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Sündenstadt der Savanne

"Sun City" im Nordwesten Südafrikas ist ein Vergnügungskomplex der (manchmal zweifelhaften) Superlative. 1979 wurde es mitten in den afrikanischen Busch gestampft. Die Besucher können im Riesen-Wellenbad schwimmen, nahezu jeden Freizeitspaß ausprobieren und einfach im Luxus schwelgen.

Von Claus Stäcker | 17.06.2012
    Hans van Rendsburg klimpert ein bisschen abwesend vor den Hotelgästen im "Kristallhof" , der spektakulären Frühstückshalle im "Palace of the Lost
    City": Elefantenbrunnen, 25 Meter hohe Decke, sechs Meter hohe Glasfenster, ein Kristallleuchter mit der Spannweite von Helikopterrotoren. Van Rendsburg spielt auf einem Bösendorfer-Flügel, an dem schon Elton John und Piano-Legende Liberace saßen.

    Für eine brasilianische Reisegruppe gibt es ein paar Töne "Ipanema Girl", auch die Konferenzgruppe aus Österreich nimmt das so hin. Nur für die vielen Inder fällt ihm partout nichts ein, die das legendäre Frühstücksbuffet plündern: Eingelegte und gebratene Eier, Curry und Klebreis, Austern und Sushi, Gelbflossenthunfisch und Rotweinbirnen, Crêpes wahlweise mit Ahornsirup oder Schokoladenraspeln - Köchin Nonhlanhla Mazabo ist auf alles vorbereitet.

    "Das größte Kopfzerbrechen haben mir die Österreicher bereitet, alles musste sehr früh bereit stehen, denn sie tagen schon ab 7.30 Uhr und nehmen das verdammt ernst. Aber wir versuchen das Äußerste, um jeden einzelnen Gast zufriedenzustellen."

    Dutzende Staatschefs waren schon da, Frank Sinatra, Tina Turner, Rod Stewart, Jamie Foxx und Michael Bublé. Michael Jackson blieb gleich zwei Monate in der Kind Suite für 1.500 Dollar die Nacht. Chef-Concierge Itayi Pswarayi musste schon Flugzeuge bestellen, Jagden organisieren und Gäste umbetten - weil ein Prinz aus Dubai darauf bestand, dass niemand über ihm wohnt.

    "Das war genau das Problem... aber wir haben das professionell-diplomatisch gelöst und alle waren zufrieden."

    Sun City wurde 1979 mitten in den afrikanischen Busch gestampft.
    Glücksspiel war im Apartheid-Südafrika verboten, also baute Hotelkönig Sol Kerzner sein Casino-Reich in das damals offiziell unabhängige Homeland Boputhatswana.

    Das Geld war nach einem Jahr bereits wieder eingespielt, sagt Herliane Portenschlager, die indonesische Standortmanagerin mit österreichischem Namen. Es folgten drei weitere Hotels - das spektakulärste, der "Palast der verlorenen Stadt", zählt zu den "Leading Hotels of the World".

    "Neun Monate hat es allein gedauert, die Felsen für die Fundamente wegzusprengen. Um den Bautermin zu halten, ließ Sol Kerzner zum Schluss 10.000 Bauarbeiter gleichzeitig arbeiten. Der 'Palace' ist das größte Gebäude aus Betonformteilen der Welt."

    Ein verschwenderischer Kitschbau im Afro-Art-Deco-Irgendwie-Stil, Zimmerpreise selbst in der Nebensaison nicht unter 400 Euro. Allein im Fußboden der Lobby sind 300.000 Mosaikstücke aus edelsten Steinen verbaut.

    Viele Gruppen kommen nur wegen des Hotels, mit seinem 32 Grad warmen Pool - dem "Walley of Waves", dem größten Wellenbad Afrikas, das bis zu 5000 Badegäste aufnehmen kann. Für das Freibad müssen 2,2 Millionen Liter Wasser 80 Kilometer weit hergepumpt werden. Die Kunststadt in der Savanne bietet viele zweifelhafte Superlative.

    2,2 Milliarden Rand setzt Sun City heute um, gut 200 Millionen Euro. Es ist das Flaggschiff der Hotelgruppe Sun International. Vergessen die Zeiten, wo Bono, Bob Dylan und andere Sun City als Ort der Rassentrennung brandmarkten.

    Seit das Homeland wieder zu Südafrika gehört und Glücksspiel nicht mehr verboten ist, hat sich Sun City neu erfinden müssen. Das Casino steuert nur noch 30 Prozent der Einnahmen bei. Konferenzen, Popkonzerte, Misswahlen und andere Großevents bringen das Geld, wie der Nedbank Challenge, eines der bestdotierten Turniere der Welt. Sogar Laien dürfen auf den heiligen Rasen.
    Nur am Loch 13 müssen sie vorsichtig sein, warnt Golflehrer Simon Pieters.

    "Dort lauern ungefähr fünf Krokodile da. Und jeden Tag landen 10 bis 15 Bälle vor ihnen im Wasser. Man lässt sie besser drin, man kann nicht einfach hingehen und sie aufheben. Golf kann gefährlich sein."

    Ständig lässt sich die Sun-Gruppe neue Attraktionen einfallen - für Hotelgäste wie Tagesbesucher. 101 Freizeitaktivitäten sollen es inzwischen sein. Herliane Portenschlager:

    "Alles ist möglich in Sun City"

    Vom Bogenschießen über Ballonfahrten und Elefantenausritt bis Safari bis hin zum Quadbiken oder Motorbootspaß. Garantiert malariafrei auch die Safari nebenan - im Pilanesberg Nationalpark. Casinos und das sündhaft teure Palast-Hotel kann man also getrost ausklammern. Zumal das Frühstückspiano von Elton John auch nicht mehr das ist was es mal war.

    "Vor zehn Jahren klang das Piano noch ganz anders", nörgelt "Piano-Man" Hans van Rendsburg, "man hätte ihn nie neben dem Elefantenbrunnen aufstellen dürfen. So ist der Bösendorfer kaum noch was wert. Man könnte ihn sicher restaurieren, aber vielleicht ist es dafür auch schon 20 Jahre zu spät."