Archiv


Stürmische Zeiten und sonnige Aussichten

Das Landschaftsbild hat sich verändert in den vergangenen Jahren. Ob an Küsten, auf Anhöhen und auf freien Feldern - überall wachsen wuchtige Windräder in die Höhe. Und es werden immer mehr. Die Bundesregierung fördert die Windkraft und andere erneuerbare Energiequellen massiv.

Von Dieter Nürnberger |
    Wissenschaftler halten es für möglich, dass wir in Zukunft die Hälfte unseres Energiebedarfs aus Wind, Sonne, Biomasse und Erdwärme decken können. Der große Vorteil: Das Klima wird geschont, weil keine schädlichen Treibhausgase entstehen. Der große Nachteil: Im Moment kostet das viel Geld. Heute hat der Bundesverband Windenergie eine Bilanz des abgelaufenen Jahres gezogen.

    Dieter Nürnberger in Berlin: Wie schätzt die Branche ihre Situation denn ein?

    Man spricht von stürmischen Zeiten im positiven Sinne oder auch von sonnigen Aussichten. Und anhand dieser Formulierungen wird deutlich, dass die beiden Hauptpfeiler der Erneuerbaren Energien in Deutschland, die Wind- und die Solarbranche mal wieder ein recht erfolgreiches Jahr hinter sich haben. Konkret in Zahlen ausgedrückt: 2004 lag der Anteil der erneuerbaren Energien in Deutschland am Stromverbrauch bei 9,3 Prozent. Und bezogen auf den gesamten Energieverbrauch steigt der Anteil von 3,1 auf 3,6 Prozent. Das sind die wichtigsten Rahmendaten, die soeben der Bundesverband Erneuerbare Energien und das Bundesumweltministerium bekannt gaben. Rainer Hinrichs-Rahlwes ist der zuständige Abteilungsleiter im Umweltministerium:

    Die Erneuerbaren Energien sind in den vergangenen Jahren, insbesondere seit 1998, aus den Kinderschuhen entwachsen. Auch durch umfangreiche Förderprogramme. Die Erneuerbaren Energien sind inzwischen ein zunehmender Bestandteil am Energiemix in der Bundesrepublik. Die positiven Auswirkungen für den Klimaschutz, auch für Arbeitsplätze sind aufgezählt worden. Diese Vorbildwirkung hat ja auch eine gewisse Ausstrahlungskraft ins europäische Ausland, auch weit darüber hinaus.

    Und somit konnte die Branche heute auch eher ökonomisch argumentieren, wobei natürlich auch die ökologischen Aspekte, Stichwort Treibhausgase und Klimawandel, nicht vergessen wurden. Die Windkraft ist eine stetig wachsende Branche, auch wenn die Quantität des Wachstums nicht mehr ganz so steil nach oben geht. Aber: Die Windkraft hat 2004 erstmals die Wasserkraft als Energieform überholt. Und die Windkraft schafft inzwischen Arbeitsplätze, wobei das Geschäft mit dem Ausland, der Export also, immer wichtiger wird. Peter Ahmels, der Präsident des Bundesverbandes Windenergie:

    Arbeitsplätze sind inzwischen etwa 52.000 entstanden. Wobei der Inlandsanteil dabei zunehmend geringer wird. Der Exportanteil steigt und steigt – er liegt mittlerweile schon bei über 50 Prozent – wenn man den Warenwert der erzeugten Güter nimmt. Also 50 Prozent bei der Wertschöpfung – Getriebe, andere Komponenten usw. Das tut dem Technologiestandort gut und wir gehen auch davon aus, dass in den nächsten Jahren das Exportgeschäft eine tragende Säule sein wird, wie auch sicherlich das Offshore-Geschäft mit hinzukommt.

    Offshore ist die Nutzung der Windkraft auf hoher See, hier hapert es im Moment noch etwas mit der Planung und Inbetriebnahme von Projekten, aber gerade davon verspricht sich die Branche hohe Zuwachsraten, weil eben der Wind auf dem Meer sehr viel effizienter genutzt werden kann. Eine andere Erfolgsmeldung kommt von der Solarwirtschaft. Ein Zubau der Kapazitäten von 300 Megawatt auf nun insgesamt 700 Megawatt konnte 2004 vollbracht werden. Carsten Körnig von der Unternehmensvereinigung Solarwirtschaft:

    Wir sind Ausbauweltmeister - das war aber nicht immer so. Aber das wird nicht so bleiben, denn die Aussichten liegen ja keineswegs nur in Deutschland. Es geht darum, dass wir in der Produktion unseren Spitzenplatz neben Japan auch halten und sogar ausbauen. Wir haben schon jetzt bei den Solarzellen einen Anteil von 30 Prozent am Export, und so werden auch wir an den Weltmärkten partizipieren.

    Und im Ausblick der Branche stehen auch Technologien, die bislang eher noch im bescheidenen Rahmen stattfanden, sozusagen im Schatten der Windräder und Solarkollektoren. Die Energiegewinnung aus Biomasse und Biogas ist 2004 um 50 Prozent gewachsen - aber eben von einem geringen Niveau aus. Johannes Lackmann, der Präsident des Bundesverbandes Erneuerbare Energien:

    Es war ja eine Aufgabe in der Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, diese parallele Entwicklung der verschiedenen Technologien zu befördern. Also: Technologien, die bislang ein noch bescheidenes Wachstum hatten, wie die Biogasanlagen, die Geothermie, sind durch eine Anpassung so gestuft worden, dass auch hier eine enorme Entwicklung beginnt. Alle deutschen Unternehmen, die früher nach Öl und Gas gebohrt haben, sind längst auch mit geothermischen Bohrungen beschäftigt. Auch hier prophezeie ich eine gute Entwicklung.

    Die Branche werde inzwischen also längst ernst genommen, es finde sogar eine Verschmelzung von traditioneller Industrie und den noch relativ neuen Energieträgern statt. Und trotz in letzter Zeit feststellbaren politischen Gegenwindes, Umweltgruppen beklagen ja das Verschandeln von Landschaften, der Bundeswirtschaftsminister klagt über zu hohe Kosten der erneuerbaren Energien, zeigten sich die Vertreter dieser Techniken heute selbstbewusst, dieser Prozess sei unumkehrbar - hieß es in Berlin.