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Neurologie. - Die Diagnose von Alzheimer ist weiterhin schwierig. Forscher aus Göteborg berichten nun im Fachmagazin PNAS über bisher unbekannte kleine Eiweißmoleküle, die sie im Gehirn von Alzheimer Patienten entdeckt haben. Sie könnten die Diagnose der Krankheit in Zukunft einfacher und verlässlicher machen.

Von Christine Westerhaus | 05.08.2011
    Zucker spielt in Göran Larsons Leben als Forscher eine wichtige Rolle. Als Professor für Glykobiologie beschäftigt er sich an der Universität Göteborg mit biologisch aktiven Zuckermolekülen. Diese Glucose-Moleküle spielen auch bei manchen Krankheiten eine Rolle. Werden sie an die Bruchstücke bestimmter Proteine angeheftet, kann sich deren Funktion ändern. Göran Larson und seine Kollegen haben Hinweise darauf gefunden, dass solche, durch Zuckermoleküle veränderte Proteine, auch bei der Alzheimer Krankheit eine Rolle spielen.

    "Wir haben im Hirnwasser von Alzheimer Patienten eine ganze Reihe von bisher unbekannten Protein-Bruchstücken entdeckt, an denen Zuckermoleküle hängen. Diese Bruchstücke stammen von dem so genannten APP Protein, von dem wir bereits wussten, dass es bei der Alzheimer Krankheit eine wichtige Rolle spielt. Deshalb haben wir sie genauer untersucht und festgestellt, dass sie im Hirnwasser von Alzheimer Patienten in höheren Konzentrationen vorkommen."

    Das APP Protein, von dem die neu entdeckten Bruchstücke stammen, ist auch für die typischen Ablagerungen im Gehirn von Alzheimer Patienten verantwortlich. Hauptbestandteil dieser auch "Plaques" genannten krankhaften Veränderungen sind β-Amyloide. Diese kleinen Proteine – auch Peptide genannt - gelten als Nerven schädigend und werden bei Alzheimer Patienten für den Gedächtnisverlust verantwortlich gemacht. Im Gehirn von gesunden Menschen kommen diese β-Amyloid-Peptide zwar auch vor, sie lagern sich aber nicht ab. Larson:

    "Interessant ist, dass wir auf diesen Peptiden, die sich bei Alzheimer-Patienten als Plaques ablagern, keine Zuckermoleküle gefunden haben. Das ist bemerkenswert, weil sie genau die gleichen Abschnitte von Aminosäuren enthalten, wie bei den zuckerbehafteten Peptiden. Möglicherweise sorgen die Zuckermoleküle dafür, dass die gefährlichen Proteine an anderer Stelle in Bruchstücke zerschnitten werden. Damit keine Ablagerungen entstehen."

    Die Markierung mit Zuckermolekülen könnte also eine Strategie des Körpers sein, potenziell gefährliche Eiweiße unschädlich zu machen. Sie könnten auf dem Protein Stellen kenntlich machen, an dem es von Enzymen in harmlose Bruchstücke zerschnitten werden kann. Solche, die sich nicht als Nerven schädigende "Plaques" im Gehirn ablagern.

    "Es wird nun interessant sein, herauszufinden, welches Enzym die Zuckermoleküle an die Eiweiße koppelt. Dann wäre es denkbar, eine Therapie für die Alzheimer Krankheit zu entwickeln, bei der man dieses Enzym manipuliert. Allerdings wissen wir bisher nichts über dieses Enzym und ich kann heute noch nicht einmal sagen, ob man es eher hemmen oder eher stimulieren sollte."

    Die neu identifizierten Peptide bieten jedoch in jedem Fall eine Möglichkeit, die Alzheimer Krankheit zu diagnostizieren. Zwar kommen sie auch bei Menschen vor, deren Demenz eine andere Ursache hat. Doch nur bei Alzheimer Patienten ist die Konzentration dieser Peptide erhöht.

    "Das kann man ausnutzen und eine neue und einfachere Methode entwickeln, mit der man die erhöhten Konzentrationen messen kann. Vielleicht ist auch möglich, den Krankheitsverlauf anhand der Peptide zu verfolgen: Nimmt ihre Konzentration weiter zu, je weiter der Gedächtnisverlust fortgeschritten ist? Gibt es vielleicht Varianten der Alzheimer Krankheit? Darüber wissen wir kaum etwas."

    Bisher gibt es jedoch keine Möglichkeit, die Alzheimer Krankheit wirksam zu behandeln. Eine Diagnose kann den Betroffenen deshalb nur Gewissheit verschaffen, aber keine Aussicht auf Heilung.