Andre Achenbach steht die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Der Pfarrer der Sonnenstrahlgemeinde wollte in dieser Woche eigentlich ein religiöses Camp für Kinder durchführen – so wie in den vergangenen Jahren auch. Doch das Camp fällt aus, weil sich nicht genügend Kinder angemeldet haben. Die Gemeinde von Andre Achenbach liegt in Durbanville, ein Vorort von Kapstadt. Hier wohnen vor allem weiße, afrikaans-sprechende Südafrikaner. Durbanville ist eigentlich eine Hochburg der Dutch Reformed Church, der niederländisch-reformierten Kirche. Doch auch hier sind die Anzeichen deutlich wahrnehmbar. Die Dutch Reformed Church in Südafrika ist eine Kirche im Niedergang.
"Es sind vor allem die kleinen Kirchen, die dicht machen müssen und die in den Innenstädten. Dort verliert die Dutch Reformed Church die meisten Mitglieder. Es gibt natürlich einige Mitglieder, die in die Vororte ziehen und sich dort einer der größeren Gemeinden anschließen. Aber in den Innenstädten sind wir kaum noch präsent."
Im vergangenen Jahr sind in Südafrika 20.000 Menschen aus der Dutch Reformed Church ausgetreten. Das sind die offiziellen Zahlen. Pfarrer Achenbach glaubt, dass die tatsächlichen Zahlen weit höher liegen. Er spricht deshalb auch von einer sterbenden Glaubensgemeinschaft. Eine Entwicklung die ihn nicht überrascht angesichts der Geschichte der Dutch Reformed Church in Südafrika. Die kam im 17. Jahrhundert mit holländischen Seefahrern ans Kap und breitete sich im Laufe der Zeit im Land weiter aus. Als 1948 die Nationale Partei in Südafrika die Wahlen gewinnt und die Rassentrennung zum Gesetz macht, ist die Dutch Reformed Church nahezu allmächtig, erzählt der Religionswissenschaftler Ian Nell von der Universität in Stellenbosch.
"Die Dutch Reformed Church hat sich immer in die Politik eingemischt. Es gibt auch viele Stimmen die sagen, dass Apartheid in den Kirchen begonnen hat und sich dann weiter verbreitet hat aufgrund des Einflusses der Kirche auf die Politik. Man darf auch nicht vergessen, dass einige Minister zuvor als Pfarrer gearbeitet haben und dann in die Politik gegangen sind."
Der Einfluss der Dutch Reformed Church auf Politik und Gesellschaft war vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts enorm groß. In dieser Zeit war es kaum möglich als weißer Afrikaner einen Job zu bekommen, ohne den Segen der lokalen Gemeinde. Eine Trennung von Politik und Kirche gab es nicht. Die Dutch Reformed Church wurde deshalb auch als die Religion der Apartheid bezeichnet und aus dem Reformierten Weltbund ausgeschlossen. In jenen Jahren lieferte die Dutch Reformed Church den theologischen Unterbau für das Konzept der Rassentrennung. Mit Verweis auf altes und neues Testament wurde die Theologie der Apartheid als gottgegeben gerechtfertigt. Ian Nell:
"Wenn man bestimmte Passagen mit der Rassenbrille liest, fängt man an darüber nachzudenken, dass die Menschen voneinander getrennt leben sollten. Das es letztlich besser für sie ist. Schwarze sollten deshalb ihre eigenen Kirchen haben, in denen sie auf ihre Art den Gottesdienst feiern können. Was damals geschehen ist, ist dass die Schriften vom Rassenstandpunkt aus interpretiert wurden."
Aus diesem Grund entstanden sogenannte Tochterkirchen – für schwarze, farbige und indisch-stämmige Südafrikaner. Die weißen Buren wollten auch in der Kirche unter sich bleiben. Dies ist mehrheitlich auch heute noch so, auch wenn sich mit dem Ende der Apartheid und den ersten demokratischen Wahlen im Land 1994 auch in der Dutch Reformed Church viel getan hat. 1986 gestand die Kirche ein, dass die Rassentrennung nicht als biblischer Imperativ verstanden werden könne.
Doch erste 1992 und damit zwei Jahre nach der Freilassung Nelson Mandelas aus dem Gefängnis bezeichnete die Kirche Apartheid als Sünde und gestand ein, für die Ungerechtigkeiten mit verantwortlich zu sein. Dieses Eingeständnis der Kirchenführung führte allerdings in vielen konservativen Gemeinden auf dem Land zu Protesten.
Es ist diese Geschichte der Kirche, die dazu geführt hat, dass viele Südafrikaner die Dutch Reformed Church verlassen haben. Sie fühlen sich getäuscht, erzählt Ian Nell von der Uni Stellenbosch – auch er ist ein Mitglied der Dutch Reformed Church.
"Es ist einfach so, dass es eine ganze Generation gibt, die sagt: 'Wir haben das damals alles geglaubt, dann hat man uns das Gegenteil bewiesen, Apartheid lässt sich nicht mit der Bibel belegen. Warum sollen wir jetzt noch der Kirchenführung irgendetwas glauben?' Diese ganzen Diskussionen gibt es und sie spielen eine große Rolle. Es ist deshalb wichtig, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen."
Dies ist nach Meinung von Nell heute, mehr als 18 Jahre nach dem Ende der Apartheid, vor allem die Linie der Kirchenführung. So verabschiedete die Dutch Reformed Church auf ihrer Synode im vergangenen Jahr das Bekenntnis von Belhar. Zentrale Anliegen der theologischen Erklärung sind Einheit, Versöhnung und Gerechtigkeit. Doch bevor es in Kraft treten kann müssen noch die Kirchengemeinden zustimmen und die, da sind sich sowohl der Wissenschaftler Nell als auch der Pfarrer Achenbach einig, werden dem Bekenntnis nicht ohne weiteres zustimmen. Die Dutch Reformed Church ist die einzige Institution aus der Apartheidära, die heute noch existiert. Für viele Gemeindemitglieder, die der Kirche nicht den Rücken gekehrt haben, ist dies von großer Bedeutung. Andre Achenbach:
"Für viele weiße, afrikaans-sprechende Südafrikaner ist die Dutch Reformed Church der einzige Platz in ihrer kulturellen Existenz, an dem sie wöchentlich andere weiße, afrikaans-sprechende Südafrikaner treffen können und ein Gemeinschaftsgefühl haben. Und sie wollen, dass das so bleibt. In vielen Kirchengemeinden gibt es deshalb Widerstand gegen den Versuch Schwarze, Farbige und Indischstämmige in die Kirchen zu holen. Die Weißen wollen sich so fühlen, wie während der Apartheid, sicher und geschützt."
Die Dutch Reformed Church spielt im gesellschaftlichen Alltag in Südafrika keine große Rolle mehr. Viele treten aus und von den noch eine Million Mitgliedern sind mehr als die Hälfte über 60 Jahre alt. Andre Achenbach, der Pfarrer der Sonnenstrahlgemeinde aus Durbanville bei Kapstadt, bezeichnet sich deshalb auch als Bestatter der Dutch Reformed Church.
"Ich sehe mich als Bestatter, weil ich mich dazu verpflichtet fühle, zu verhindern, dass die Kirche noch einmal solch ein Imperium wird. Die Kirche sollte nicht um ihre Existenz kämpfen, sie sollte sich vielmehr um die von Gott vorgegebenen Ziele kümmern. Und die sind: Transformation, Frieden und Versöhnung. Und diesbezüglich liegt noch eine Menge Arbeit vor uns."
"Es sind vor allem die kleinen Kirchen, die dicht machen müssen und die in den Innenstädten. Dort verliert die Dutch Reformed Church die meisten Mitglieder. Es gibt natürlich einige Mitglieder, die in die Vororte ziehen und sich dort einer der größeren Gemeinden anschließen. Aber in den Innenstädten sind wir kaum noch präsent."
Im vergangenen Jahr sind in Südafrika 20.000 Menschen aus der Dutch Reformed Church ausgetreten. Das sind die offiziellen Zahlen. Pfarrer Achenbach glaubt, dass die tatsächlichen Zahlen weit höher liegen. Er spricht deshalb auch von einer sterbenden Glaubensgemeinschaft. Eine Entwicklung die ihn nicht überrascht angesichts der Geschichte der Dutch Reformed Church in Südafrika. Die kam im 17. Jahrhundert mit holländischen Seefahrern ans Kap und breitete sich im Laufe der Zeit im Land weiter aus. Als 1948 die Nationale Partei in Südafrika die Wahlen gewinnt und die Rassentrennung zum Gesetz macht, ist die Dutch Reformed Church nahezu allmächtig, erzählt der Religionswissenschaftler Ian Nell von der Universität in Stellenbosch.
"Die Dutch Reformed Church hat sich immer in die Politik eingemischt. Es gibt auch viele Stimmen die sagen, dass Apartheid in den Kirchen begonnen hat und sich dann weiter verbreitet hat aufgrund des Einflusses der Kirche auf die Politik. Man darf auch nicht vergessen, dass einige Minister zuvor als Pfarrer gearbeitet haben und dann in die Politik gegangen sind."
Der Einfluss der Dutch Reformed Church auf Politik und Gesellschaft war vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts enorm groß. In dieser Zeit war es kaum möglich als weißer Afrikaner einen Job zu bekommen, ohne den Segen der lokalen Gemeinde. Eine Trennung von Politik und Kirche gab es nicht. Die Dutch Reformed Church wurde deshalb auch als die Religion der Apartheid bezeichnet und aus dem Reformierten Weltbund ausgeschlossen. In jenen Jahren lieferte die Dutch Reformed Church den theologischen Unterbau für das Konzept der Rassentrennung. Mit Verweis auf altes und neues Testament wurde die Theologie der Apartheid als gottgegeben gerechtfertigt. Ian Nell:
"Wenn man bestimmte Passagen mit der Rassenbrille liest, fängt man an darüber nachzudenken, dass die Menschen voneinander getrennt leben sollten. Das es letztlich besser für sie ist. Schwarze sollten deshalb ihre eigenen Kirchen haben, in denen sie auf ihre Art den Gottesdienst feiern können. Was damals geschehen ist, ist dass die Schriften vom Rassenstandpunkt aus interpretiert wurden."
Aus diesem Grund entstanden sogenannte Tochterkirchen – für schwarze, farbige und indisch-stämmige Südafrikaner. Die weißen Buren wollten auch in der Kirche unter sich bleiben. Dies ist mehrheitlich auch heute noch so, auch wenn sich mit dem Ende der Apartheid und den ersten demokratischen Wahlen im Land 1994 auch in der Dutch Reformed Church viel getan hat. 1986 gestand die Kirche ein, dass die Rassentrennung nicht als biblischer Imperativ verstanden werden könne.
Doch erste 1992 und damit zwei Jahre nach der Freilassung Nelson Mandelas aus dem Gefängnis bezeichnete die Kirche Apartheid als Sünde und gestand ein, für die Ungerechtigkeiten mit verantwortlich zu sein. Dieses Eingeständnis der Kirchenführung führte allerdings in vielen konservativen Gemeinden auf dem Land zu Protesten.
Es ist diese Geschichte der Kirche, die dazu geführt hat, dass viele Südafrikaner die Dutch Reformed Church verlassen haben. Sie fühlen sich getäuscht, erzählt Ian Nell von der Uni Stellenbosch – auch er ist ein Mitglied der Dutch Reformed Church.
"Es ist einfach so, dass es eine ganze Generation gibt, die sagt: 'Wir haben das damals alles geglaubt, dann hat man uns das Gegenteil bewiesen, Apartheid lässt sich nicht mit der Bibel belegen. Warum sollen wir jetzt noch der Kirchenführung irgendetwas glauben?' Diese ganzen Diskussionen gibt es und sie spielen eine große Rolle. Es ist deshalb wichtig, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen."
Dies ist nach Meinung von Nell heute, mehr als 18 Jahre nach dem Ende der Apartheid, vor allem die Linie der Kirchenführung. So verabschiedete die Dutch Reformed Church auf ihrer Synode im vergangenen Jahr das Bekenntnis von Belhar. Zentrale Anliegen der theologischen Erklärung sind Einheit, Versöhnung und Gerechtigkeit. Doch bevor es in Kraft treten kann müssen noch die Kirchengemeinden zustimmen und die, da sind sich sowohl der Wissenschaftler Nell als auch der Pfarrer Achenbach einig, werden dem Bekenntnis nicht ohne weiteres zustimmen. Die Dutch Reformed Church ist die einzige Institution aus der Apartheidära, die heute noch existiert. Für viele Gemeindemitglieder, die der Kirche nicht den Rücken gekehrt haben, ist dies von großer Bedeutung. Andre Achenbach:
"Für viele weiße, afrikaans-sprechende Südafrikaner ist die Dutch Reformed Church der einzige Platz in ihrer kulturellen Existenz, an dem sie wöchentlich andere weiße, afrikaans-sprechende Südafrikaner treffen können und ein Gemeinschaftsgefühl haben. Und sie wollen, dass das so bleibt. In vielen Kirchengemeinden gibt es deshalb Widerstand gegen den Versuch Schwarze, Farbige und Indischstämmige in die Kirchen zu holen. Die Weißen wollen sich so fühlen, wie während der Apartheid, sicher und geschützt."
Die Dutch Reformed Church spielt im gesellschaftlichen Alltag in Südafrika keine große Rolle mehr. Viele treten aus und von den noch eine Million Mitgliedern sind mehr als die Hälfte über 60 Jahre alt. Andre Achenbach, der Pfarrer der Sonnenstrahlgemeinde aus Durbanville bei Kapstadt, bezeichnet sich deshalb auch als Bestatter der Dutch Reformed Church.
"Ich sehe mich als Bestatter, weil ich mich dazu verpflichtet fühle, zu verhindern, dass die Kirche noch einmal solch ein Imperium wird. Die Kirche sollte nicht um ihre Existenz kämpfen, sie sollte sich vielmehr um die von Gott vorgegebenen Ziele kümmern. Und die sind: Transformation, Frieden und Versöhnung. Und diesbezüglich liegt noch eine Menge Arbeit vor uns."