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Sturm auf die Museen

Auch in Schweden ringen die Museen mit dürftigen Finanzen. Aber nach englischem Vorbild hat man dort zumindest die Besucherzahlen steigern können, indem man freien Eintritt gewährt. Die Besucher sind begeistert. Im Architekturmuseum schleichen jetzt doppelt so viele Schweden um Bauskizzen und Häusermodelle, im Schifffahrtsmuseum in Stockholm sind im Januar gar sieben Mal so viele Besucher gekommen.

Von Agnes Bührig |
    Das staatliche Kunstmuseum "Moderna Museet" in Stockholm an einem ganz normalen Wochentag. In die hell erleuchtete Eintrittshalle strömen fröstelnde Schweden. Im Museumsladen blättern ein Dutzend Besucher in Kunstbänden, an der frei stehenden Kaffeetheke erholen sich Kunststudenten aus Südschweden gerade von ihrem Gang durch die Beständesammlung. Karolina Eklund, die für die Außendarstellung des Hauses zuständig ist, freut sich über das große Interesse:

    Wir haben jetzt mehr Besucher hier. Im letzten Jahr kamen 680.000 Kunstinteressierte, das ist einer dreimal so viel wie vorher. Das ist unser bestes Ergebnis seit 1998 als das Museum nach einer Renovierung wiedereröffnet wurde. Das heißt, dass jetzt mehr Menschen ins staatliche Museum kommen und Kunst wahrnehmen. Ich finde, das ist eine wunderbare Reform.

    Das Moderne Museum war eines der ersten Häuser, das den freien Eintritt im letzten Jahr eingeführt hat. Monatelang war das Haus zuvor wegen einer Schimmelsanierung geschlossen. Sein findiger Leiter Lars Nittve, der zuvor Chef bei Tate Modern in London war, hatte die Schwäche zur Stärke gewandelt. Er lagerte die Bestände in der Renovierungszeit an spektakuläre Plätze aus und strich den Eintritt. Eine Maßnahme, die bereits in England funktioniert hatte.

    Auch in Stockholm waren die Reaktionen überwältigend: Die Besucher sind begeistert. Im Architekturmuseum schleichen jetzt doppelt so viele Schweden um Bauskizzen und Häusermodelle, im Schifffahrtsmuseum in Stockholm sind im ersten Monat gar sieben Mal so viele Besucher gekommen, erzählt Museumschef Klas Helmerson:

    Unser größtes Problem ist zur Zeit, dass wir zu wenig Platz für Kinderwagen haben. Ich habe manchmal das Gefühl, dass mehr Kinder als Erwachsene kommen. Wenn ich längerfristig gucke, wird sicher die Finanzierung kritisch. Ich glaube, für die Reform sind zu wenig Gelder bereit gestellt worden.

    95 Millionen Kronen Zuschüsse, umgerechnet etwa 10 Millionen Euro, hat der Kultusminister zunächst bewilligt, um fehlende Einnahmen zu kompensieren. Mit diesen Mitteln soll zusätzliches Personal bezahlt werden und neue pädagogische Projekte. 1,4 Millionen Euro von der veranschlagten Summe sind ans Moderne Museum geflossen. Finanzmittel, die nicht ganz ausgereicht haben, meint Museumschef Lars Nittve. Am Ende des Jahres klaffte eine Finanzierungslücke von umgerechnet 200.000 Euro im Haushalt. Um die teure Munchausstellung zu finanzieren, die jetzt erstmals die Selbstportraits des großen Norwegers versammelt, will das Museum daher ausnahmsweise wieder Eintritt nehmen. Das Niveau der staatlichen Zuschüsse muss langfristig erhöht werden, um die weggefallenen Eintrittsgelder zu kompensieren, so Nittve:

    Die Konsequenzen sind eher längerfristig als kurzfristig. Wenn dieses Niveau beibehalten wird, im nächsten und auch im übernächsten Jahr, dann können wir die phantastischen Möglichkeiten nicht ausnutzen, die dieses Haus bietet. Und das fände ich sehr schade, besonders im Hinblick auf unser Publikum.

    Neue Besucherkreise anzusprechen, das war im traditionell sozialdemokratischen Schweden das wichtigste Argument für freien Eintritt in Museen. Im Modernen Museum ist diese Rechnung zum Teil aufgegangen. Die Veranstalter haben mehr Menschen gezählt, die das Museum zum ersten Mal besucht haben. Und es kommen jetzt mehr Menschen mit niedriger Schulbildung als vorher. Kultur wird erschwinglich für breitere Besucherschichten.

    Die Angestellten jedoch könnten die Verlierer der Reform werden, befürchtet die Gewerkschaft DIS. Sie vertritt die Mitarbeiter in den Museen. Im Architekturmuseum wurde bereits beraten, ob 10 Stellen gestrichen werden können, berichtet Karin Linder von DIS:

    Das können Kuratoren oder Konservatoren sein, in der Verwaltung oder im Archiv. Ich glaube, da ist die Gefahr am größten. Vor allem die Mitarbeiter, die nicht sichtbar sind nach außen, sie sind am stärksten von einer Kündigung bedroht.

    Ob sich das Modell etablieren wird, hängt also vor allem mit der Entwicklung der staatlichen Kompensationszahlungen zusammen. Das Publikum jedenfalls hat das neue Angebot bereits mit Begeisterung angenommen.