Freitag, 19. April 2024

Ein Jahr Bürgerkrieg im Sudan
Millionen droht der Hungertod

25 Millionen Menschen leiden im Sudan akut unter Hunger. Durch einen militärischen Machtkampf kommt kaum Hilfe bei der Zivilbevölkerung an. Bei einer Geberkonferenz wurde dem Land nun mehr Geld versprochen. Doch das reicht bei Weitem nicht.

17.04.2024
    Rauch über Häusern in der sudanesischen Hauptstadt Khartum. Ein Mann steht im Vordergrund, er ist nur eine Silhouette.
    Krieg im Sudan: Seit Mitte April 2023 kämpfen die Armee und die Miliz Rapid Response Forces in dem afrikanischen Land um die Vorherrschaft. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Marwan Ali)
    Im Sudan tobt ein blutiger Machtkampf zwischen Machthaber Abdel Fattah Abdelrahman Burhan und seinem ehemaligen Vize Mohammed Hamdan Daglo. Die Armee kämpft gegen die von Daglo angeführten Rapid Support Forces (RSF), einer paramilitärischen Miliz. Wegen des Konflikts hungern viele Menschen, 8,5 Millionen sind auf der FluchtNach Einschätzung des früheren UNO-Sonderbeauftragten für den Sudan, Volker Perthes, handelt es sich um die größte humanitäre Krise der Welt.

    Inhalt

    Wie stark leidet die Bevölkerung unter dem Machtkampf im Sudan?

    Die humanitäre Lage im Sudan ist katastrophal. Die medizinische Versorgung ist vielerorts zusammengebrochen, mehreren Millionen Menschen droht nach Angaben der Welthungerhilfe der Hungertod. Zivilisten werden Opfer militärischer Attacken: Tausende Menschen hat der Krieg schon das Leben gekostet.
    Außerdem verschärft sich die Lage in den Nachbarstaaten Südsudan und Tschad. Dort haben sich Hunderttausende vor den Kämpfen im Sudan in Sicherheit gebracht. Marius Schneider, Koordinator beim Deutschen Roten Kreuz, spricht von der größten Vertreibungskrise der Welt.
    Selbst Hilfsorganisationen werden angegriffen: Im vergangenen Jahr wurden Helfer von „Ärzte ohne Grenzen“ attackiert, die medizinische Hilfsgüter in ein Krankenhaus der Hauptstadt Khartum bringen wollten. UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths beschrieb die Lage im Sudan als „Bürgerkrieg der brutalsten Art“.

    Wie sieht die internationale Hilfe für den Sudan aus?

    Die Vereinten Nationen benötigen in diesem Jahr rund 2,7 Milliarden US-Dollar für die Sudan-Hilfe. Doch nach UN-Angaben haben die Geberländer bisher nur 145 Millionen US-Dollar, also rund fünf Prozent des benötigten Betrags, zur Verfügung gestellt.
    Auf einer Hilfskonferenz in Paris kündigte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock an, den Sudan mit weiteren 244 Millionen Euro an humanitärer Hilfe zu unterstützen. Laut Medienberichten kommen weitere 350 Millionen Euro von der EU sowie 110 Millionen Euro von Frankreich. Die USA wollen 147 Millionen Dollar zahlen. Doch selbst wenn die Zusagen eingehalten werden, fehlen der UNO noch etwa 1,5 Milliarden US-Dollar für das Jahr 2024.
    Internationale Initiativen, um den Krieg zu beenden, sind bislang gescheitert. Zwar haben sich die Konfliktparteien darauf geeinigt, die Zivilbevölkerung zu schützen, doch wurden verabredete Feuerpausen bisher nur teilweise oder gar nicht eingehalten.

    UN-Resolution ohne Wirkung

    Anfang März 2024 forderte der UN-Sicherheitsrat die Konfliktparteien im Sudan zu einer Waffenruhe während des muslimischen Fastenmonats Ramadan auf. Außerdem sollten sie den ungehinderten Transport von Hilfslieferungen über die Landesgrenzen und Frontlinien hinweg ermöglichen. Das sudanesische Militär erteilte der Resolution eine Absage, die Kämpfe dauerten an.
    Der frühere UN-Sonderbeauftragte für den Sudan, Volker Perthes fordert, die finanziellen Ressourcen der Kriegsparteien auszutrocknen. Das würde unter anderem bedeuten, die Gold-Exporte aus dem Land zu beenden. Damit finanzieren Perthes zufolge sowohl die Armee als auch die RSF-Miliz ihre Waffenkäufe.

    Wie ist die politische Lage im Sudan?

    Mitte April 2023 eskalierte ein schon länger schwelender Konflikt innerhalb des Sicherheitsapparats. Die militärische Konfrontation ließ das flächenmäßig drittgrößte Land Afrikas mit seinen rund 46 Millionen Einwohnern im Chaos versinken. Sudan ist reich an Rohstoffen wie Öl und Gold, aber die meisten Menschen dort leben in Armut.
    Eine Karte des afrikanischen Staats Sudan mit seiner Hauptstadt Karthoum
    Der Sudan: ein Land versinkt im Chaos. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Uncredited)
    In dem Krieg stehen sich Einheiten der Armee unter dem Kommando von Machthaber Abdel Fattah Abdelrahman Burhan und die rivalisierenden Rapid Support Forces (RSF) gegenüber. Die RSF sind eine paramilitärische Miliz und werden von Mohammed Hamdan Daglo angeführt, dem ehemaligen Vize von Burhan. Dieser hatte Daglo ehemals entlassen – das gilt als Auslöser des Konflikts. Daglo werden Gräueltaten vorgeworfen, unter anderem während des Krieges in der Region Darfur.
    Laut der UN-Flüchtlingshilfe sind infolge des Konflikts inzwischen 1,6 Millionen Menschen unter anderem in die Nachbarländer Tschad, Ägypten und den Südsudan geflohen. Gut sechs Millionen Menschen sind innerhalb des Landes vor der Gewalt auf der Flucht. Mehr als 13.000 Menschen wurden bisher nach offiziellen Angaben getötet. Experten gehen indes davon aus, dass die Zahl deutlich höher liegt.

    RSF: eine Art Mafia

    Die Journalistin Anna-Theresa Bachmann beschreibt die RSF als eine Art Mafia, die in verschiedenen Branchen Geschäfte betreibt. Zu dem "Businessimperium" gehöre auch eine Sicherheitsfirma des Bruders Daglos. Diese sei auch von westlichen Botschaften wie der deutschen und Hilfsorganisationen engagiert worden. Damit seien die RSF indirekt auch durch deutsche Steuermittel finanziert worden, so Bachmann.

    Wo finden Kämpfe im Sudan statt?

    Der Konflikt begann im April 2023 in der Hauptstadt Khartum und hat sich schnell auf weitere Gebiete ausgedehnt. Besonders vom Krieg betroffen ist Darfur im Westen des Landes.
    Das UN-Menschenrechtsbüro zeigt sich angesichts von Berichten aus der Region besorgt: Die RSF und verbündete arabische Milizen haben demnach Anfang November 2023 Hunderte Zivilisten der Minderheit Masalit getötet. Es wird zudem von sexueller Gewalt berichtet.

    Verbrechen gegen die Menschlichkeit

    Wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Darfur hat der Internationale Strafgerichtshof Ermittlungen aufgenommen. Bereits seit 2005 untersucht der IStGH Verbrechen in Darfur.
    Auch aus der Region Abyei, die zwischen Sudan und Südsudan umstritten ist, wurden Kämpfe gemeldet. Blauhelm-Soldaten der Mission Unisfa gerieten unter Feuer. Sudan und Südsudan beschuldigten sich gegenseitig, für den Angriff verantwortlich zu sein.

    Wie ist die Vorgeschichte der Kämpfe im Sudan?

    2019 kam es zu monatelangen Protesten der Bevölkerung gegen Langzeitdiktator Omar Al-Bashir. 1989 hatte sich dieser an die Macht geputscht und ein islamistisches System errichtet – unterstützt von Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und dem Nachbarland Ägypten. Abspaltungsbewegungen in der Provinz Darfur schlug er gewaltsam nieder.
    Nach dem Sturz von Al-Bashir 2019 habe es dann eine zivil-militärische Machtteilung und eine Übergangsregierung gegeben, so Gerrit Kurtz von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Allerdings habe sich schnell herausgestellt, dass die zivilen Kräfte der Demokratiebewegung nicht darauf eingestellt waren, Regierungsmacht zu übernehmen. Die Armee riss immer mehr Macht an sich. 2021 kam es schließlich zu einem Militärputsch.
    Soldaten der sudanesischen Armee, die loyal gegenüber dem Armeechef Abdel Fattah al-Burhan sind, feiern, nachdem sie am 18. April 2023 in der Stadt Nyala im Sudan einen Militärstützpunkt von den Rapid Support Forces (RSF) zurückerobert haben.
    Feiernde Soldaten der sudanesischen Armee nach der Rückeroberung einer Militärbasis. (picture alliance / dpa / Newscom)
    Versprochen wurde aber weiterhin der Übergang zu einer zivilen Regierung. Im Zuge dessen sollten die RSF-Truppen in das Militär eingegliedert werden, was zu Spannungen führte. Daglo unterstellte Burhan, seine Macht nicht aufgeben zu wollen. Aus diesem Konflikt ist ein blutiger Machtkampf geworden.

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