenfach Japanologie studieren, das geht natürlich in so einer kleinen Hochschule nicht.

    Schon jetzt bietet die Universität Hamburg eine so genannte "Orientierung Generale" ein erstes Schnuppersemester, das nicht auf die Studienzeit angerechnet wird und in dem die Studierenden mit Anleitung über die Einzelfächer hinausblicken können. Mit nur 60 Plätzen ist allerdings das Angebot erheblich kleiner als die Nachfrage:

    Wir haben mindestens immer die doppelte Zahl von Bewerbungen. Dieses Programm ist evaluiert. Wir haben die Studierenden befragt, wie sie dies Programm wahrgenommen haben und man kann sagen, dass die Reaktion der Studierenden, die dies praktisch gemacht haben, durchaus hochgradig positiv war. Man fühlt sich halt besser orientiert und ein wenig besser auf die Schiene gesetzt, die später das Hauptfach im Studium werden soll. Wir sehen auch kein Nachlassen der Nachfrage. Eher im Gegenteil. Das ist inzwischen bekannt und die Nachfrage ist ungebrochen hoch und höher.

    Die deutschen Hochschulen stecken in einer tiefen Krise. Über die Jahre haben sich die Fächer immer weiter ausdifferenziert, der Betrieb ist anonym geworden. Das kommt den Steuerzahler teuer zu stehen. Die Zahl der Abbrecher beträgt Schätzungen zufolge in manchen Fächern bis zu fünfzig Prozent, die Zahl der Studienwechsler ist ebenfalls hoch. Viele Studenten scheitern, weil sie ohne jede Orientierung an die Universität kommen. Da könnte es schon helfen, den Studienbeginn breiter anzulegen als derzeit üblich. An der Hamburger Universität denkt man über ein solches Projekt nach:

    Wir wollen die Orientierungsphase erweitern und denken an eine Art Kollegstufe. Wir werden im Wintersemester hierzu ein Symposion, ein Workshop durchführen, um zu schauen, welche Fachbereiche der Universität da in Betracht kommen können, wer daran Interesse hat. Das könnte sein, dass für eine große Gruppe von Fächern, vielleicht für die Naturwissenschaften, ein gemeinsames Jahr oder mehr als ein Jahr durchführen, das dann so organisiert wird, dass dort schon Veranstaltungen, die dann weiter studiert werden, wenn eine Spezialisierung stattfindet, angerechnet werden können, so dass sich die Studienzeitverlängerung in Grenzen hält.

    Doch das sind – leider - Ideen für übermorgen. Weiter mit der "Generalisierung" ist da schon die Technische Universität Hamburg-Harburg, die das "Studium Generale" bereits in ihrem Vorlesungsverzeichnis führt und als erste technische Hochschule in Deutschland eigens dafür eine Professur für Kunstgeschichte einrichtete.

    Dazu kam die Hochschule gewissermaßen auf Umwegen. Unter ihrem Dach existiert das NIT, das "Northern Institute of Technologie". Am NIT, einer kleinen aber feinen, überwiegend privat finanzierten Universität, an der 60 Studenten aus aller Welt in einem Master-Studiengang zum sogenannten "Global-Ingeneer" ausgebildet werden, ist das fächerübergreifende Lernen Pflicht. Kunsthistorikerin Gisela Jarchow ist also sowohl für die NIT-Ingenieur Studenten zuständig, als auch für etliche Fachdisziplinen der TU, deren Absolventen ebenfalls ein nicht-technisches Fach studieren müssen. Besonderns beliebt sind – auch bei deutschen Technikstudenten – Wochenendveranstaltungen, etwa im Bereich Theater, Kunst oder Keramik. Beispiel: Kreativitätsworkshop

    Da kommt also ein Bildhauer und gestaltet mit der Gruppe von 20 bis 25 Studenten eine Skulptur, d.h. jeder einzelne Student muss eine Skulptur erstellen. Wir geben ihn an die hand das Material. Und am Sonntagnachmittag präsentiert jeder einzelne Student drei oder fünf Minuten sein Kunstwerk, welches er dann geschaffen hat, und das gibt dann nachher eine Art Leistungsnachweis.

    Gerade für das Ingenieurstudium scheint sich das Studium Generale besonders zu eignen. Denn das Lehrangebot in Hamburg-Harburg sei extrem verschult, moniert Jan Gudat, Student der Allgemeinen Ingenieurwissenschaften in Harburg, im 10. Semester:

    Ein Aspekt, der mir wichtig ist, ist die Tatsache, dass ich halt andere Lehrformen auch geboten bekomme in Vergleich zu meinen klassischen Fächern, wo halt Frontalunterricht meistens stattfindet und ich nachher maximal noch Übungen habe und am Ende eine Klausur schreibe. Und bei Humanities oder ähnlichen Veranstaltungen im "Studium Generale", die hier angeboten werden, ist ein hoher Anteil des eigenen Inputs gefragt.

    Während für die Studenten des NIT Humanities vorgeschrieben sind, gilt dies für TU Studenten nur eingeschränkt. Zwar muss in einigen Fachrichtungen ein nicht-technisches Fach belegt werden, doch kann dies auch Englisch sein oder Jura. So bleibt es letztlich den Studenten selbst überlassen, ob sie das "Studium Generale" freiwillig wählen. Ein Zustand, den Gisela Jarchow durchaus kritisiert:

    Diese Freiwilligkeit, damit finde ich aber auch, sind die Studenten so ein bisschen überfordert, wie sie doch hier an der TU ein sehr anspruchsvolles Studium haben.

    So geht ihr Bestreben dahin, das Fach, das derzeit mit etwa 2 Wochenstunden pro Semester zu Buche schlägt, noch fester zu verankern. Doch die Widerstände sind stark an ihrem Institut, Humanities, das ist an der Ingenieurhochschule nach einer dort weit verbreiteten Meinung eher ein Orchideenfach, wenn nicht gar überflüssiger Luxus:

    Eins der wirklich tragenden Probleme ist sicherlich, dass die Kollegen, die die technischen Fächer hier vertreten, Sorge haben, dass das eigentlich Fachstudium darunter leiden könnte.

    Helfen könnte dabei die landläufige Erfahrung, dass ein sinnvolles "Studium Generale"-Angebot nicht unbedingt zur Verlängerung des Studiums beitragen muss. Das jedenfalls sagt Klaus Landfried:

    Ich beobachte empirisch, dass diejenigen, die mehr machen als die anderen, diejenigen sind, die früher fertig werden und drücke es jetzt simpel so aus: Mit Studienzeitverkürzung oder -verlängerung hat all dies überhaupt nichts zu tun, sondern mit Organisation und mit Einsatz.

    Auch wenn der Aufbau einer Studium-Generale-Kultur mühsam ist, so gibt es doch Lichtstreifen am Horizont. Gisela Jarchow jedenfalls zeigt sich optimistisch:

    Ich sehe, dass Humanities zur Zeit sehr gefragt ist, sehr en vogue ist, dass wir hier an der TU sehr im Trend liegen. Das Bedürfnis der Studierenden ist doch, dass sie sich von der Spezialisierung etwas lösen wollen. Sie wollen sehr gute Fachkenntnisse haben, aber sie wollen auch ein bisschen generalistischer, ein bisschen globaler ausgebildet werden, zumal das der internationale Anspruch ist. Sie haben natürlich Vorbilder in Amerika, in England, in Frankreich, da gab es immer eine Art Zusatzangebot und diese Chance sollten wir unbedingt aufnehmen.