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Stütze im Alltag

Wer nach der Schulzeit ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) absolviert, wird vor allem in Altenheimen und Krankenhäusern eingesetzt. Die 18-jährige Vanessa Da Rold arbeitet in einem Altenheim in Duisburg. Für sie bedeutet die Arbeit Spaß und Orientierung beim Start ins Berufsleben.

Von Kai Toss |
    Vanessa Da Rold ist eine ruhige junge Frau. Wenn sie die Altenheimbewohner in ihren Zimmern aufsucht, um ihnen bei der Verrichtung alltäglicher Dinge zu helfen, hat sie immer ein Lächeln übrig. Trotz der Hektik des Alltags, der auch an einer Absolventin des Freiwilligen Sozialen Jahres nicht vorbei geht.

    "Ich wasche die Leute, ziehe sie an, hole sie aus den Betten raus, reiche Essen, gehe mit ihnen zur Toilette. Das war es."

    Zahlreiche Bewohner des Heimes sind bettlägerig, viele sind altersdement, können sich also zeitlich und räumlich nicht mehr orientieren. Mit verwirrten Menschen umzugehen, ist nicht immer einfach. Dennoch, das Verhältnis zu ihnen, sagt Vanessa Da Rold,

    "ist eigentlich recht gut. Ich komme auch gut mit denen klar. Das funktioniert schon."

    "Heute gibt es Spinat mit Ei und Kartoffeln."

    Mittagszeit im Altenheim. Vanessa Da Rold geht ins Zimmer einer italienischen Bewohnerin, die bettlägerig ist.

    "Ich reiche der Bewohnerin jetzt das Essen. Gut?"

    "Bene, molto bene"

    "Heiß, ne?"

    Die Frau spricht kaum Deutsch. Sie trinkt die Suppe aus einer Schnabeltasse, einem Plastikbecher mit einer Art Trichteraufsatz. Seit dem vergangenen August arbeitet Vanessa Da Rold im Heim. Elf Tage Dienst, drei Tage frei, Arbeit auch an Wochenenden und Feiertagen, im Früh- und Spätdienst.

    Jürgen Franz ist der Vorgesetzte der Pflegekräfte. Junge Leute, die sich für ein Freiwilliges Soziales Jahr entscheiden, könnten selber bestimmen, was sie in der Pflege machen wollen – und was nicht. Auf jeden Fall soll vermieden werden, dass die jungen Leute überfordert werden. Regelmäßig finden deshalb Gespräche statt.

    "Es kann sein, dass manche schon Pflegeerfahrung haben, vielleicht mal ein Praktikum in einem anderen Pflegeheim gemacht haben oder im Krankenhaus, vielleicht auch Angehörige gepflegt haben. Diese Menschen haben wir auch, und je nachdem, wie der Wissensstand ist, werden die Leute bei uns eingesetzt. Das heißt, dass examinierte Altenpfleger die jungen Menschen begleiten und ihnen die Aufgaben einer Pflegekraft erklären und auch zeigen, natürlich."

    Sterbebegleitung, also in den letzten Tagen und Stunden im Leben eines Bewohners dabei zu sein, Halt und Trost zu spenden im Angesicht des Todes, das macht Vanessa nicht.

    "Ich nehme schon ab und zu Sachen mit nach Hause."

    Vanessa Da Rold stockt, denkt nach, was sie im Heim hin und wieder bedrückt.

    "Tod zum Beispiel. Wenn jemand verstorben ist, dann knabbert man schon daran."

    Der Lohn für die Arbeit im Seniorenzentrum: 205 Euro pro Monat. Hinzu kommen ein Monatsticket für die Bahn und kostenlose Mahlzeiten während des Dienstes. Wolfgang Krause ist der Geschäftsführer der AWO, der Arbeiterwohlfahrt in Duisburg. Seit die Dauer des Zivildienstes auf derzeit neun Monate gesenkt wurde, versucht Krause, mehr junge Leute im Freiwilligen Sozialen Jahr einzusetzen, zumal sie sich – im Gegensatz zum Zivildienst – bewusst für die Arbeit im sozialen Bereich entscheiden, dementsprechend auch motivierter seien. Aber, räumt Krause ein, viele wählten das Freiwillige Soziale Jahr auch, weil sie nach der Schule keine Ausbildung bekommen haben.

    "Wir müssen die gesellschaftliche Realität sehen, dass viele Jugendliche nicht den Ausbildungsplatz finden, weil es nicht genügend Ausbildungsplätze gibt. Da finde ich dann, dass man den Jugendlichen mit großer Achtung begegnen sollte, die dann eben sagen: Ich trödele nicht rum, ich mache etwas Vernünftiges."

    Auch Vanessa Da Rold hat nach ihrem Hauptschulabschluss keinen Ausbildungsplatz gefunden. Nach dem Freiwilligen Sozialen Jahr will sie ihre mittlere Reife, die so genannte Fachoberschulreife auf der Abendschule nachholen und anschließend eine Ausbildung zur Altenpflegerin beginnen. Bis dahin dauert es noch eine Weile.

    Die nächste Bewohnerin wartet. Bei ihr muss die Einlage, eine Windel, gewechselt werden, dann muss sie umgelagert werden, damit sie sich nicht wund liegt. Anschließend geht es zu Frau Krusenbaum, ihrer Lieblingsbewohnerin zum Quatschen. Die Themen:

    "Eigentlich über alles. Darüber, was sie hier arbeitet und dass sie Spaß daran hat. Dann sag ich immer zu ihr: Das ist schwer, wie die Omas und die Mütter halt immer so sagen. Aber sie hat Spaß daran, sagt sie."

    Spaß am Freiwilligen sozialen Jahr. Vanessa Da Rold hofft aber vor allem auf bessere Chancen, einen Ausbildungsplatz in der Altenpflege zu bekommen. Sie rät deshalb allen zum FSJ, die arbeitslos seien...

    "oder die, die nicht wissen, was sie nach der Schule machen sollen. Denen würde ich raten, das zu machen."