Donnerstag, 25. April 2024

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Südafrika
Spannendste Parlamentswahl seit 1994

Bei den Parlamentswahlen in Südafrika werde das Abschneiden des ANC mit großer Spannung erwartet, sagte Renate Tenbusch, Leiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Johannesburg, im DLF. Viele Südafrikaner seien zwar unzufrieden mit der politischen Führung, die Democratic Alliance sei aber noch keine Alternative für sie.

Renate Tenbusch im Gespräch mit Christiane Kaess | 07.05.2014
    Wähler warten vor einem Wahllokal in Johannesburg am 07 Mai 2014.
    Schlangen bilden sich vor einem Wahllokal in Johannesburg am 07. Mai 2014. (Ihsaan Haffejee /dpa)
    Christiane Kaess: Die Südafrikaner wählen heute zum vierten Mal nach dem Ende der Apartheid ein neues Parlament. Dass der Gewinner zum vierten Mal der African National Congress, kurz ANC sein wird, steht so gut wie fest, obwohl der Staatschef, Jacob Zuma vom ANC, wegen zahlreicher Skandale immer unbeliebter wird. Wie sehr wird sich das im Wahlergebnis niederschlagen? Spannend wird auch das Abschneiden der größten Oppositionspartei im Land, der Democratic Alliance.
    Am Telefon ist Renate Tenbusch, Leiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Johannesburg. Guten Morgen!
    Renate Tenbusch: Ja! Guten Morgen aus Johannesburg.
    Kaess: Frau Tenbusch, wie würden sie denn die Stimmung in den letzten Tagen vor der Wahl beschreiben?
    Tenbusch: Sowohl in den letzten Tagen als auch, ich würde sagen, Monaten kann man sagen, ist es eine sehr gespannte Stimmung. Die Wahlen, diese Wahlen werden mit einer größeren Spannung erwartet, würde ich fast sagen, als alle im Übrigen fünf Wahlen, sind es jetzt, zuvor. Ähnlich wird es vielleicht höchstens in 1994 gewesen sein, und das hat damit zu tun, dass zwar wieder, wie Sie schon richtig gesagt haben, ein klarer Sieg der Regierungspartei ANC erwartet wird. Dennoch gibt es jetzt eine stärkere Konkurrenz von der Opposition und die Spannung bezieht sich darauf, wie hoch oder beziehungsweise wie niedrig wird das Ergebnis für den ANC sein. Das ist das, was eigentlich hier die Spannung ausmacht.
    Kaess: Darüber können wir gleich noch im Detail mehr sprechen. Noch mal zurück zur Ausgangssituation. Das heißt, Sie sehen die Umstände für freie und faire Wahlen durchaus gegeben?
    Umstände für freie und faire Wahlen gegeben
    Tenbusch: Auf jeden Fall. Ich weiß und ich habe es mehrfach hier gehört, die Sicherheitsvorkehrungen sind höher als in den Jahren zuvor. Das hat mit diesen Ausschreitungen zu tun, die vorhin von Ihrem Korrespondenten auch schon beschrieben wurden, die es auch während des Registrierungsprozesses gegeben hat, dass immer wieder Stationen der unabhängigen Wahlkommission angegriffen wurden oder zerstört wurden. Das steht eng im Zusammenhang mit den allgemeinen Protesten vor allen Dingen in den Townships, die sich gegen schlechte Service Deliviry der Regierung wendet. Es geht wirklich um die Grundversorgung mit öffentlichen Gütern, die immer wieder in den letzten Jahren und verstärkt natürlich jetzt im Vorfeld der Wahlen zu großen Protesten geführt haben.
    Kaess: Sie haben es gerade schon gesagt: Der ANC liegt vorne, trotz Enttäuschung und immer mehr Protesten gegen die Regierungspolitik. Wie ist das zu erklären?
    Tenbusch: Man muss sagen, die ganzen letzten vier Wahlen hat es immer einen Gewinn von über 60 Prozent gegeben. Zeitweise hatte der ANC auch eine verfassungsändernde Mehrheit mit 69 Prozent und in den letzten Wahlen waren es 65 Prozent. Der ANC ist die Partei, die die politische Freiheit für die schwarze Bevölkerungsmehrheit gebracht hat, und für die meisten dieser Bevölkerungsanteile ist der ANC mehr als eine Partei, wird auch nicht entsprechend, wie wir das gewohnt sind, nach Parteimaßstäben, nach Programmen und so weiter gemessen, sondern man gehört zum ANC. Das hat sich im Großen und Ganzen sicherlich nicht gravierend für viele geändert, zumal für sie einfach auch keine Alternative zur Verfügung stehen würde, die man aus dieser Bevölkerungsschicht wählen könnte. Die Oppositionspartei, die Democratic Alliance, ist für viele der mehrheitlich schwarzen Bevölkerung immer noch keine Alternative, die wählbar ist.
    Kaess: Was glauben Sie, Frau Tenbusch, wie lange kann der ANC noch von diesem historischen Erbe profitieren?
    Unzufriedenheit mit der politischen Führung
    Tenbusch: Das hängt von der Umsetzung der Politik ab und das macht diese Wahlen einfach so spannend. Auch die Bevölkerungsmehrheit, die weiterhin den ANC wählen wird, ist sehr unzufrieden mit der politischen Führung des ANC zurzeit, vor allen Dingen seit den letzten fünf Jahren unter der Regierung von Präsident Zuma. Der ANC selber sagt, wir haben vieles erreicht in den letzten 20 Jahren der Demokratie. Das ist sicherlich auch richtig, wenn man sich die Zahlen ansieht. Da wird immer wieder angeführt, was die Grundversorgung angeht. Mit Häusern ist die Bevölkerungsmehrheit versorgt und mit Strom, mit Elektrizität. Die Zahlen stimmen, aber wenn man de facto hinsieht, welche Qualität diese Versorgung hat und was darüber hinaus mit den Leuten passiert – sie haben keine Aussicht auf unabhängiges Einkommen durch Jobs, die Arbeitslosenzahlen sind extrem hoch und vor allen Dingen gilt das für die Jugendlichen, und es gibt keinerlei Aussicht, dass sich in naher Zukunft etwas daran verändert. Und die Politik. Entsprechend gibt es viele politische Pläne. Es gibt den nationalen Entwicklungsplan, der diese Probleme aufzeigt, der auch Politiken aufzeigt, die das verändern sollen. Man sieht aber die Umsetzung nicht.
    Kaess: Würden Sie sagen, das ist jetzt nur Schuld der Politik und auch der hohen Korruption, die Sie gerade auch angesprochen haben, oder ist das eventuell auch einfach diesen wahnsinnig schwierigen Umständen zu schulden?
    Komplexe Situation in Südafrika
    Tenbusch: Sie sagen es: Die Situation in Südafrika ist eine komplexe Situation. Vieles resultiert noch aus der Vergangenheit, der Apartheidszeit, aber auch davor aus der Kolonialzeit. Die Probleme sind nicht behoben und die lassen sich auch sicherlich in 20 Jahren Demokratie nicht einfach beheben. Das Problem aber im Moment ist, dass man sagen kann, dass die Politik und da vor allen Dingen auch der ANC sicherlich in den letzten Jahren vor allen Dingen verstärkt einfach eine falsche Politik betrieben hat, indem man in der Verwaltung und in der Regierung Positionen mit Parteigängern, mit Parteianhängern besetzt hat und nicht nach Qualifikation entschieden hat, sondern nach Parteiproporz, und das hat dazu geführt, dass einfach die öffentliche Verwaltung in vielen Bereichen, vor allen Dingen auf kommunaler Ebene die Leistungen nicht bringt. Korruption hat sich breitgemacht, das Patronagesystem ist so weit verbreitet und die Leute sind davon abhängig. Es gibt die sozialen Transfers, es gibt die Sozialleistungen wie Kindergeld wie Renten wie Leistungen für Witwen, und diese werden einfach über diese kommunalen Verwaltungen an die Leute weitergegeben und die bringen die in diese Abhängigkeit, vor allen Dingen dort von den Gemeinderäten, die hauptsächlich von ANC-Anhängern gestellt werden.
    Kaess: Sie haben auf der anderen Seite die größte Oppositionspartei angesprochen, die Democratic Alliance. Es heißt, dass die Parteichefin Helen Zille nicht kritikfähig sei. Es gab zumindest diesen Vorwurf. Ist man da auch ein bisschen selber Schuld an dem teilweise nicht so guten Image?
    Tenbusch: Ich würde doch sagen, das ist nur eine dieser banalen Geschichten, die leider sehr stark in den Medien verbreitet werden. Was heißt, sie ist nicht kritikfähig? Sie wird natürlich sehr heftig und sehr oft auch sehr persönlich angegriffen. Ich verfolge das nicht so ganz genau, weil ich glaube, das ist nicht ein sehr großes Problem. Die DA hat ein anderes Problem. Sie hat zwar versucht, jetzt in den letzten Jahren und vor allen Dingen unter der Führung von Helen Zille, auch verstärkt die schwarzen Wähler anzusprechen, indem man auch in Funktionspositionen, in hohe Positionen junge schwarze Parteifunktionäre eingeführt hat. Es gab ja sogar zwischendurch die Diskussion, dass Mamphele Ramphele, die Führerin der Agang, auch einer neuen Partei, die Spitze übernehmen sollte vom DA. Das hat dann aber nicht geklappt. Es geht einfach darum, für die große schwarze Bevölkerungsschicht auch wählbar zu sein. Das funktioniert zum Teil in Gauteng, der größten Provinz hier, zu der auch Johannesburg und Pretoria zählen, wo es eine kleine noch, aber Mittelschicht von schwarzen erfolgreichen Leuten gibt, die durchaus dann auch Democratic Alliance wählen würden. Für die große schwarze Bevölkerungsschicht ist es keine Alternative, denn wenn man auch mal ins Programm schaut: Es gibt von dem ANC links keine alternative Partei, es gibt keine Partei, die ein anderes Wirtschaftsprogramm umsetzen würde als der ANC, dem ja vorgeworfen wird, ein liberales Wirtschaftsprogramm zu fahren sich von der Verteilungspolitik, die ganz anfänglich die Politik Mandelas war, abgewendet zu haben und diese sehr stark auf Wirtschaftsstabilität und auf die Investoren fokussierte Politik durchzuführen, und das würde sich unter der DA sicherlich nicht ändern.
    Kaess: Schwierige Umstände also weiterhin – Renate Tenbusch war das, die Leiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Johannesburg. Danke für das Interview heute Morgen.
    Tenbusch: Ja, danke Ihnen auch. Viele Grüße nach Deutschland.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.