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Stützdruck für die Ortsbrust

von Mathias Schulenburg

    Beim Verfahren des sogenannten Schildvortriebs fräst eine gewaltige drehende Stahl-Schaufel - entfernt einem Propeller ähnlich und gewöhnlich "Ortsbrust" genannt - einen Tunnel in das Erdreich, der sogleich, unmittelbar hinter der Fräse, durch Auskleidungsringe, "Tübbinge", verstärkt und gesichert wird. Die Methode hat einen großen Vorteil: Richtig angewandt, verformt sich das Erdreich über der Schildvortriebsmaschine nur geringfügig, Erdreich in größeren Mengen kann schließlich nicht nach sacken.

    Das Problem allerdings dabei ist, daß natürlich trotzdem Setzungen entstehen können, also ein setzungsloser Vortrieb ist auch mit Schildmaschinen nicht möglich.

    Sagt Günther Meschke, Professor auf dem Lehrstuhl für Statik und Dynamik der Ruhr-Universität Bochum,

    ... und das kommt sehr stark auf die Steuerungstechnik an, man versucht dann folgendes zu machen, wenn die Setzungen zu groß sind, dann verpresst man im sogenannten Schildschwanz, also im hinteren Teil der Maschine, diesen Hohlraum und kann damit die Setzungen steuern, man kann das so weit steuern, daß man sogar Hebungen erzeugt. Das erfordert aber bislang eine sehr große Erfahrung des Schildfahrers und der muss sehr rasch auf die jeweilige Situation reagieren.

    Dabei wäre ein genaue Kenntnis des Verhaltens der Schildvortriebsmaschine sehr hilfreich, das Verhalten der Maschine aber hängt von einer so großen Zahl von Faktoren ab, daß der Bediener - unter Zeitdruck zumal - leicht ins Schwitzen gerät. Künftig soll den Tunnelbohrern ein raffiniertes Regelungssystem zur Seite stehen können, das von einer ausgedehnten Datenbank mit Erfahrungswerten und vor allem einer ausgefeilten Simulation der Tunnelmaschine im Rechner Gebrauch macht:

    Bei uns wird das ganze System dreidimensional abgebildet, der Boden wird mit finiten Elementen diskretisiert, wie man sagt, also eingeteilt in eine große Zahl von Elementen, das Grundwasser, die Grundwasserströmung wird abgebildet, die Maschine wird als eigener Körper abgebildet, es wird die Steuerung der Maschine, die in Wirklichkeit durch hydraulische Pressen erfolgt, tatsächlich auch im Modell mit pressenartigen Elementen, die die Eigenschaften der Pressen repräsentieren, abgebildet, es wird der Tunnelausbau, der Betonausbau, repräsentiert, dieser sogenannte Schildschwanz, das ist der Bereich im hinteren Teil der Maschine, der mit einer druckhaft eingebrachten Suspension ausgefüllt wird, auch das wird repräsentiert, es wird sogar die Strömung dieser Suspension in diesen Spalt hinein abgebildet, es kann sogar die Diffusion dieser Suspension in den Boden hinein abgebildet werden ...

    ... was für eine realistische Simulation tatsächlich nötig ist. Am Ende - soweit ist es noch nicht - soll ein Regelkreis stehen, der dem Maschinenführer bei der Steuerung so präzise helfen kann, daß über der Maschine weder Hebungen noch Senkungen stattfinden:

    Bestandteile dieses Regelkreises sind eben die Messsysteme, an der Oberfläche, im Boden, an der Maschine direkt, die die diversen Drücke, Geschwindigkeiten, tausende Daten, die pro Sekunde registriert werden, gemeinsam mit einem simulationsbasierten System, so einem Regelkreis zusammenzufassen, damit - eben nicht vollautomatisch, aber semiautomatisch - den Tunnelvortrieb zu optimieren.

    Was nicht nur weniger Gebäudeschäden an der Oberfläche bedeuten würde; die Tunnelbohrer könnten, die Computersteuerung im Rücken, auch anspruchsvolleren Trassen folgen und das Tunnelbohrgeschäft deutlich beschleunigen. Die Luftfahrt hat es schließlich vorgemacht: In die Flugroutenplanung fließen so viele Größen ein, daß ein Mensch mit der Umsetzung deutlich überfordert wäre. Mit Simulationsprogrammen an der Seite ist überirdisch wie unterirdisch eine deutliche Effizienzsteigerung möglich.