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Südafrikanisches Konfliktstück in New York

Nach 15 Jahren Euphorie über das Ende der Apartheid, kehrt in Südafrika die Ernüchterung zurück: Der Reichtum ist noch immer in den Händen einiger weniger, die überwältigende schwarze Mehrheit lebt in Armut. Der Autor Ian Bruce thematisiert in "Groundwell" die unaufgelöste Wut über die Vergangenheit und die Suche nach einer neuen Identität des Landes. Nachdem das Theaterstück in Südafrika ausgezeichnet wurde, wird es nun am Off-Broadway inszeniert.

Von Andreas Robertz |
    "Groundswell" - auf Deutsch: "Dünung" - spielt an der Westküste Südafrikas. Hier betreibt der schwarze Gärtner Thami im Niemandsland zwischen Wüste und Meer in den Wintermonaten eine kleine Pension. Zusammen mit seinem Freund Johan, einem weißen Ex-Polizisten, der sich auf das Diamantentauchen spezialisiert hat, träumt er davon, eine Diamantenabbaulizenz zu erwerben. Die Regierung bietet solche Lizenzen neuerdings Einzelpersonen an, um den Reichtum des Landes auch den ärmeren Schichten zugänglich zu machen.

    Als sich der pensionierte weiße Geschäftsmann Smith auf der Suche nach einem Golfplatz in der Pension einmietet, scheint für die beiden die Chance gekommen. Doch Smith, ein netter älterer Herr, der sein Geld mit Investmentfonds und Diamantengeschäften verdient hat, wittert Betrug in dem Angebot der Regierung und will nicht investieren. Zwischen den drei Männern, die von der Außenwelt durch Stromausfall und dichtem Nebel abgeschnitten sind, entbrennt ein erbitterter Kampf um Leben und Tod.

    Ian Bruce, Schauspieler und Autor, ist ein weißer Südafrikaner, der viele Jahre im politisch motivierten Exil in den Niederlanden gelebt hat. Erst in den frühen 90er-Jahren kehrte er wieder in seine Heimat zurück und gewann seitdem für seine Stücke, die während der Apartheid verboten waren, mehrere nationale wie internationale Theaterpreise.

    In "Groundswell", das 2005 den Preis für das beste Stück in Südafrika gewann, entwirft er ein Bild der männlich dominierten südafrikanischen Gesellschaft, das voller Wut und enttäuschter Hoffnungen ist. Nach 15 Jahren Euphorie der "Rainbow Nation" über das Ende der Apartheid, nach Nelson Mandela und einer beispiellosen Politik der nationalen Versöhnung, beschreibt er das nüchterne Erwachen einer Gesellschaft, deren Reichtum nach wie vor in den Händen weniger ist - und in der die überwältigende schwarze Mehrheit, die eigentlich den Kampf gegen die Apartheid gewonnen hat, in erdrückender Armut lebt.

    Dazu kommen die vielen weißen Afrikaans, die aufgrund eines diffusen Schuldgefühls wegen der kolonialen Vergangenheit ihres Landes nicht mehr recht wissen, ob sie Teil dieses neuen Afrikas sind. Ian Bruce stellt dabei die Sucht nach dem schnellen Geld, die unaufgelöste Wut über die Vergangenheit und die Suche nach Gerechtigkeit und einer neuen Identität in den Mittelpunkt seiner Geschichte.

    Ian Bruce schreibt über nichts Geringeres als Schuld und Sühne. Damit ist "Groundswell", das in vielen Momenten an Ariel Dorfmans berühmtes Stück "Der Tod und das Mädchen" erinnert, nicht nur ein sehr aktuelles politisches Stück zur Situation Südafrikas, sondern durch seine existenziellen Motive und die tiefschichtigen Charaktere ein Stück mit universellem Anspruch. Und "Groundswell" stellt unangenehme Fragen - gerade auch hier an das amerikanische Publikum. Stellt es doch die Brutalität einer Get-rich-quick-Mentalität und einer Gesellschaft, die ihre soziale Verantwortung an Wohltätigkeitsvereine und Spendenorganisationen delegiert, in Frage. Ähnlich ist es im Stück, in dem Moment, als der Ex-Polizist Johan dem Geschäftsmann ein Messer an den Hals setzt und ihm entgegnet, dass die Zeit der Wohltätigkeit vorbei ist und es nun um Entschädigung gehe. Dies rührt an den Alptraum der weißen amerikanischen Gesellschaft, sich eines Tages ebenfalls der Frage nach Entschädigungszahlungen stellen zu müssen, zum Beispiel an die Nachkommen ehemaliger Sklaven, wie viele schwarze Politiker es seit Jahren fordern.

    Und was passiert, wenn Amerika nach der Euphorie des politischen Wechsels, der vor allem den benachteiligten Teilen der Bevölkerung einen größeren Teil des Kuchens versprochen hat, aufwacht und sieht, dass es mit Brotkrumen abgespeist wurde? "Groundswell" ist ein politischer Thriller erster Güte, der hier sicher viele Fans finden dürfte - zu Recht.