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Suche nach den Doping-Hintermännern

US-Radprofi Lance Armstrong, der Tour-Rekordsieger, hat Probleme mit den amerikanischen Gesetzen: Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Betrugs und Verschwörung. Der Verdacht: Die US-Post wurde in ihrer Sponsorenrolle durch Doping um Millionen Dollar gebracht.

Von Jürgen Kalwa |
    In all den Jahren hat Lance Armstrong am liebsten immer eine Strategie angewendet, wenn etwas seinen Ruf als Saubermann bedrohte: alles bestreiten. Skeptiker bezichtigen, sie hätten niedere Motive. In Pressekonferenzen kritische Fragesteller abkanzeln.

    Die Medien in den Vereinigten Staaten stützten ihn als nationales Heiligtum und ließen seinen Tiraden freien Lauf. Typisch – ein ausführliches Fernsehinterview 2004 nach dem Erscheinen des Enthüllungsbuches "L.A. Confidentiel” in Frankreich. Talk-Show-Gastgeber Charlie Rose zerfloss fast vor Bewunderung und gab Armstrong ungeniert eine Plattform, um vor einem Millionenpublikum die Arbeit der beiden Autoren David Walsh und Pierre Ballester zu zerreißen und die Zeitung, für die Walsh arbeitet, gleich noch dazu:

    ""Walsh schreibt in der Sunday Times, Lance Armstrong sei positiv getestet worden. Das ist eine ernste Anklage. Zeig mir, dass ich je positiv getestet wurde. Falls ja, würde ich hier nicht sitzen. Das ist unglaublich verleumderisch. Das ist nicht wahr. Und das in der angeblich besten Zeitung in England und einer der am meisten respektierten der Welt.”"

    So wollte der 38-Jährige die schweren Vorwürfe von Floyd Landis anfänglich als Erfindungen eines Lügenboldes abtun. Aber im Jahr 2010 herrscht eine andere Einstellung vor allem in der Print-Branche. Zeitungen wie die New York Times und die New York Daily News liefern sich ein Wettrennen, um ständig neue Details der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Los Angeles und der Lebens- und Arzneimittelaufsicht in Washington zu veröffentlichen.

    Auf diese Weise wurde in dieser Woche einiges bekannt. Darunter, dass die Ermittler den Cordon enger ziehen und Kraft ihres Amtes von Radhersteller Trek die Herausgabe von Dokumenten verlangt haben. Sie wollen wissen, was an dem Hinweis von Landis zurzeit im US-Postal-Team dran ist. Angeblich hatte man damals das Geld für die Dopingmittel durch den Verkauf von teuren Rennrädern aufgetrieben. Ehemalige Mannschaftskameraden wurden bereits vernommen.

    Die Strafverfolger scheinen eine ganz bestimmte Stoßrichtung zu verfolgen. Sie wollen herausfinden, ob es am Ende hinreichende Verdachtsmomente gibt, um die Hintermänner von Armstrongs einstigem US-Postal-Team wegen Betrug und Verschwörung zur Verantwortung zu ziehen. Denn die amerikanische Post gilt rein rechtlich als Regierungseinrichtung. Und die – durch Doping – um ihre Sponsoren-Millionen zu bringen und zu betrügen, ist ein Verbrechen.

    Armstrong hat es dabei mit abgehärteten Ermittlern zu tun. An der Spitze: der ehemalige Steuerfahnder Jeff Novitzky, der zuerst bei BALCO und dann im Profi-Baseball das Netz der Doper und ihrer Lieferanten aufdeckte.

    Es ist diese brisante Vorgeschichte, die eine Reihe von amerikanischen Journalisten motiviert, selbst zu Detektiven zu werden. Hin und wieder mit ganz plastischen Resultaten in ziemlich wichtigen Details. Nur wenige Stunden nachdem etwa Armstrong am Mittwoch vor der zehnten Tour-Etappe behauptet hatte, niemals Miteigentümer der Managementfirma Tailwind gewesen zu sein, die den US-Postal-Rennstall betrieb, wurde bekannt, dass er 2005 das komplette Gegenteil gesagt hatte.

    Unter Eid in einer Vernehmung in einem zivilen Schiedsgerichtsverfahren, erklärte er, dass ihm zehn Prozent von Tailwind gehören. Sein Manager bestätigte das – ebenfalls unter Eid. Flugs gab sein Anwalt eine neue Version heraus – alles sei wohl nur ein Irrtum gewesen. Der siebenfache Tour-de-France-Gewinner sei tatsächlich erst 2007 Mitinhaber geworden. Das stellten die aufmerksamen Berichterstatter sogleich infrage. 2007 hatte sich der letzte große Kunde, der Discovery Channel, von Tailwind getrennt. Mit anderen Worten: Die Glaubwürdigkeit des Stars zerrinnt.

    Der wird bis zum Ende der Tour am kommenden Sonntag in Frankreich bleiben. Aber bis dahin werden die Ermittler schon weiter sein und womöglich bereits mit Greg LeMond gesprochen haben, der um seine Aussage gebeten wurde.

    Der dreifache Tour-de-France-Sieger könnte den Strafverfolgern durchaus helfen. Zum Beispiel mit dem Mitschnitt eines Telefonats, das seit einiger Zeit im Internet kursiert. Darin hatte die Mitarbeiterin eines Werbepartners von Armstrong zugegeben, dass sie dabei war, als der Krebspatient Armstrong im Krankenhaus gegenüber einem Arzt die Einnahme von zahllosen im Sport verbotenen Substanzen zugegeben hatte. Sie und andere Zeugen.

    Auch Armstrongs ehemalige Ehefrau Kristin sollte in nächster Zukunft mit einer Vorladung von der Staatsanwaltschaft rechnen. Sie hat bislang geschwiegen.