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Studium und Spitzensport

Ein Studium und sportliche Spitzenleistung unter einen Hut zu bekommen, ist nicht ganz einfach. Deswegen entscheiden sich viele junge Athleten dafür, nur einen Weg zu beschreiten. Der Allgemeine Hochschulsportverband will das ändern und die Vereinbarkeit von Sport und Lehre fördern.

Olaf Tabor im Gespräch mit Sandra Pfister | 05.08.2008
    Sandra Pfister: Ein Drittel der deutschen Olympiamannschaft studiert. So selbstverständlich, wie sich das anhört, ist der Spagat zwischen Studium und Training allerdings nicht. Der Deutsche Sportbund schätzt, dass drei Viertel aller Spitzensportler ihre sportliche Karriere mit der Einschreibung an den Nagel hängen. Der Dachverband der Hochschulsporteinrichtungen, der Allgemeine Hochschulsportverband, will das ändern. Studieren soll leichter werden für Spitzensportler. Deshalb habe ich vor der Sendung mit dem Generalsekretär des ADH geredet, mit Olaf Tabor. Ich habe ihn gefragt, ob die deutschen Hochschulen nicht noch mehr tun könnten, tun müssten für ihre gestressten, doppelt belasteten Spitzensportler.

    Olaf Tabor: Diese Frage würde ich auf jeden Fall mit Ja beantworten. Die Hochschulen können selbstverständlich mehr tun, als sie es derzeit in Deutschland machen. Da gibt es andere Länder, die schon einen Schritt weiter sind oder auch zwei. Ob sie auch mehr tun müssten, das ist in der Tat die Frage. Da sollten wir vielleicht noch mal gesondert drauf eingehen. Ich möchte zunächst aber auch darauf hinweisen, dass die Hochschulen ja bereits einiges in diesem Lande tun, um studierenden Spitzensportlern das Leben leichter zu machen, als es noch vor geraumer Zeit der Fall war. Wir haben dazu ein Projekt aufgelegt im Jahr 1999, "Partnerhochschule des Spitzensports" heißt es. Und innerhalb dieses Projektes sind die dort involvierten Hochschulen vertraglich gebunden, den Studierenden eine ganze Reihe von Förderangeboten anheim zu stellen.

    Pfister: Was ist das beispielsweise?

    Tabor: Da geht es vor allen Dingen um die Frage der Flexibilität. Da geht es um die Frage der Anwesenheitszeiten, die für Studierende natürlich in besonderer Weise schwierig zu realisieren sind. Durch Training und Wettkampfaktivitäten sind sie häufig eben nicht am Studienort, und da kommen ihnen die Hochschulen entgegen in vielen Fällen, indem sie ihnen die Präsenzzeiten etwas anders gestalten, als das bei den normal Studierenden üblicherweise der Fall ist. Mündliche Prüfungen werden in eine schriftliche Prüfung umgewandelt, Prüfungen, die in schriftlicher Form abgelegt werden müssen, werden zum Teil auch in anderen Teilen der Welt durchgeführt, eben an einer Hochschule am Trainings- oder Wettkampfort. Alles das kommt vor. Also da wird einiges getan an den Hochschulen, was vor allen Dingen die Flexibilisierung verändert. Es wird ihnen nichts erlassen. Es gibt nicht ein Hochschulstudium light, das gibt es in anderen Ländern.

    Pfister: In den USA beispielsweise.

    Tabor: Würden die Amerikaner wahrscheinlich auch eher verneinen, aber das ist in der Tat so, habe ich auch selbst erlebt, dass dort durchaus Studienerleichterungen für Spitzenathleten durchgesetzt werden. Das ist in Deutschland undenkbar.

    Pfister: In die Richtung würden Sie auch nicht gehen wollen?

    Tabor: In diese Richtung würden wir nicht gehen wollen, in diese Richtung werden die Hochschulen nicht gehen wollen, und in diese Richtung wollen auch die Betroffenen, also die Athleten nicht gehen, denn sie sind dann hinterher, wenn es das gäbe, auf dem Arbeitsmarkt gekniffen, wenn sie gegen diejenigen konkurrieren müssen um einen Arbeitsplatz, die eine vollwertige Ausbildung genossen haben, weil man natürlich dann auch von Arbeitgeberseite her weiß, dass so etwas für die berufliche Alltagstätigkeit nicht vorteilhaft sein kann.

    Pfister: Diesen Titel "Partnerhochschulen des Spitzensports", den dürfen über 80 Hochschulen mittlerweile tragen. Im Grunde genommen ist das nur jede vierte Hochschule. Warum sind es nicht mehr?

    Tabor: Das hängt zum einen daran, dass so ähnlich wie in anderen Bereichen auch, ob das eine musische oder ob das eine kulturelle Aktivität anlangt, der Sport an diesen Hochschulen ein Teil des Profils der Hochschule darstellt, das heißt, eine besondere Wertschätzung genießt und daher sozusagen auch diese Förderung möglich ist. Dazu kommt, dass nicht alle Hochschulen, wir haben knapp 330 oder etwas über 330 Hochschulen in diesem Land, überhaupt Spitzenathleten haben.

    Pfister: Glauben Sie, dass es irgendwann in Deutschland so sein wird, dass sich mit Spitzensportlern genauso gut werben lässt wie mit Spitzenwissenschaftlern, Stichwort Eliteuniversität?

    Tabor: Das glaube ich eben nicht. Die Hochschule, deswegen habe ich eingangs gesagt, ob denn die Hochschule das tun muss, was sie dort an Förderleistung anbietet, das bezweifle ich. Die Hochschule ist eine Einrichtung, die zunächst mal für den Bildungsbereich zuständig ist und deren Auftrag darin besteht, Nachwuchsakademiker in ihren jeweiligen Fächern auszubilden und auf den Beruf vorzubereiten. Das ist unter anderem auch im Bereich Sportwissenschaft durchaus ihre Aufgabe, aber auf der theoretischen Ebene. Wenn sie das trotzdem tut oder diese 80 Hochschulen, die Partnerhochschulen des Spitzensports sind, die das schon machen, dann tun sie das freiwillig. Im Wettbewerb der Hochschulen wird aber Forschung und Lehre weiterhin das zentrale Thema sein.

    Pfister: Sie sagten eingangs aber auch, die Hochschulen müssen vielleicht nicht mehr tun, sie können aber deutlich mehr tun. Was könnten sie mehr tun, was sind die prägnantesten Punkte?

    Tabor: Wir haben im Moment vor allen Dingen im Bereich der Aufnahme des Studiums Schwierigkeiten und im Bereich des Übergangs vom Studium in den Beruf. Der DOSB, Sie haben die Zahlen zitiert, hat eine nicht unerhebliche Anzahl von Menschen, die im Bereich des Zugangs zum Studium scheitern, weil sie die Numerus-clausus-Vorgaben nicht erfüllen oder weil sie ihre Berufsperspektive noch nicht so richtig sehen mit 18, 19 oder 20 Jahren und alles auf den Sport setzen, sodass wir eine ganze Reihe potenzieller Studierender verlieren, die dann doch kein Studium aufnehmen. An der Stelle, denke ich, haben die Hochschulen im Rahmen ihrer Autonomieprozesse, die ja jetzt an ganz vielen Standorten in fast allen Bereichen Deutschlands angefangen haben, noch erhebliches Potenzial, um den Zugang für studierende Spitzenathleten in das Studium zu erleichtern. Da haben sie zunehmend mehr Spielräume, in denen sie selber die Aufnahme von Studierenden in ihre Studiengänge regeln können, und im Rahmen von Begabtenförderung, die es gibt, könnte auch der Sport seinen Platz haben. Durch gezielte Ansprache von Unternehmen, in denen solche studierenden Spitzensportler arbeiten können, können sicher auch Hochschulen noch einen weiteren Beitrag leisten, um den Übergang aus dem Studium in den Beruf zu erleichtern.

    Pfister: Kurz vor den Olympischen Spielen, ein Interview mit Olaf Tabor war das, Generalsekretär des Allgemeinen Hochschulsportverbandes. Vielen Dank, Herr Tabor!

    Tabor: Gerne.