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Süchtig nach Rausch

Jugendliche greifen immer früher zur Flasche; das Trinken bis zur Bewusstlosigkeit hat deutlich zugenommen. Im Vergleich zum Jahr 2000 stieg die Zahl der Behandlungen wegen Alkoholmissbrauchs bei Kindern und Jugendlichen um 170 Prozent.

Von Julia Lührs | 15.03.2010
    "Bei mir war das so halt, an einem Abend konnten das schon fast locker eine Flasche Wodka gewesen sein. Wenn ich mich halt richtig betrunken habe. Und dann halt auch irgendwie schon angefangen habe zu kotzen und auch ohnmächtig wurde. Ich war einmal im Krankenhaus deswegen. Das war halt auch mit 13, da habe ich halt zu viel getrunken, dass ich halt gar nichts mehr mitbekam und ohnmächtig wurde und die mussten mich halt auspumpen."

    Patrick ist siebzehn. Ist groß, hager und sportlich gekleidet: Aufgewachsen ist er in Soest. Mit neun Jahren trank er zum ersten Mal Alkohol:

    "Mit Freunden in der Grundschule haben wir uns aus Spaß, zwei, drei Bier getrunken. Dann hat sich das mal gesteigert. Einmal am Wochenende und später dann halt fast jeden Tag. Irgendwann hat man gar keine Kontrolle mehr darüber und verliert alles."

    Am Anfang trank Patrick aus Spaß, Neugier und um dazuzugehören. Irgendwann wurde der Alkohol für ihn zum Trostspender:

    "Am Anfang waren das so etwas größere Probleme, so wie Schule, mit Eltern irgendwie Streit gehabt. Dass ich halt entweder aus Frust getrunken habe oder halt, weil ich das eben brauchte, weil ich eben in manchen Situationen nicht klar kam. Deswegen mich halt mit Alkohol weggeballert habe."

    Seit September ist Patrick in Deutschlands größter Kinder- und Jugendpsychiatrie – der LVR-Klinik in Viersen. Dort macht er jetzt eine Therapie. Zwar landen nicht alle Jugendlichen, die Alkoholexzesse ausleben, automatisch in der Psychiatrie - dennoch findet der Suchtforscher Karl Mann vom Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim die Situation alarmierend: 2008 wurden rund 25.700 Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 20 Jahren stationär in einer Klinik behandelt. Das sind elf Prozent mehr als im Vorjahr. Im Vergleich zum Jahr 2000 stieg die Zahl der Behandlungen wegen Alkoholmissbrauchs bei Kindern und Jugendlichen sogar um 170 Prozent. Die Jugendlichen würden immer früher zur Flasche greifen und das Komasaufen, das Trinken bis zur Bewusstlosigkeit, habe deutlich zugenommen, sagt der Suchtforscher:

    "Das hat in den letzten zehn, 15 Jahren sich im Prinzip verdoppelt. Was wirklich sehr gefährlich ist. Und das hat wahrscheinlich ein bisschen damit zu tun, dass vor zehn, 15 Jahren andere Suchtstoffe im Vordergrund standen. Das war damals überwiegend Ecstasy, zum Teil auch Cannabis und beides ist deutlich rückläufig. Also wir sehen, nicht mehr sehr viel Ecstasy-Konsum bei Jugendlichen, wir sehen schon weiterhin Cannabis Konsum, aber auch deutlich rückläufig und der ist durch Alkohol ersetzt worden, weil Alkohol einfach in der jetzigen Jugendkultur hip ist."

    Im europäischen Vergleich gehören die deutschen Jugendlichen nach englischen Heranwachsenden zu den Spitzenreitern beim Alkoholtrinken. In Skandinavien ist der Alkohol für Jugendliche zu teuer und in Südeuropa gehört zwar ein Wein zum Essen oft dazu, aber der Umgang mit Alkohol ist maßvoll. In Deutschland scheint das Trinken unter Jugendlichen eine Art Modeerscheinung zu sein:

    "Das eine ist, dass jede Generation, also Generation jetzt in einem Zeitraum von drei, vier, fünf, sechs, sieben Jahren, sich so ihre eigenen Moden raussucht. Am Wochenende, Freitagabend, Samstagabend, wenn Sie auf den Bahnhof gehen oder auf S-Bahnstationen beispielsweise, dann finden Sie am nächsten Morgen die Überreste dieser Flaschen oder auch das Erbrochene. Das alles gab es in dem Maße vor zehn Jahren nicht, das hat sich halt als ein Teil der momentanen Jugendkultur etabliert. Der Versuch, Rauscherlebnisse mal bei sich selbst mitzukriegen, der hat sich jetzt stark auf den Alkohol verlagert."

    Auch Patrick trank, weil es "in" war:

    "So für Jugendliche von 13 - 16, die trinken auf jeden Fall, weil es irgendwie auch für die cool ist. Das gehört für die zum Erwachsenenwerden dazu glaube ich. So war das für mich."

    Nicht nur für Patrick – das sogenannte Komatrinken gibt es in allen sozialen Milieus:

    "Es ist tatsächlich so, dass es durch sämtliche Kreise durchgeht. Also es ist kein Phänomen, in den sogenannten unteren sozialen Schichten oder bei Lehrlingen. Das gilt genauso für Kinder und Jugendliche, die ins Gymnasium gehen und die aus anderen sozialen Schichten kommen. Es geht quer durch sämtliche Schichten hindurch, wie im erwachsenen Alter übrigens auch."

    Zwar trinken Jungen immer noch am meisten Alkohol, aber die Mädchen haben aufgeholt. Vor 15 Jahren war es undenkbar, dass sie so exzessiv mitgetrunken haben – es war eine Jungendomäne. Heute wollen auch die Mädchen zeigen, dass sie mithalten können:

    "Wobei allerdings im Alter von 15 Jahren die Mädchen, die Jungs überholen, was aber an anderen Dingen liegt. Ein 15-jähriges Mädchen geht schon mit 18-jährigen Jungs aus, also mit Gleichaltrigen. Die sind einfach weiter entwickelt, in ihrer sozialen Entwicklung, auch in ihrer biologischen Entwicklung. Die sind reifer, im Grunde genommen und von daher nehmen sie auch eher schon eine erwachsene Rolle ein, als die 15-jährigen Jungs."

    Mädchen neigen dabei besonders zu süßen Mixgetränken, weil sie den Alkohol nicht schmecken. Die Industrie reagierte darauf vor ein paar Jahren mit sogenannten Alkopops:

    "Das spielt in der Tat eine große Rolle. Die Alkoholindustrie hat schon vor Jahren erkannt, dass jetzt im Erwachsenenbereich zunächst einmal der Markt bei den Männern gesättigt ist. Aber bei den Frauen noch ein erhebliches Potenzial liegt. Und da spielen diese Mixgetränke eine große Rolle, weil das natürlich süß ist, weil das gar nicht nach Alkohol schmeckt."

    Um den exzessiven Alkoholkonsum von Jugendlichen einzudämmen, fordert Karl Mann eine Erhöhung der Alkoholsteuer:

    "In Deutschland ist es ja so, dass wir in Europa im Vergleich im Prinzip die allerniedrigsten Alkoholsteuern überhaupt haben. Das heißt jeder Jugendliche kann sich das ohne irgendein Problem leisten. Wenn wir den Preis verdoppeln würden, das ist durchgerechnet worden von Gesundheitsökonomen, dann würden wir den Konsum und diese Schwierigkeiten, Komplikationen, die damit zusammenhängen auf wahrscheinlich 10 – 20 Prozent des jetzigen Maßes regulieren."

    Das Trinkverhalten über den Preis zu steuern ist für Mann die effektivste Maßnahme:

    "Und wenn das zum Beispiel ein, zwei oder drei Jahre, das Einstiegsalter nach oben verlagert werden würde, beispielsweise über die Regulierung des Preises, dann hätten wir deutlich weniger, die später abhängig werden. Und deutlich weniger, die insgesamt Probleme vom Alkoholgenuss her bekommen. Wir haben in Deutschland ein Beispiel dazu erlebt, bei dieser Sondersteuer für Alkoholpops. Die so Anfang der 2002/2003 etwa eingeführt wurde. Damals ist ja dieser Einstieg dieser Alkoholpops deutlich registriert worden. Viele Jugendliche haben das getrunken. Und mit fast Verdopplung des Preises ist dieser Markt zusammengebrochen. Und ist auch nicht, jedenfalls nicht im vollen Umfang durch anderer Alkoholika ersetzt worden."

    Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Mechthild Dyckmanns, hält von einer Erhöhung der Alkoholsteuer nichts:

    "Steuererhöhungen gehören nicht zum Konzept der derzeitigen Bundesregierung und ich glaube auch, dass die Maßnahmen, die wir treffen, gezielt die Gruppen treffen sollen, die zur Risikogruppe gehören. Also mit Steuererhöhungen treffen sie alle und das ist ja in Zeiten, wo auch jeder den Cent umdrehen muss, empfinde ich das schon als ungerecht."

    Die Politik steht dem Problem etwas hilflos gegenüber: Zwar verabschiedete der Bundesrat 2007 das Null-Promille-Gesetz für Fahranfänger – darüber hinaus gab es aber bis jetzt keine Gesetzesvorhaben. Immer wieder einmal taucht ein Nachtverkaufsverbot an Tankstellen in der Diskussion auf, einzelne Städte haben versucht, das Problem lokal zu lösen. Die Vorgängerin von Mechthild Dyckmanns – Sabine Bätzing – forderte die Alkoholwerbung genauer zu kontrollieren und Mechthild Dyckmanns wünscht sich stärkere Kontrollen für Jugendliche unter 25 Jahren:

    "Also ich glaube, zum Einen ist es ganz wichtig, dass wir den Jugendschutz konsequent einhalten. Das heißt, es muss meines Erachtens eine ständige Ausweiskontrolle geben bei Jugendlichen und Kindern, die Alkohol kaufen wollen. Viele wissen auch gar nicht, dass das Jugendschutzgesetz nicht nur den Verkauf, sondern dass auch Kinder und Jugendliche in der Öffentlichkeit keinen Alkohol trinken dürfen."


    Patrick dagegen glaubt nicht, dass Ausweiskontrollen ihn vom Trinken abgehalten hätten:

    "Ganz ehrlich glaube ich nicht, dass das irgendwie helfen sollte, die Jugendlichen davon abzuhalten, Alkohol zu kriegen, weil es gibt sowieso genügend Leute, die entweder so aussehen, als ob die 18 wären, oder die klauen sich das einfach bei irgendwelchen Leuten oder im Laden. Deswegen glaube ich nicht, dass so etwas helfen könnte."

    Jährlich sterben in Deutschland 42.000 Menschen an alkoholbedingten Krankheiten. Jugendlichen schadet der Alkohol besonders:

    "Weil gerade in dieser Zeit das Gehirn noch in einem Reifungsprozess ist. Und er Alkohol, der dann dieses unreife Gehirn trifft, noch stärkere Schäden anrichtet als vorher. Außerdem muss man auch die sozialen Begleitumstände dann auch mit bedenken, wenn Jugendliche doch in einer gewissen Regelmäßigkeit trinken oder betrunken sind, dann fehlen sie öfters in der Schule. Sie haben Schwierigkeiten in ihrer Entwicklung, weil es fehlen sozusagen Schritte im sozialen Lernen, die wegen des Alkoholtrinkens dann nicht gemacht werden konnten. Insofern ist es sowohl auf der sozialen, persönlichen, wie auch auf der biologischen Ebene wirklich etwas, was uns zu denken geben muss!"

    Auch Patrick ist nur noch selten in die Schule gegangen:

    "Vielleicht ein, zwei Mal in drei Monaten. Hab halt eigentlich gar nichts mehr auf die Reihe bekommen. Ich hab mich um meine Schule nicht mehr gekümmert, nicht viel gegessen. Mit meinen Eltern habe ich mich fast nur gestritten."

    Seine Aggressionen wurden durch den Alkohol immer stärker:

    "Ich habe die einfach irgendwo, an irgendwelchen Menschen rausgelassen. Sei es auf der Straße. Sei es auch zu Hause. An meinen Geschwistern oder halt auch irgendwie in der Schule. Wurde ich auch öfters aggressiv gegenüber meinen Lehrern. Auch meinen Mitschülern."

    Die Therapie für alkoholkranke Kinder und Jugendliche in der LVR Klinik Viersen dauert in der Regel ein halbes Jahr. Die Abbrecherquote ist niedrig, weil die Patienten vorher sehr genau ausgesucht werden. Einmal pro Woche haben die Jugendlichen hier therapeutische Einzelgespräche und mehrmals täglich finden Gruppentherapien statt. Dazu gehören Motivationsgruppen oder Beschäftigungstherapien wie Sport treiben, Musik machen oder an Holzstücken werkeln:

    "Ja, wenn man hier halt neu ankommt, dann muss man halt so einen Notfallkoffer fertig machen. Ein Notfallkoffer besteht daraus halt, ist so eine Holzkiste, da kommen halt Sachen rein, die einen bei Suchtdruck oder halt Abbruchgedanken hochkommen, die halt einem helfen. Und wir können auch irgendwie auf Bretter irgendwie mit nem Lötkolben, irgendwelche Sachen reinbrennen. Oder irgendwie selbst irgendetwas ausdenken, was man machen könnte. Irgendwie Bretter anmalen und daraus irgendetwas machen ... "

    Die Klinik liegt in einem Waldstück. Patricks Station befindet sich im fünften Stock eines sechsstöckigen, weißen Hochhauses mit Blick ins Grüne. Der Flur ist in warmen Farben gestrichen und wirkt einladend. Bis zu 15 Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren leben hier. Mädchen und Jungen zu gleichen Teilen. Die Station besteht aus zehn Zimmern, die sich die Patienten teilen: einer Küche, einem Speise-, Besprechungs-, Billard- und Fernsehraum. Am liebsten ist Patrick im Fitnessraum:

    "Hier gehen die Leute öfters rein, auch zum Auspowern. Wenn die irgendwie auch Stress haben oder auch aggressiv sind."

    Das Tagesprogramm der Patienten ist straff organisiert: Um halb sieben stehen sie auf. An manchen Tagen wird dann direkt gejoggt. Um acht Uhr beginnt die Schule. Danach gibt es Mittagessen und eine Austausch-Runde, über die Gruppenstimmung. Anschließend ruhen sich die Patienten eine Stunde auf ihren Zimmern aus. Von vier bis sechs Uhr haben die Jugendlichen dann Freizeit. Um sechs essen sie zu Abend und danach putzen sie gemeinsam. Abends schauen die meisten Fern. Die Jugendlichen sollen durch dieses Programm lernen, wieder ein normales Leben zu führen, wie der leitende Oberarzt, Udo Leitner, der gerade die Station betritt, erklärt:

    "Wichtiger Baustein ist einfach tagesstrukturierende Maßnahmen, also dem Jugendlichen auch einfach mal wieder eine Art von normaler Tagesstruktur zu geben mit rechtzeitig aufstehen, sich zu säubern, also grundlegende Hygienesachen wahrzunehmen, auch mal Sport zu treiben, zusammen zu Frühstücken, in die Schule zu gehen, Hausaufgaben zu machen. An Gruppen teilzunehmen, pünktlich zu sein, einfach mal wieder eine Tagesstruktur zu erleben."

    Grundsätzlich kann jeder Jugendliche alkoholabhängig werden. Patrick ist einer von 160.000 alkoholkranken Jugendlichen in Deutschland. Besonders gefährdet sind Heranwachsende ohne feste Strukturen im Elternhaus:

    "Dass es schwierige familiäre Situationen gibt, es ist oft eine Trennungssituation der Eltern, in einer schwierigen Phase der Kinder und meistens verlaufen die Trennungen dann nicht einfach. Das heißt, die Eltern trennen sich nicht gütlich, oft kommt dann auch noch dazu, dass oft wechselnde Lebenspartner mit unterschiedlichen Erziehungsstilen, oft ist auch Gewalt im Spiel, das berichten die Jugendlichen sehr häufig. Sicherlich ist auch ein niedriger sozioökonomischer Status ein Risikofaktor. Schulische Schwierigkeiten berichten die Jugendlichen häufig."

    Besonders hoch ist das Risiko aber auch für Kinder von Alkoholikern:

    "Es gibt natürlich schon eine familiäre Häufung, ohne dass es ein Alkoholgen gibt. Also es gibt schon auch da, eine Häufung, um das mal vorsichtig auszudrücken. Aber letztendlich ist es natürlich auch lernen am Modell. Das ist auch ein Risikofaktor, abhängige Elternteile stellen sicherlich auch einen Risikofaktor im Gesamtgeschehen dar. Selbst wenn die Jugendlichen das meist als sehr negativ erlebt haben, wenn ihre Eltern trinken. Aber das haben wir nicht selten, dass Jugendliche dann auch genau diese Verhaltensweisen dann auch erst mal an den Tag legen, die sie eigentlich bei ihren Eltern kritisieren oder nicht so gut finden."

    Patrick ist es ähnlich ergangen – sein Vater ist Alkoholiker:

    "Ich denke, das hat viel mit meiner Vergangenheit zu tun. Auch mit meinen Eltern. Weil mein Vater ist auch Alkoholiker und da habe ich halt viel Erfahrung mit Alkohol, habe auch gesehen, wie mein Vater getrunken hat und irgendwie halt auch aus Neugier, weil ich wusste auch, da wird man irgendwie benebelt oder irgendwie halt. Und ja auch irgendwie ein Stück weit, um irgendwie dazu zu gehören, bei den anderen Leuten. Ich habe gesehen – ah die Älteren trinken auch, meine Freunde trinken auch und dann wollte ich das auch machen."

    Besonders gefährlich wird der Alkohol, wenn er eine Funktion bekommt und angenehme Gefühle auslöst: Wenn ein Außenseiter zum Beispiel erlebt, dass er unter Alkohol gut gelaunt ist und dann bei anderen gut ankommt oder durchsetzungsstärker wird:

    "Das ist die eine Seite, die andere Seite wäre für mich aber auch und das ist viel bedrohlicher, dass eben negative Gefühle eben mit dem Konsum weggemacht werden. Weil das relativ einfach funktioniert. Ist dann auch in der Clique relativ weit verbreitet, man hat dann eben auch eine Clique, wo man sich aufgehoben fühlt und eben nicht das belastete Elternhaus oder die belastende schulische Situation. Und muss sich diesen Problemen nicht stellen. Aber meistens verstärkt der Konsum von den Substanzen dann die bestehenden Probleme in Schule, Elternhaus oder sonst wo nach weiter, weil es halt ein Teufelskreis ist. Und damit auch die Lösung der Probleme verhindert wird und nicht aktiv angegangen wird. Und die Situation irgendwann dann eskaliert."

    Nicht nur die Probleme verstärken sich, die Jugendlichen bleiben auch in ihrer Entwicklung stehen:

    "Weil sie sich gerade in diesen entscheidenden Phasen, wo Emotionen aufkommen, die dann auch verarbeitet werden müssen und zwar mit wachem Verstand, sich dieser Situation berauben, in dem sie oft einfach dicht und breit sind. Dann auch ganz wichtige Entwicklungsschritte in der Phase einfach nicht stattfinden und wir dann Jugendliche erleben, die zwar körperlich voll entwickelt sind, die aber emotional dann oft deutlich entwicklungsverzögert sind und da zwei, drei vier Jahre zurückhängen. Und das auch erst einmal wieder nachholen müssen, was wir dann auch versuchen in der Behandlung zu bewerkstelligen. Wie gehe ich mit meinen Emotionen um, wie gestalte ich Sozialkontakte? Was sind Anforderungen an einen 16-, 17-jährigen jungen Mann, junge Frau. Was sollen die eigentlich können?"

    Um während der Therapie ganz vom Alkohol loszukommen, muss man selbst davon überzeugt sein:

    "Man muss einfach von selber kommen und sagen, ich möchte das jetzt nicht mehr. Weil macht mich nur kaputt, ich kriege gar nichts auf die Reihe und man muss einfach sagen, einen Schlussstrich ziehen und sagen, so geht das nicht weiter. Und sich vor Augen halten, was man alles falsch macht und was man nicht hat. Was die anderen Leuten in seinem alter haben und ja, nicht hinbekommt."

    Damit die Jugendlichen nicht rückfällig werden, wechseln viele nach dem Klinikaufenthalt ihr Umfeld und kommen in Einrichtungen, die ihnen helfen, ihren Schulabschluss nachzumachen oder einen Ausbildungsplatz zu finden. Das sind schützende Faktoren, die dazu beitragen können, dass die Jugendlichen trocken bleiben. Patrick wird im Juni entlassen und möchte in Hamm eine Fliesenlegerausbildung machen:

    "Ich will auf jeden Fall einen Schulabschluss haben, weil ich bin 17 Jahre alt und habe immer noch keinen Schulabschluss. Das ist auf jeden Fall krass. Und dann auf jeden Fall irgendwie eine Ausbildung suchen. Und die dann auch fertig machen und nicht wieder abbrechen und reinstürzen. Und halt weiter drogenfrei zu leben."