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Studium lohnt nicht immer

Die Autorin des Ratgeberbuches "Ich verdiene mehr Gehalt!", Nicola Holzapfel, hat sich Gedanken über Lohngefälle und falsche Vorstellungen vom Verdienst in einzelnen Branchen gemacht. Oft lägen Vermutungen und Realität sehr stark auseinander. Ein Studium lohne sich zwar im Durchschnitt, aber man müsse schon genau auf den einzelnen Beruf schauen, so Holzapfel.

Nicola Holzapfel im Gespräch mit Lothar Guckeisen |
    Lothar Guckeisen: Deutschlandfunk "Campus & Karriere". Über Geld spricht man nicht, schon gar nicht über das, was man selbst verdient. Gerade in Deutschland ist es verpönt, über Lohn und Einkommen offen zu reden. Deshalb wird viel gemunkelt und spekuliert. Nichts Genaues weiß man nicht, und das ist der ideale Nährboden für Unsicherheit und Unzufriedenheit. Die Autorin Nicola Holzapfel hat darüber ein Buch geschrieben mit dem provokanten Titel: "Ich verdiene mehr Gehalt!" Frau Holzapfel, was hat Sie denn motiviert, gerade über dieses Thema zu schreiben?

    Nicola Holzapfel: Hallo. Ich habe ja lange Jahre bei "sueddeutsche.de" gearbeitet, im Online-Auftritt von der "SZ", und habe dort das Ressort "Job & Karriere" betreut und habe dort eine Gehaltsdatenbank aufgebaut, also wo man die Gehälter in einzelnen Berufen nachlesen konnte. Und das hat enormes Leseinteresse gehabt, sodass ich natürlich dann immer mehr und immer wieder was übers Thema Gehalt gemacht habe. Und nach und nach kamen dann auch Kollegen und Freunde auf mich zu und haben mich selber um Rat gefragt, sodass ich eigentlich das Buch dann die logische Konsequenz aus dem war.

    Guckeisen: Haben sie wahrscheinlich gefragt, was der Kollege verdient.

    Holzapfel: Nein. Das soll man nicht.

    Guckeisen: Was war denn Ihr Eindruck bei den Recherchen? Gibt es denn viele falsche Vorstellungen darüber, was man in welcher Branche verdienen kann?

    Holzapfel: Ja, also die gibt es schon. Also einmal zu einzelnen Berufen, jetzt zum Beispiel ein typischer Klischeeberuf ist ja der Lehrer, wo viele meinen, die würden so viel verdienen und denen ginge es zu gut. Und wenn man dann aber sieht, dass ein Lehrer, der am Gymnasium anfängt, mit 3000 Euro einsteigt, dann ist es ja nicht so viel, wie man eigentlich vermuten würde.

    Guckeisen: Gibt es denn weitere solche Beispiele, wo man ganz falsche Vorstellungen davon hat, Branchen, wo man meint, die müssen sich eine goldene Nase verdienen, und dabei ist es gar nicht so?

    Holzapfel: Na ja, also es gibt schon Branchen, wo man das denkt, also Ingenieure und IT-Experten, da ist es auch so, die können sehr gut verdienen. Aber wer dennoch aufpassen muss, das sind vor allem Hochschulabsolventen. Da gibt es inzwischen schon einige Studien, die Gehälter von Akademikern veröffentlichen, und da ist dann oft das Durchschnittsgehalt bei etwa 40.000. Das heißt aber nicht, dass das jeder bekommt. Das Hochschul-Informations-System hat eine Studie herausgegeben, in der die Gehälter von Absolventen drei Jahre nach Studienabschluss erhoben wurden. Und da zeigt sich, dass das durchschnittliche Jahresgehalt von einem Magisterabsolventen nur bei 21.600 Euro liegt.

    Guckeisen: Also muss man schon gucken, welches Fach und welchen Studiengang man gewählt hat. Sie haben ja in Ihrem Buch zehn Gehaltsmythen zusammengefasst. Und ein Mythos ist ja eben auch, Akademiker verdienen mehr, also ein Studium lohnt sich. Kann man das unter dem Strich noch so sagen?

    Holzapfel: Also das kann man so nicht sagen. Es lohnt sich natürlich im Durchschnitt, aber man muss dann auf den einzelnen Beruf schauen. Es gibt Berufe und Berufsverläufe, also wo die Hochschulabsolventen dann auch keine festen Jobs bekommen, vielleicht nur befristet arbeiten oder sogar nur auf Honorarbasis arbeiten und teilweise mit sehr wenig Geld auskommen müssen. Da gab es zum Beispiel eine Studie, die wurde vom Deutschen Gewerkschaftsbund veröffentlicht. Da wurden Hochschulabsolventen drei Jahre nach ihrem Hochschulabschluss gefragt, wie viel sie verdienen, da waren auch die Freiberufler dabei. Und da haben - lassen Sie mich mal kurz schauen - 38 Prozent unter 1500 Euro im Monat verdient.

    Guckeisen: Das ist kein Spitzenverdienst.

    Holzapfel: Nein, wirklich nicht.

    Guckeisen: Viele machen ja aus der Not eine Tugend, Sie haben es gerade angesprochen, und gehen in die Freiberuflichkeit. Und da gibt es ja einen weiteren Mythos, Selbstständigen geht es gut, wenn ich mein eigener Chef bin. Ist dem so?

    Holzapfel: Also dem ist so, im Durchschnitt geht es den Selbstständigen wirklich gut. Aber in letzter Zeit, also in den letzten Jahren gibt es zunehmend sogenannte Solo-Selbstständige. Das heißt, die haben keine Mitarbeiter, sondern schlagen sich alleine durch. Und die verdienen oft so wenig, dass es also gerade mal so zum Leben reicht und sie aber nicht genug haben, um noch vorzusorgen, Krankenversicherung, Altersvorsorge - das ist eben der Nachteil bei der Selbstständigkeit, das vergisst man immer. Das muss man ja alles dann selber bezahlen.

    Guckeisen: Greifen wir noch einen Mythos heraus, wir können nicht alle zehn durchgehen. Aber ganz aktuell im Moment spricht natürlich jeder darüber, Manager verdienen zu viel. Ist das richtig so?

    Holzapfel: Also das ist wirklich so, das kann man ja auch immer lesen. Das ist vielleicht nur ein Fehler, den man dabei begehen kann, dass man die Manager alle über einen Kamm schert. Die Gehälter, die ja veröffentlicht werden, das sind dann meistens die Gehälter von den DAX-Vorstandsvorsitzenden, wo es dann gleich um Millionengehälter geht. Aber Manager ist natürlich ein weiter Begriff. Und wenn man dann in die kleineren Unternehmen schaut, also da gibt es eine Studie, die hat bei Geschäftsführern in Unternehmen mit bis zu fünf Mitarbeitern festgestellt, dass das Gehalt unter 100.000 liegt. Und da kann dann auch teilweise ein Ingenieur mit einem guten Posten mithalten.

    Guckeisen: Also sprich, soziale Unterschiede gibt es auch ganz oben an der Spitze, die nehmen zu.

    Holzapfel: Gibt es überall.

    Guckeisen: Wenn wir gerade über Manager gesprochen haben, eigentlich ist es ja kein guter Zeitpunkt für die Veröffentlichung eines Buches, das sich zum Ziel gesetzt hat, über Gehälter in Deutschland aufzuklären, angesichts der Wirtschaftskrise. Ist das Buch überhaupt aktuell?

    Holzapfel: Also das Buch ist natürlich aktuell, weil über Gehalt kann man immer reden. Und klar, wenn es jetzt dem eigenen Unternehmen schlecht geht, dann ist es ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt, über mehr Gehalt zu verhandeln. Das heißt aber nicht, dass man sich nicht darüber informieren sollte, wie viel man überhaupt wert ist und wie viel man herausholen könnte. Und vor allem Berufsanfänger sollten auch darüber nachdenken, dass sie - gut, das Wichtigste ist, man hat einen Job, der einem Spaß macht, aber es ist natürlich auch gut, man weiß, worauf man sich einlässt finanziell. Also kommt man später damit über die Runden oder ist man dann enttäuscht, weil man viel weniger verdient, als man eigentlich gedacht hat.

    Guckeisen: Aber kann man jetzt im Moment, weil der provokante Titel heißt ja, "Ich verdiene mehr Gehalt!", angesichts der Tatsache, dass die Opel-Mitarbeiter beispielsweise kräftig sparen müssen, gerade die Automobilbranche, wo es vielen nicht gut geht, zu sagen, ist das noch wirklich der richtige Ansatz?

    Holzapfel: Also es gibt auch zurzeit sicherlich Arbeitnehmer, die ihr Gehalt steigern können, die Karriere machen. Aber was ich gerade eben schon sagte, man muss unbedingt auf das eigene Unternehmen achten, also wie schaut es da aus, ist es überhaupt realistisch, dass mir mehr Gehalt gezahlt wird. Und wenn nicht, heißt das aber nicht, dass man nicht das Gespräch mit dem Vorgesetzten suchen könnte und über die eigene Leistung und über die Entwicklung sprechen könnte. Und dann kann man später, wenn es dem Unternehmen wieder besser geht, natürlich darauf zurückkommen.

    Guckeisen: In "Campus & Karriere" Nicola Holzapfel über ihr neues Buch, Titel: "Ich verdiene mehr Gehalt!". Danke!

    Literatur:

    Nicola Holzapfel: "Ich verdiene mehr Gehalt! Was Sie für Ihre erfolgreiche Gehaltsverhandlung wissen müssen", Campus Verlag, Frankfurt/New York