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Suchen im Web 2.0

Die EU-Kommission erteilte jetzt grünes Licht für "Theseus". Damit fiel der Startschuss für ein Konsortium Unternehmen, Verbänden und Forschungsinstitutionen, das sich zum Ziel gesetzt hat, nicht nur eine Suchmaschine, sondern auch Technologien für die nächste Generation des Internets zu entwickeln.

Von Pia Grund-Ludwig |
    Wenn deutsche Computerforscher einen Blick in die Kristallkugel wagen und sich das Internet der Zukunft vorstellen, dann sehen sie nicht mehr nur ein vielfältiges Angebot von Informationen. Sie sehen vielmehr ein Netz von Diensten, die sich flexibel verbinden lassen. Entscheidende Technologien für ein solches Netzwerk entstehen in den nächsten Jahren im Forschungsverbund Theseus.

    "Theseus ist ein Leuchtturmprojekt für das Internet der Dienste..."

    ... erklärt Professor Wolfgang Wahlster vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, dem DFKI in Saarbrücken. Sein Institut ist einer der Forschungspartner des Konsortiums. Es gehe darum, sich den Herausforderungen des Internet der nächsten Generation, des Web 3.0 zu stellen, so Wahlster:

    "Was wir neu haben, das Internet der Dienste heißt, dass wir Dienste interoperabel machen, das heißt, mehrere Dienste automatisch kombinieren können und dadurch immer höhere Dienstequalität erzeugen wollen."

    Mit im Boot sind zudem als Konsortialführer die Bertelsmann-Tochter Empolis, eine Reihe von Universitäten, Großunternehmen wie Siemens oder SAP, die Deutsche Nationalbibliothek sowie mittelständische Experten für semantische Anwendungen wie Moresophy oder Ontoprise. Sie wollen Verfahren weiterentwickeln, um Internet-Dienste zu beschreiben und damit verknüpfbar zu machen. Solche Dienste könnten beispielsweise Fahrpläne für Züge oder Angebote von Hotels sein, aber auch Software, die Aufgaben wie Personalverwaltung oder Logistik abwickelt. Die Koppelung unterschiedlicher Angebote wird dann beispielsweise in Unternehmen eingesetzt, um Bausteine von Software einfacher zu verknüpfen. Sie könnte aber auch den Alltag der Computerbenutzer verändern, so Wahlster:

    "Der normale Benutzer hat dann etwas von Theseus, wenn er komplexe Aufgaben über das Internet abwickeln will. Stellen sie sich vor, sie wollen einen Gebrauchtwagen verkaufen. Sie müssen ja zuerst einmal feststellen, wie viel ist ihr Wagen noch wert, Preisbestimmung, sie wollen das in eine Automobilbörse einstellen, drittens, wenn es verkauft ist, soll es automatisch abgemeldet werden. Außerdem soll geprüft werden, ist die Bezahlung auf ihr Konto eingegangen. Dieser Vorgang besteht aus mehreren kleinen Diensten und unsere Vorstellung ist, dass auch der Privatmann sich solche komplexen Dienste sich sehr schnell konfigurieren kann."

    Um das zu erreichen, ist eine sehr detaillierte Beschreibung der Dienste notwendig, damit kein Chaos entsteht. So kommt es beim Verkauf eines Autos etwa darauf an, dass die einzelnen Bausteine nicht nur zusammengefügt werden, sondern dass auch alle Schritte in der richtigen Reihenfolge absolviert werden. Sonst ist die Versicherung abgemeldet, aber das Auto noch gar nicht verkauft. Diese Beschreibung der Abläufe ist aufwändig und teuer und kommt deshalb bislang nicht so recht voran. Hilfe soll von Communities des Web 2.0 kommen. So könnten Filmfreaks Beschreibungen ihrer Lieblingsstreifen beisteuern. Auch Fachleute, die Abläufe für ihre Arbeit optimiert haben, könnten dieses Wissen weitergeben und vom Know-how anderer profitieren. Theseus ist aber nicht unumstritten. Ursprünglich sollte es ein gemeinsames Projekt mit französischen Partnern sein. Das ist jedoch an der Frage gescheitert, ob an grundlegenden Verfahren gearbeitet wird, die Suchmaschinen wie Google oder Yahoo Paroli bieten. Dafür hatten die Franzosen plädiert. Das wäre auch ein sinnvoller Weg gewesen, meint auch der Verein Suma in Hannover. Dessen Betreiber haben in den vergangenen Jahren immer wieder Bausteine für Suchmaschinen entwickelt wie die Metasuchmaschine Metager. Mit Theseus werde die letzte Chance verspielt, die es in Deutschland gegeben hätte, um den massiven technologischen Rückstand in diesem Bereich zu verringern, wettern sie. Ihre Forderung: Anstatt sich auf Semantic Web zu konzentrieren, hätte man zunächst versuchen sollen, mit den enormen Informationsmengen des Internet umzugehen:

    "Das Problem ist, dass bei Theseus der zweite Schritt vor dem ersten gemacht wird. Man muss meiner Meinung nach erst mal eine grundlegende Infrastruktur für die Rohdaten haben, für die Suchmaschinen, um darauf aufsetzend mit dem Semantic Web arbeiten zu können, so ähnlich wie Google uns dies vormacht..."

    ...argumentiert Michael Nebel. Eine Zusammenführung der Ergebnisse mit denen der Franzosen, wie dies nach dem Auseinanderbrechen der geplanten Allianz vorgesehen war, hält Nebel für wenig wahrscheinlich:

    "Wenn sich ein Projekt, das gemeinsam angetreten ist, nach so langer Zeit nicht einigen konnte, was Gemeinsames auf die Beine zu stellen, so dass dann beide Partner versuchen, etwas eigenes zu machen - ob daraus wieder der Mut entsteht, etwas Gemeinsames zu machen, wäre schön, aber an der Stelle bin ich pessimistisch."