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Suchauge in der Umlaufbahn

Erdbeobachtung. - Leckenden Öl-Tankern auf den Weltmeeren spürt er ebenso nach wie den Schäden nach Erdbeben: TerraSAR-X heißt der modernste Radarsatellit der Welt - ein Hightech-Produkt made in Germany. Seine Leistungen stehen derzeit im Mittelpunkt der 7. "Europäischen Konferenz für SAR-Systeme und Technologie" in Friedrichshafen.

Von Thomas Wagner | 04.06.2008
    Fast auf den Tag genau vor einem Jahr startete der deutsche Radarsatellit TerraSAR-X vom kasachischen Weltraumbahnhof Baikonour in seine 516 Kilometer hohe Erdumlaufbahn. Erst kürzlich, bei der Erdbebenkatastrophe in China, bestand er seine erste große Bewährungsprobe.

    "Wir waren mit TerraSAR in der Lage, ziemlich als einziger Sensor die aktuelle Situation aufzuzeichnen und konnten so viel Detailgenauigkeit erheben, um die Einsätze konkreter steuern zu können. Solche Informationen waren beispielsweise Hangrutschungen, die Flüsse aufgestaut haben oder Straßen blockiert haben oder beispielsweise Brückenzusammenstürze, um damit auch die Verkehrswegeplanung zu unterstützen", "

    erläutert Jörg Hermann, Geschäftsführer der Infoterra GmbH. Die ist als 100prozentige Tochter des Weltraumkonzerns EADS/Astrium für die Vermarktung der Satellitendaten zuständig - ein Geschäft mit Zukunft. Denn TerraSAR-X, der von EADS/Astrium entwickelt und gebaut wurde, gilt mit einer Bildauflösung von gerade mal einem Meter trotz der hohen Umlaufbahn als genauester Radarsatellit der Welt. Für diese Auflösung bräuchte der Satellit eigentlich eine Antenne, die viele hundert Meter lang ist - ein Ding der Unmöglichkeit. Um dennoch die Erdoberfläche detailgenau beobachten zu können, verfügt TerraSAR-X über eine Art "virtuelle Antenne". Die Fachleute sagen dazu "synthetische Apertur", kurz SAR oder "Synthetic Aperture". Apertur bedeutet in der Optik ursprünglich die Öffnung eines Teleskops, aus der das Licht auf die Linsen geleitet wird. Die synthetische Apertur wird bei TerraSAR-X im bordeigenen Computer errechnet. Dabei macht sich das Programm winzige Frequenzverschiebungen zunutze, die beim Überfliegen der Erdoberfläche und beim Anvisieren eines bestimmten Ziels dort entstehen. "Doppler-Effekt" heißt das in der Fachsprache der Experten. Sebastian Riegger, Leiter für Mikrowelleninstrumente bei EADS/Astrium:

    " "Wenn jetzt ein Polizeiauto an Ihnen vorbeifährt, macht das ja so einen unterschiedlichen Ton, so Uhhm. Das heißt: Da ändert sich beim Durchfahren der Ton. Und genau diesen Effekt nehmen wir her."

    Der Rechner kennt zu jeder Sekunde die genaue Position des Satelliten. Und er weiß, wie lange das Radarsignal zur Erdoberfläche und wieder zurück benötigt. Aus den Frequenzverschiebungen zwischen gesendetem und empfangenem Signal lässt sich entlang der Flugbahn eine "virtuelle Antenne", eben die "synthetische Apertur", hochrechnen, die die hohe Beobachtungsgenauigkeit von einem Meter an der Erdoberfläche ermöglicht. Doch solche "SAR"-Systeme gibt es in der Satellitentechnik bereits seit drei Jahrzehnten. "TerraSAR-X" verfügt, so Sebastian Riegger, zusätzlich über eine so genannte aktive Radarantenne.

    "Die besteht aus sehr vielen Einzelantennen. Und jede dieser Einzelantennen, in unserem Fall beim TerraSAR-X haben wir 384 Einzelantennen, mit 384 Sende- und Empfangsmodulen, und jede dieser Empfangsmodelle können sie unterschiedlich und separat ansteuern."

    Wahlweise lassen sich an der Oberfläche kleinste Details bis zu einer Länge von einem Meter oder größere Flächen beobachten. Je nach Forschungsauftrag sind daneben aber auch großflächige Radarscans möglich - und das sogar gleichzeitig. Damit lassen sich Daten für unterschiedliche Forschungsaufträge im selben Augenblick, beim selben Überflug, gewinnen, was neben technischen vor allem wirtschaftliche Vorteile mit sich bringt: Die Radardaten aus dem All werden mit diesem Verfahren erheblich billiger als bisher. Seit Februar übermittelt TerraSAR-X seine Daten zur Erde. Dabei gewinnen die Wissenschaftler unter anderem wichtige Erkenntnisse über den Klimawandel. Professor Alberto Moreira vom DLR Oberpfaffenhofen:

    "Ein wichtiger Parameter in dieser Klimaforschung ist die Bestimmung der Bodenfeuchte. Tendenziell gibt es so eine Austrocknung der Landflächen. Also wenn man global auf die Erde sieht, werden die Landflächen insgesamt trockener. Dafür werden auch diese Extremereignisse immer stärker. Sie haben stärkere Zeiten für trockene Perioden, auch längere Zeiten für Regen. Diese Extreme werden immer stärker. Und um besser zu erstehen, wie sich das Klima verändert, um so eine globale Modellierung zu ermöglichen, braucht man die Bodenfeuchte."

    Dazu eignen sich kurzwellige Radarstrahlen im so genannten "X-Band", was einer Wellenlänge von etwa drei Zentimetern entspricht, besonders gut. Diese Strahlung dringt zwar durch Wolkendecken, erfasst aber den Zustand der Erdoberfläche. Neben wissenschaftlichen Projekten diskutieren die Fachleute in Friedrichshafen aber die kommerziellen Nutzungsmöglichkeiten der Daten, die TerraSAR-X zur Erde funkt. Und davon gibt es, so Info-Terra-Geschäftsführer Jörg Hermann, eine ganze Menge - angefangen beim Aufspüren von Abfall-Verklappungen und Ölverschmutzungen auf den Weltmeeren bis hin zur Landwirtschaft:

    "Im Agrarbereich geht es beispielsweise, um ein Beispiel zu nennen, darum, verschiedene Fruchtarbeiten hinsichtlich ihrer Erträge zu bewerten und Ertragsvorhersagen daraus abzuleiten. Darüber hinaus gibt es natürlich auch Anwendungen mit klassischem Charakter: Das ist schlichtweg die Kartierung, die topographische Kartierung. Das haben wir früher vom Flugzeug aus gemacht und können es heute direkt mit TerraSAR umsetzen."