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Suchtprävention bei Jugendlichen

In Bielefeld begann am Montag die jährliche Fachtagung der Deutschen Hauptstelle für Suchtgefahren. Zentrales Thema ist in diesem Jahr die Prävention. Und da sind insbesondere die Jugendlichen eine der wichtigsten Zielgruppen, die die Suchtprävention erreichen will, denn der Konsum von Cannabis und synthetischen Drogen hat seit den 90er Jahren dramatisch zugenommen. Er ist fast schon selbstverständlicher Bestandteil der Jugendkultur.

Von Henning Mielke |
    Party in einem Szeneclub in Berlin Prenzlauer Berg. An die 300 junge Leute bevölkern die Tanzfläche. Sphärische Goa-Musik animiert zum Trance-Tanz. Abheben, den Alltag vergessen, Spaß haben – für viele Jugendliche ist das eng verbunden mit dem Konsum von Drogen. Jeder vierte Jugendliche in Deutschland, so schätzen Suchtexperten, konsumiert Cannabis. Wird die Droge täglich genommen oder mit anderen Substanzen wie Alkohol, Extasy, Amphetaminen oder Kokain kombiniert, spricht man von Risikokonsum. Jugendlichen mit solch riskanten Konsummustern gilt in jüngster Zeit die besondere Aufmerksamkeit der Suchtprävention. Andreas Gantner Psychologe im Therapieladen Berlin:

    Es reicht da nicht zu sagen: Es ist schlecht Drogen zu nehmen, sondern man muss an den Erfahrungen und an den Erlebnissen der Konsumenten anknüpfen und muss dann genau diese Differenzierung reinbringen. Das heißt zu überlegen, wie sieht denn Dein Konsum genau aus? Ab wann glaubst Du denn, gibt es ein Problem? Wie unterscheidest Du denn risikoarmen von risikoreichem Konsum? Was sind die Motive Deines Konsums? Gibt es noch andere Möglichkeiten, um das, was Du damit bewirkst, auf anderer Ebene zu erreichen? Das verstehen wir als sekundärpräventives Konzept.

    Während die traditionelle Primärprävention darauf zielte, dass Jugendliche durch Aufklärung gar nicht erst mit Drogen anfangen, will Sekundärprävention Risikoverminderung und Schadensbegrenzung bewirken. Und zwar bei denen, die bereits Suchtmittel konsumieren.
    Im Grunde ist es so, dass wir in den vergangenen 20 Jahren verschlafen haben, sekundärpräventive Konzepte zu entwickeln, wahrzunehmen, dass es eine signifikant große Gruppe gibt, die aktiv Drogen konsumiert, und dass es Strategien braucht, mit den Zielgruppen umzugehen.

    Es gibt großen Nachholbedarf für die Sekundärprävention. Peter Tossmann ist Konzeptentwickler und hat im Auftrag der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung das internetgestützte Ausstiegsprogramm "Quit the shit" entworfen, das seit August 2004 läuft.

    Damit sprechen wir Cannabiskonsumenten an, die einen regelhaften Cannabiskonsum betreiben und die meinen, dass dieser Konsum verändert werden müsste, weil negative Konsequenzen durch diesen Konsum inzwischen eingetreten sind. Das heißt, da liegen die Ziele dann darin, den Konsum überhaupt kritisch zu reflektieren, eine selbstkritische Einstellung zum eigenen Konsumverhalten zu bekommen und Konsumverhalten zu reduzieren, zu verändern oder gar einzustellen.

    "Quit the shit" bietet Cannabiskonsumenten ein 50 Tage-Programm an, mit dem der Konsum verringert oder ganz beendet werden kann. Per E-Mail werden die Ausstiegswilligen beraten und begleitet. Und es funktioniert: Obwohl erst in der Pilotphase, übersteigt die Nachfrage nach dem Programm "Quit the shit" bereits heute die Kapazitäten des Online-Beraterteams. Niedrigschwellige Angebote zur Risikominimierung sind gefragt. Mit radikalen "Ganz-oder-gar-nicht" Konzepten kommt man dem riskanten Drogenkonsum von Jugendlichen dagegen nicht bei, meint Peter Tossmann:

    Man muss sehen, dass die Mehrheit der Jugendlichen, die von der Sekundärprävention angesprochen werden, da handelt es sich ja nicht um chronisch Abhängige. Da handelt es sich um Jugendliche, die meistens über eine bestimmte Zeit einen problematischen Konsum betreiben. Und diesen problematischen Konsum gilt es zu fokussieren. Und da ist die Hälfte, wenn einer nur noch die Hälfte konsumiert, da ist schon eine ganze Menge getan. Das Ziel kann ja nur sein, das eigene Konsumverhalten möglichst risikoarm zu gestalten, und das kleinste Risiko geht man immer dann ein, wenn man den Drogenkonsum überhaupt lässt.