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Suiten aus den Pièces de Clavecin von Johann Mattheson

Wir stellen Ihnen heute Suiten aus den Pièces de Clavecin von Johann Mattheson vor, gespielt von Cristiano Holtz. Diese erste CD-Aufnahme dieser Stücke erschien jetzt beim deutschen Label Ramé.

Von Christiane Lehnigk |
    " Musikbeispiel: Mattheson, aus Suite première d-moll - Prélude "

    Johann Mattheson war Universalgelehrter, Jurist, Komponist und Musiker. Es gibt keine vergleichbare Persönlichkeit in seiner Zeit. Er war der bedeutendste Musikschriftsteller im deutschen Barock, der Wegbereiter der modernen Musiktheorie und niemand hat, wie er, mit solch einer Genauigkeit die musikalische Welt einer Zeit dokumentiert, in der sich Stil und Werte radikal änderten, sich der Wechsel vom Barock zur Klassik anbahnte.

    Seine bekannteste Schrift, "Der vollkommene Capellmeister", stellt eine Enzyklopädie der gesamten Musikpraxis und Musikästhetik des 18.Jahrhunderts dar und hat die Musikgeschichte nachfolgend geprägt.

    Hinter diesen Errungenschaften ist der Komponist Mattheson ziemlich in den Hintergrund gerückt, was in neuerer Zeit auch daran lag, dass seine Werke, nach der Bombardierung Hamburgs im 2.Weltkrieg, überwiegend als verloren galten.

    Ein Großteil seines Oeuvres, das sich heute wieder in der Hamburger Staatsbibliothek befindet, war im Krieg ausgelagert und ging dann als Beutekunst nach Armenien. Erst seit dem Ende der 90er Jahre kehrte es in Teilen zurück und dies ist wieder mal ein gutes Beispiel dafür, dass es in der Alten Musik immer noch eine Menge neu zu entdecken gibt.

    Und so hoffen Herausgeber und Künstler, mit dieser Aufnahme dazu bei zu tragen, den Musiker Johann Mattheson als talentierten Komponisten und Beförderer des musikalischen Fortschritts bekannt machen zu können.

    " Musikbeispiel: Mattheson, aus Suite quatrième g-moll - Gigue "

    Johann Mattheson schrieb für viele Genres, wobei die Oratorien das Herzstück seines Repertoires bildeten. Die ‚Melodie' stellte für ihn bei jeder Komposition die Basis dar, und aus der Beschäftigung mit den verschiedenen Emotionen entwickelte er einen in der Zeit einzigartigen Versuch, eine Affektenlehre aufzustellen.

    Mattheson hinterließ auch einige Opern, Vokalmusik und kammermusikalische Werke, die zum großen Teil noch der Entdeckung harren. In der Kammermusik sind bis jetzt nur die 12 Sonaten für Flöte oder Violine und Basso continuo auf dem Markt erhältlich, die Auswahl an Suiten aus den zwei Bänden der Pièces de clavecin stellt hier eine weitere hochwertige Repertoire-Erweiterung dar. Veröffentlicht wurden diese zwei Bände 1714 in London mit der Widmung "To all Lovers of Musick" , was deutlich macht, dass diese Stücke für "Liebhaber im nobelsten Sinne des Wortes" konzipiert waren. Der deutsche Nachdruck erschien unter dem Titel: Matthesons Harmonisches Denckmahl, aus zwölf erwählten Clavier-Suiten.

    Die Abbildung einer Viola da gamba an der Seite des zweimanualigen Cembalos auf der Titelseite der zwei Bände könnte auch eine Ausführung gemäß der französischen Praxis des clavecin en concert nahe legen, eine dezente Begleitung oder besser Verstärkung des Cembaloklanges.

    Der Typ der französischen Suite war zwischen 1675 und 1750 ziemlich populär und erschien im deutschen Repertoire als Partita, Ouvertüre, oder Ordre. Mattheson hielt sich von der Anlage her vorwiegend an das deutsche Modell, wobei er den Charakter der einzelnen Tänze beibehielt. Er tauschte aber einige Sätze aus und variierte die Namen der eröffnenden Präludien.

    Vom Interpreten werden hier rhythmische Strenge und technische Versiertheit gleichermaßen verlangt, die Verzierungen sind gemäßigt und es finden sich sowohl harmonische Fortspinnungen wie die typisch deutsche, strenge Kunst des Kontrapunktes.

    In der vorliegenden Aufnahme wurde die Abfolge der Stücke frei gestaltet, da ja die Form der Suite selbst frei sei und, so die Herausgeber, für Aufführung im häuslichen Rahmen gedacht waren, ohne Beachtung strenger und wohl etablierter Regeln.

    Der brasilianische Cembalist Cristiano Holtz, der in den Niederlanden unter anderem von Jaques Ogg und Gustav Leonhardt ausgebildet wurde, spielt hier sehr stilsicher und virtuos ein wohlklingendes Instrument von Bruce Kennedy nach einer Vorlage von Michael Mietke aus den Jahren 1703/1704.

    " Musikbeispiel: Johann Mattheson, aus Suite Sixième E-dur "

    Dies waren fünf Sätze aus der 6., E-dur Suite von Johann Mattheson, gespielt von Cristiano Holtz.

    Matthesons zwei Bände mit Suiten entstanden in einer Zeit, als er Hauslehrer und späterer Sekretär des englischen Botschafters in Hamburg war. Cyril Wich, dem so apostrophierten "gran virtuoso" war auch schon der erste Band der Sonaten für zwei Cembali gewidmet.

    Mattheson war schon seit frühester Jugend ausübender Musiker, sang, spielte eine Vielzahl von Instrumenten und brachte bereits 1699 seine erste Oper heraus. 1715 wurde er Musikdirektor am Hamburger Dom und behielt diese Stelle bis 1728, als sein Gehör bereits stark eingeschränkt war. Als er dann ganz ertaubte, wandte er sich seinen theoretischen Schriften zu , die für die deutsche Musikgeschichte des 18.Jahrhunderts von unschätzbarem Wert wurden. Zu seinen bekanntesten Veröffentlichungen zählt die Grundlage einer Ehren-Pforte von 1740, ein biographisches Lexikon mit Einträgen von 149 der besten Musiker aus Vergangenheit und Gegenwart.

    Dass der berühmte Theoretiker Mattheson auch wieder als Komponist wahrgenommen wird, dafür sorgt jetzt auch diese Einspielung der Cembalo-Suiten, die ein Zeugnis für den gemischten, Französisch-Italienisch-Deutschen-Stil der Zeit sind.

    " Musikbeispiel: Johann Mattheson, aus Suite Neufième g-moll "