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Südkorea
Präsidentin Park in schwerem Fahrwasser

Südkoreas Präsidentin Park Geun Hye war mit großen Erwartungen und Hoffnungen gestartet. Aber nach knapp der Hälfte ihrer Amtszeit herrscht Stillstand: Versprochene Reformen bleiben aus, Skandale lähmen die 63-Jährige. Dazu gehören der Untergang einer überladenen Fähre und eine Korruptionsaffäre in ihrer unmittelbaren Umgebung.

Von Martin Fritz | 02.05.2015
    Südkoreas Präsidentin Park Geun Hye, umringt von Angehörigen vermisster Passagiere der verunglückten Fähre "Sewol"
    Südkoreas Präsidentin Park Geun Hye spricht mit Angehörigen vermisster Passagiere der verunglückten Fähre "Sewol". (picture alliance / dpa/ Jeon Heon-Kyun)
    Bei der Amtseinführung von Präsidentin Park Geun Hye vor zwei Jahren war die Stimmung gut. Als erste Frau an der Spitze von Südkorea versprach Park ein neues "Wunder am Han-Fluss" - so der Ausdruck für das Wirtschaftswunder der Siebziger- und Achtzigerjahre. Sie werde sich für wirtschaftlichen Aufschwung, nationales Glück, kulturelle Bereicherung und eine friedliche Wiedervereinigung mit Nordkorea einsetzen. Im Wahlkampf hatte sie die Demokratisierung der Wirtschaft angekündigt. Mächtige Konzerne wie Samsung und Hyundai sollten an Einfluss verlieren. "Mein Ziel für die Wirtschaft lautet, dass sowohl große als auch kleine und mittlere Unternehmen zusammen prosperieren können."
    Zwei Jahre später ist ihre Präsidentschaft in schweres Fahrwasser geraten. Der Untergang der Schiffsfähre Sewol mit 250 Schülerinnen und Schülern an Bord hat das Vertrauen der Bürger in Staat und Politik erschüttert. Dennoch zeigte die 63-Jährige kein großes Interesse an der Aufklärung der Unglücksursachen. Erst am Jahrestag der Katastrophe vor zwei Wochen gab sie dem Druck der Angehörigen und des Parlaments nach, die gesunkene Fähre vom Meeresgrund zu holen. "Zusammen mit allen anderen in unserem Land bete ich für die Verstorbenen. Jetzt ist die Zeit für die Bergung des Schiffes gekommen. Wir werden alle Vorkehrungen treffen, damit es möglichst bald gehoben werden kann."
    Zur selben Zeit wirft ein zweiter Skandal dunkle Schatten. Ein Bauunternehmer hat das gesamte Umfeld der Präsidentin der Bestechlichkeit beschuldigt. Konkret: Ihr Stabschef und dessen Vorgänger, ihr Ex-Wahlkampfleiter und der amtierende Ministerpräsident hätten Geld von ihm genommen, behauptete der Unternehmer Sung Wan Jong in einem Interview. Dann erhängte er sich mit seiner Krawatte. Nach einem Dementi trat Ministerpräsident Lee Wan Koo zurück. "Es gibt viel, was ich sagen will, aber ich hinterlasse eine Leere in dem Glauben, dass die Wahrheit eines Tages ans Licht kommt."
    Der Finanzskandal erinnerte die Südkoreaner daran, dass in Politik und Wirtschaft in ihrem Land weiter viel dunkles Geld fließt. Diese Tradition stammt aus der Zeit, als der Staat die Wirtschaft regulierte und mit billigem Geld Familien-Konglomerate groß und stark machte. So hatte der Vater der heutigen Präsidentin, der damalige Militärmachthaber Park Chung-hee, in den Siebzigerjahren regiert. Seine Tochter hat ihr Versprechen, die Macht dieser Firmengruppen zu beschneiden, bisher nicht erfüllt. In der Korruptionsaffäre blieb ihr nur die Flucht nach vorn. Sie werde die Vorwürfe untersuchen lassen. "Ich werde niemanden tolerieren, der korrupt ist. Das Volk wird solchen Leuten nicht vergeben. Wir sollten diesen Fall als Chance sehen, die korrupten Aktionen in unserer politischen Vergangenheit und Gegenwart zu enthüllen, als Teil einer politischen Reform."
    Die doppelte Krise wirft ein Schlaglicht auf den Stillstand in Südkorea. Der sozialdemokratische Reformlack aus dem Wahlkampf ist abgeblättert, im Kern ist Park tiefkonservativ. Unter ihr mussten in zwei Jahren schon vier Ministerpräsidenten gehen. Niemand will mehr auf dem Schleudersitz Platz nehmen. Park pflegt den Status Quo. Ihre Angebote an Nordkorea gingen ins Leere. Sie hat China zum bevorzugten Partner auserkoren, obwohl die Wirtschaft dort gerade abkühlt. Auch ihre anti-japanische Haltung entpuppt sich als Bumerang, wie der frühere US-Vize-Handelsminister Robert Shapiro kritisiert. "Ein großes Hindernis für Koreas wirtschaftliche Entwicklung ist die ungelöste Beziehung mit Japan. Fast siebzig Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg bleiben viele bittere Gefühle. Japan hat koreanischen Kriegsopfern 800 Millionen Dollar Entschädigung gezahlt. Freigegebene Dokumente zeigen, dass dieses Geld unter Park Chung Hee nicht an die sogenannten Trostfrauen ausgezahlt wurde."
    Dennoch beharrt Präsidentin Park darauf, dass Japan diese Zwangsprostituierten direkt entschädigt. Deswegen verweigert Park auch ein Gipfeltreffen mit dem japanischen Premierminister Shinzo Abe, obwohl beide Länder Nachbarn und US-Verbündete sind. Nach dem triumphalen Auftritt von Abe vor dem US-Kongress in dieser Woche gibt es zwar erste Anzeichen, dass Park ihren japanfeindlichen Kurs korrigieren könnte. Aber falls sie so kraftlos weiterregiert wie bisher, drohen Südkorea noch fast drei führungslose Jahre.