Das unwiderstehliche Verlangen nach suchterzeugenden Substanzen wie Alkohol, Nikotin oder Heroin steuert das Gehirn in zwei verschiedenen neuronalen Systemen: Das entwicklungsgeschichtlich jüngere, so genannte Limbische System stellt quasi die bewusst erlebte Belohnung in den Mittelpunkt: Mit der Produktion von bestimmten Botenstoffen löst das Limbische System beim Süchtigen das dringende Verlangen nach etwa einem neuen "Schuss" aus, das erst wieder mit einer neuen Dosis Suchtmittel verschwindet. Mit dem Absinken des Drogenspiegels beginnt der Teufelskreis schließlich wieder von vorn. "Benachbarte Hirnareale, die so genannte Nigrostriatale Bahn, sind dagegen eher für automatisches Reagieren und zwanghaftes Verhalten zuständig ", erläutert Professor Jochen Wolffgramm, Leiter der Sektion Suchtforschung an der Universität Tübingen.
In der evolutionär viel älteren Nigrostriatalen Bahn lernt das Gehirn sozusagen die Sucht - hier erzeugen Heroin, Crack oder andere Rauschmittel so etwas wie ein Suchtgedächtnis. Bei einer erneuten Einnahme einer Droge vergleicht das Gehirn, ob die Substanz hier als suchterzeugend registriert wurde. Trifft dies zu, produziert das Limbische System dann das unwiderstehliche Verlangen nach dem Stoff. "Diese Prägung auf eine Droge findet in einem engen Zeitrahmen statt, bei der Ratte sind dies nur sechs Wochen. Daraus leiteten wir die Möglichkeit ab, das der Vorgang auch umgekehrt werden kann, indem das Suchtgedächtnis mit einer anderen Prägung überlagert wird." Mit einem speziellen Arznei-Cocktail gelang den Tübingern Forschern dieses Kunststück tatsächlich. Zunächst sensibilisieren Wolffgramm und seine Kollegen mit einem Kortikoid, das dem körpereigenen Cortisol sehr nahe kommt, das Gehirn für neue Gedächtnisreize. Stehen die Nervenzellen dann auf "Aufnahme" und sind bereit, neue Erfahrungen in synaptische Verknüpfungen festzuschreiben, erfolgt eine paradoxe Maßnahme: "Wir geben dann die Droge selber, aber in einer Phase, in der die süchtige Ratte gar kein Bedürfnis danach hat."
In dieser Situation, wo die Droge quasi im falschen Moment wirkt, stellt das Gehirn fest, dass die Verbindung "Heroin und Sucht" ihr Gültigkeit verloren hat und beginnt, das Dogma zu löschen. Das Verfahren funktioniert nicht nur am Rattenmodell, sondern inzwischen auch in zwei klinischen Studien. In einer April 2001 abgeschlossenen Untersuchung sank die Rückfallquote von 97 auf 75 Prozent, in der zweiten Studie betrug sie sogar noch weniger. Zwar sei der Süchtige damit noch nicht geheilt, konstatiert Professor Jochen Wolffgramm, doch erlebe er die folgenden Rehabilitationsmaßnahmen mit weit geringerem Druck und daher mit besseren Erfolgschancen
[Quelle: Mirko Smiljanic]
In der evolutionär viel älteren Nigrostriatalen Bahn lernt das Gehirn sozusagen die Sucht - hier erzeugen Heroin, Crack oder andere Rauschmittel so etwas wie ein Suchtgedächtnis. Bei einer erneuten Einnahme einer Droge vergleicht das Gehirn, ob die Substanz hier als suchterzeugend registriert wurde. Trifft dies zu, produziert das Limbische System dann das unwiderstehliche Verlangen nach dem Stoff. "Diese Prägung auf eine Droge findet in einem engen Zeitrahmen statt, bei der Ratte sind dies nur sechs Wochen. Daraus leiteten wir die Möglichkeit ab, das der Vorgang auch umgekehrt werden kann, indem das Suchtgedächtnis mit einer anderen Prägung überlagert wird." Mit einem speziellen Arznei-Cocktail gelang den Tübingern Forschern dieses Kunststück tatsächlich. Zunächst sensibilisieren Wolffgramm und seine Kollegen mit einem Kortikoid, das dem körpereigenen Cortisol sehr nahe kommt, das Gehirn für neue Gedächtnisreize. Stehen die Nervenzellen dann auf "Aufnahme" und sind bereit, neue Erfahrungen in synaptische Verknüpfungen festzuschreiben, erfolgt eine paradoxe Maßnahme: "Wir geben dann die Droge selber, aber in einer Phase, in der die süchtige Ratte gar kein Bedürfnis danach hat."
In dieser Situation, wo die Droge quasi im falschen Moment wirkt, stellt das Gehirn fest, dass die Verbindung "Heroin und Sucht" ihr Gültigkeit verloren hat und beginnt, das Dogma zu löschen. Das Verfahren funktioniert nicht nur am Rattenmodell, sondern inzwischen auch in zwei klinischen Studien. In einer April 2001 abgeschlossenen Untersuchung sank die Rückfallquote von 97 auf 75 Prozent, in der zweiten Studie betrug sie sogar noch weniger. Zwar sei der Süchtige damit noch nicht geheilt, konstatiert Professor Jochen Wolffgramm, doch erlebe er die folgenden Rehabilitationsmaßnahmen mit weit geringerem Druck und daher mit besseren Erfolgschancen
[Quelle: Mirko Smiljanic]